Tag gegen die Gewalt an Frauen in Göttingen

Das Datum 25. November ist auch in Gedenken an die Mirabal-Schwestern gewählt worden. Zwei der drei Aktivistinnen aus der Dominikanischen Republik wurden 1960 auf Anordnung des Landesherrn Rafael Trujillo brutal ermordet. 1994 verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) die „Declaration on the Elimination of Violence against Women“, die Erklärung zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Die Generalversammlung der UN stimmte im Jahr 2000 für eine Resolution, die den 25. November offiziell zum Internationalen Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen bestimmt und dabei Regierungen, internationale Organisationen sowie NGOs zur Zusammenarbeit und Organisation einlädt. Blaue Fahnen: Die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes initiierte am 25. November 2001 zum ersten Mal die Fahnenaktion „Nein zu Gewalt an Frauen“. Die Aktion ist mittlerweile bundesweit bekannt. Zahlreiche Frauenbeauftragte, Verbände und Ministerien lassen jedes Jahr am 25. November ihre Fahnen wehen, um auf Gewalt an Frauen aufmerksam zu machen. Auch in Göttingen hissen etliche Institutionen an diesem Tag blaue Fahnen. Der 25. November ist „für uns ein wichtiger Tag“, sagt Sara Koch, Sozialpädagogin im Frauenhaus Göttingen. Öffentlichkeitsarbeit sei ein wichtiger Teil der Arbeit der Frauenhäuser. Der Tag gebe Gelegenheit, auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen. 2019 sei das das Thema Femizide – Mord an Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit, verübt durch Expartner, Partner oder Ehemänner. 107 Frauen würden weltweit täglich von ihren Partner getötet. Frauen seien angreifbarer, sagt Koch. Frauen betrifft Gewalt anders: Das belegen auch Fakten, die die Landeszentrale für politische Bildung veröffentlicht: Frauen und Männer seien von Gewalt unterschiedlich betroffen. Männer erleben körperliche und auch sexuelle Gewalt am häufigsten in öffentlichen Räumen, am ehesten in jungen Jahren, aber auch als Opfer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. In Beziehungen, so der Befund von mehreren Studien, erleben Männer vor allem psychische Gewalt; körperliche Gewalt am ehesten durch leichte Ohrfeigen und selten so, dass Verletzungen folgen. Frauen erleben körperliche (32 Prozent) und sexuelle (13 Prozent) Gewalt am häufigsten in Beziehungen oder nach einer Trennung und breit verteilt durch alle Altersgruppen ab 16 Jahren. Fast zwei Drittel von ihnen trugen mindestens einmal Verletzungen davon. Sowohl körperliche als auch gravierende sexuelle Gewalt erleben Frauen zu 70 Prozent in der eigenen Wohnung. „Der Schutz der Frauen ist immens wichtig“, sagt Koch. Frauenhäuser seien eine der ersten Anlaufstellen für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. „Unser großer Wunsch wäre eine verlässliche Finanzierung“, sagt Koch. Das würde vieles erleichtern. Die Frauenhäuser in Deutschland seien sehr unterschiedlich finanziert, oft änderte sich jährlich etwas an den Vorgaben. Zehn Plätze für Schutzsuchende: Im Göttinger Frauenhaus können betroffene Frauen und ihre Kinder höchstens 16 Wochen bleiben. Zehn Plätze hat das Frauenhaus, etwa 100 Frauen suchen hier im Jahr Schutz, so Koch. 2018 hatten 76 Prozent dieser Frauen einen Migrationshintergrund. Das heiße nicht, dass sie von Gewalt betroffener sind, sagt Koch. Aber es fehle ihnen an finanziellen Ressourcen oder Familien und Freunden, um anderswo unterzukommen. Es sei aber gut, dass diese Frauen wissen, „dass sie sich an uns wenden können“. Hilfen finden Betroffene unter anderem bei folgenden Einrichtungen. – Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ Unter der Nummer 08000 116 016 ist das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" zu erreichen. Die Telefonnummer ist kostenlos und bundesweit erreichbar, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Sie kann auch ohne Handyguthaben genutzt werden. Eingerichtet vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, die Beraterinnen können in 17 Sprachen weiterhelfen. www.hilfetelefon.de – Frauenhaus Göttingen Jeden Tag, auch an Wochenenden und Feiertagen erreichbar. Auch die Polizei kann Betroffene dorthin bringen. Tel. 0551 / 52 11 800. Mail: info@frauenhaus-goettingen.de, www.frauenhaus-goettingen.de –Frauenhaus Osterode Verein Frauen für Frauen erreichbar unter der Telefonnummer 05522 / 4668 oder Frauennotruf/Gewaltberatungsstelle 05522 /920770 Frauennotruf Göttingen – Frauen-Notruf, Beratungs- und Fachzentrum sexuelle und häusliche Gewalt, Postfach 18 25, 37008 Göttingen, Telefon: 0551 / 44 68 4, telefonischen Sprechzeiten: montags und freitags von 9.30 - 11 Uhr, mittwochs und donnerstags von 15.30 - 17.00 Uhr. Unter www.frauen-notruf-goettingen.de auch viele weitere Ansprechpartnerinnen und Links. Opferhilfebüro Göttingen Beratungsstelle für Opfer von Straftaten und deren Angehörige. Berliner Straße 8, Telefon 0551 - 403 1450, Mail: buero@opferhilfebuero-goettingen.de, www.opferhilfe.niedersachsen.de Viele Frauenhäuser in Niedersachsen müssen Frauen abweisen. In Göttingen halte sich das in Grenzen, so Koch. 2018 hätten 21 Frauen abgewiesen werden müssen, aus Platzmangel, manchmal aber auch weil andere Aspekte wie Suchtbelastungen oder psychische Erkrankungen im Vordergrund stehen. Dann vermittle das Frauenhaus an andere Stellen. Ein schwieriges Thema sei die Wohnungssuche für die betroffenen Frauen. Der Wohnungsmarkt verschärfe sich immer mehr und daher werde es auch immer schwieriger Wohnraum für die Frauen zu finden. Folgen für die Psyche: Gewalterfahrungen können schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit haben. Zwei Drittel ihrer Klientinnen habe Gewalterfahrungen, berichtet Bärbel Safieh, die beim Göttinger Verein Frauenzimmer mit Frauen mit psychischen Erkrankungen arbeitet. Oft hätten diese Frauen als Kinder beobachten müssen, wie die Mutter gequält worden sei. „Wenn Frauen in der Kindheit erleben, dass Gewalt an der Tagesordnung ist“, so Safieh, ließen sie dass oft auch in den eigenen Partnerschaften zu. Der Widerstandswillen sei gebrochen, sie könnten sich häufig nicht wehren und hätten eine tiefe negative Einstellung gegen sich selbst. Mit schwerwiegenden Folgen, die sich oft auch in Depressionen oder Psychosen zeigen. Das zeige auch, wie wichtig es sei, an die Kinder in Familien mit häuslicher Gewalt zu denken. Im Projekt Phoenix beim Frauennotruf werde mit solchen Kindern gearbeitet. Das sei wichtig, sonst machten sich das die Mütter auch noch die Belastung der Kinder zum Vorwurf, so Safieh. In Göttingen gebe es eine gute Vernetzung aller Frauen-Projekte, so Koch und Safieh. Auch eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei sei„seit Jahren gewachsen“, vor allem seit es in Niedersachsen das Gewaltschutzgesetz (2002) und seit 2001 einen Aktionsplan gebe. Es sei wichtig, dass die Polizei adäquat mit Situationen der häuslichen Gewalt umgehe, so Koch. Aktionen am 25. November: Stadtspaziergang Die feministische Frauengruppe Göttingen ruft zum Stadtspaziergang am 25. November auf. Es brauche ein Ende der Gewalt, so die Veranstalterinnen. Zu den Forderungen der Gruppe zählen die Thematisierung struktureller Gewalt an Frauen und die Anerkennung von Femiziden als gesellschaftliches Problem auch in Deutschland, die Stärkung der Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Frauen, massive Förderung von unabhängigen feministischen Projekten zur Sensibilisierung und Gewaltprävention. Der Spaziergang mit Redebeiträgen, kreativen Inputs und Liedern geht durch die Innenstadt. Start ist um 16.30 Uhr am Bahnhof." Blaue Fahnen Alljährlich schließt sich das Göttinger Frauenforum der Initiative von Terre des Femmes an, an öffentlichen Gebäuden die Flagge „Frei leben – ohne Gewalt“ zu hissen. Landrat Bernhard Reuter und Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler werden die Flagge um 12 Uhr vor dem Kreishaus Göttingen hissen. Es sprechen Angelika Kruse, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Göttingen, und Cornelia Renders, Referentin für Arbeit mit Frauen im Sprengel Hildesheim-Göttingen. „Auch wir wollen diesen internationalen Gedenk- und Aktionstag zum Anlass nehmen, Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen. In der Stadt Nordhausen werden deshalb blaue Fahnen von Terre des Femmes wehen“, so so Stefani Müller, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nordhausen. An der Aktion beteiligt sich auch Hann.Münden. Hier werden vor dem Verwaltungsgebäude die blauen Fahnen hochgezogen. Gebäude strahlen orange Der Zonta Club Göttingen wird am 25. November um 17 Uhr zusammen mit anderen Service-Clubs, mit Vertretern von Frauenhaus und Frauen-Notruf sowie der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Göttingen auf dem Wilhelmsplatz eine Mahnwache abhalten. Auch die breite Öffentlichkeit sei dorthin eingeladen, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen – ganz besonders im Kontext der Ereignisse in Grone. In Göttingen werden um Punkt 17 Uhr öffentliche Gebäude in orangefarbenem Licht erstrahlen: das Neue und das Alte Rathaus, das Deutsche Theater, das Hotel Freigeist, die Sparkasse am Groner Tor, das Städtische Museum und viele andere. Gedenkkundgebung Eine Gedenkkundgebung zum Tag gegen Gewalt an Frauen hat die basisdemokratische Linke organisiert. Sie beginnt am 25. November um 19 Uhr in Grone, Zollstock, Ecke Krugstraße. Gemeinsam soll hier allen von Gewalt betroffenen Frauen gedacht werden. Femizide seien keine Beziehungsdramen oder Einzelfälle, sondern Ausdruck der strukturellen Gewalt eines immer noch herrschenden Patriachats, heißt es in einer Mittelung der Veranstalter. Ausstellung des Frauenhauses Das Frauenhaus Göttingen zeigt ab Dienstag, 26. November die Ausstellung „Es ist DEIN Leben – male es in DEINEN Farben!“ im Weststadtzentrum, Pfalz-Grona-Breite 84/88. Ehemalige Bewohnerinnen des Frauenhauses aus verschiedenen Kulturen bringen mit ihren vielfältigen Bildern ihre individuellen Stärken und Potentiale zum Ausdruck. Die farbenfrohen Acrylbilder entstanden unter der Anleitung der Göttinger Künstlerin Lilly Stehling. Die Ausstellungseröffnung durch Petra Broistedt, Sozial- und Kulturdezernentin der Stadt Göttingen, ist um 12.30 Uhr. Von Christiane Böhm

Schutz der Frauen wichtig - Das plant Göttingen zum Tag gegen Gewalt an Frauen