Trotz Corona: Drei Frauen versorgen in Göttingen die Szene beim Mittagstisch

Die Wolken am Himmel über Göttingen haben sich verzogen und mit ihnen der Regen. Deutlich mehr Menschen tummeln sich jetzt unter klarem Himmel bei Sonnenschein und angenehmen Frühlingstemperaturen in der Kurzen Straße in Göttingen. Sehr viele von ihnen sehen nicht eben gesund aus, sie nehmen offensichtlich Drogen – und warten darauf, dass der Mittagstisch der katholischen Kirchengemeinde St. Michael seine Türen öffnet. Hier kocht und serviert ein Dreierteam das kostenlose Mittagessen. Dabei gehören Chefin Anna Werner-Parker (70) und Cornelia Riez (Jahrgang 1957) wegen ihres Alters auch zur Corona-Risikogruppe. Die dritte im Bunde, Renate Hildebrandt, geboren 1972, ist noch etwas jünger. In Zeiten der Corona-Krise haben sie den Dienst im Mittagstisch komplett übernommen. Werner-Parker ist schon seit Jahrzehnten dabei, „seit Mitte der 1990er-Jahre“ dabei, vielleicht auch schon länger. Ganz genau kann sie das nicht mehr sagen. Zu Beginn habe sie einmal im Monat gekocht, später Urlaubsvertretungen übernommen und am Wochenende beim Mittagstisch gearbeitet. Mit ihrem Eintritt in die Rente habe sie die Leitung übernommen. „Ich kenne den Laden, ich kenne die Leute – die noch da sind.“ In der Turmstraße trifft sich die Drogenszene, manch ein Kunde ist über die Jahre gestorben. Derzeit ausgedünnt: Viele Ältere allerdings kommen nicht mehr, wohl auch aus Angst vor einer möglichen Ansteckung. Auch das Team des Mittagstisches ist derzeit ausgedünnt. Viele ehrenamtliche Mitarbeiter seien älter und somit mitten in einer Risikogruppe und wollen keine Ansteckung riskieren. Gemeinschaftlich habe man die Entscheidung getroffen, das aktuelle Dreierteam durcharbeiten zu lassen. Auch das vermindere das Risiko einer Ansteckung. Natürlich sorgen sie auch so weit wie möglich dafür, dass das auch so bleibt. „Wir schützen uns so gut wir können“, sagt die Chefin. Sie tragen Mundschutz, halten Abstand, „waschen tausendmal am Tag die Hände und wechseln immer wieder die Handschuhe“. Eine ganze Menge neuer Kunden: Die Kunden können zudem die Räume des Mittagstisches nicht mehr betreten. Die Ausgabestelle des Essens ist in einen Hauseingang verlegt. Gegessen wird draußen auf der Straße. Die Hälfte der Kundschaft komme immer, erklärt Werner-Parker, „hier trifft sich die Drogenszene“. Ärzte haben ihre Praxen in der Nähe. Allerdings kämen derzeit auch eine ganze Menge neuer Kunden, um kostenlos ein warmes Mittagessen zu bekommen – wohl eine Folge der Corona-Krise. Viele Menschen haben weniger Einkünfte, das Geld wird knapp. Unerschütterlich: Werner-Parker zeigt sich unerschütterlich: „Man kriegt ja keine Pest.“ Und: „Wir sind optimistisch. Bestimmte Sachen müssen einfach gemacht werden.“ Ist sie also besonders mutig? Werner-Parker wehrt ab. Das sei wie bei den Krankenschwestern, die die Infizierten versorgen. „Sind die deshalb mutig?“ Täglich arbeitet Werner-Parker beim Mittagstisch und trifft die Klientel dort. Ihre Enkelkinder aber habe sie seit drei Wochen nicht mehr gesehen. Verzagt allerdings klingt sie deswegen nicht. 40 bis 50 Kunden bewirten die drei Frauen, die derzeit den Mittagstisch in St. Michael betreuen, berichtet Anna Werner-Parker, Chefin der Einrichtung, die kostenlos Mittagessen ausgibt an Menschen, die es benötigen. Die Drogenszene trifft sich vor dem Haus neben der katholischen Kirche, Arztpraxen sind in der Nähe. Neben dieser Stammklientel kämen laut Werner-Parker inzwischen auch Kunden, die sonst nicht dort anzutreffen sind. Neben dem warmen Mittagessen gibt das Trio auch kalte Brotzeiten für den Rest des Tages mit. Vor Corona hätten die Kunden wählen können, was sie bekommen wollten. Doch durch die Corona-Krise hat sich die Lage geändert. Die Innenräume sind für Publikumsverkehr gesperrt, die Mitarbeiterinnen packen ab, was da ist. Draußen werde dann getauscht, berichtet Werner-Parker. Unterstützt wird der Mittagstisch laut Werner-Parker unter anderem von der Universitätsmedizin, dem Krankenhaus Neu-Mariahilf, dem Studentenwerk und dem Restaurant Bullerjahn, die Mahlzeiten zubereiten, sowie vom Supermarkt Kaufland, der Lebensmittel spendet. Lesen Sie auch: Corona in Göttingen: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Corona-Liveticker: Die aktuellen Entwicklungen in Göttingen und der Region Von Peter Krüger-Lenz

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