Verleger Hogrefe zum Fridtjof-Nansen-Haus

„Durch die jüngsten Darstellungen entsteht fälschlicherweise der Eindruck, der Hogrefe-Verlag hätte das Objekt seit zwei Jahren leer stehen lassen.“ G. Jürgen Hogrefe hat jetzt auf die jüngsten Vorwürfe reagiert, die auch gegen seine Person erhoben wurden. Eine Wohnraum-Initiative hatte am Muttertag mit einer Kurzzeit-Besetzung des Wohntrakts am Fridtjof-Nansen-Weg und einem offenen Brief kritisiert, dass der neue Besitzer die ehemals städtische Immobilie lieber leer stehen lasse als sie für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung zu stellen. Gegen diese Darstellung wehrt sich Hogrefe entschieden. Hier gelte es, „manche Dinge ins rechte Licht zu rücken“, sagt der promovierte Psychologe gegenüber dem Tageblatt. Zwar habe der Rat der Stadt tatsächlich bereits im Juni 2018 die grundsätzliche Entscheidung getroffen, die ehemalige Levinsche Villa an den Verlag zu verkaufen. „Tatsächlich Eigentümer sind wir jedoch erst seit vergangenen Dezember, also erst seit knapp fünf Monaten.“ Eine Reihe von bürokratischen Abläufen habe den Eigentumsübergang verzögert. Wohnteil nicht bewohnbar: Um Zeit zu sparen, sei man dennoch direkt nach der Grundsatzentscheidung vor zwei Jahren in die Planungsphase eingetreten, so Hogrefe. Experten hätten eine Bestandsaufnahme gemacht, mit Untersuchungen auch mit Blick auf den zu berücksichtigenden Denkmalschutz begonnen und sich um die notwendigen Genehmigungen gekümmert. Für den wiederholt besetzten Gebäudeteil, der bisher als Wohnheim genutzt wurde, seien die Vorbereitungen abgeschlossen. Im April hätten die Bauarbeiten beginnen sollen – das Corona-Virus habe das verhindert. Zu diesem Bereich der Immobilie stellt der Verleger klar: „Von außen entsteht bei dem immer wieder thematisierten ,neuen’ Wohnteil am Fridtjof-Nansen-Weg leicht der Eindruck, dass das Gebäude im gegenwärtigen Zustand bewohnbar sei. Das ist jedoch nicht der Fall.“ Zur Vorbereitung der eigentlichen Bauarbeiten habe man die Sanitäranlagen und Heizung entfernen lassen. Die Abwasserleitungen seien schon seit Jahren vollständig marode und nicht mehr zulässig gewesen. Gleiches gelte für die elektrischen Leitungen, die entfernt und nach heutigen Vorgaben erneuert werden müssten. Kosten wie beim Neubau: Schon das Goethe-Institut habe als letzter Nutzer des Gebäudes einzelne Wohneinheiten aus Sicherheits- und Hygienegründen stilllegen müssen. Die Renovierung komme vom Umfang der erforderlichen Arbeiten und den Kosten praktisch einem Neubau gleich, sagt der Neueigentümer. „Wir betrachten unsere Rolle bei der Renovierung des Objektes nicht als die eines renditeorientierten Investors, wie es teilweise suggeriert wird.“ Das Unternehmen benötige das Gebäude zur Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen. Gleichzeitig aber wolle man hier auch ein historisch wertvolles Gebäude erhalten. Dieses Engagement hat der Verlag vor zehn Jahren bereits in unmittelbarer Nachbarschaft an den Tag gelegt. 2009 hatte Hogrefe die Villa Merkelstraße 3 bei einer Zwangsversteigerung erworben und das in die Jahre gekommene Gebäude in zweijähriger Arbeit zum Hauptsitz der Verlagsgruppe werden lassen. Und für deren weitere Entwicklung habe man dann das Fridtjof-Nansen-Haus erworben. Allerdings fühle man sich auch dessen Tradition verpflichtet und plane dort unter anderem die Unterbringung eines internationalen Studentenheims, so Hogrefe. Ein Kreis schließt sich: Und dann gibt es in der aktuellen Diskussion noch etwas, das den Verleger persönlich betroffen macht: Bei den jüngsten Demonstrationen seien Rassismus-Vorwürfe laut geworden. Der Hogrefe-Verlag sei ein Unternehmen mit Standorten in 16 Ländern und Mitarbeitern unterschiedlichster Nationalität und ethnischer Hintergründe. Diese Diversität betrachte er als bereichernd und als Teil des Erfolgskonzeptes. Und um diese Haltung zu unterstreichen, verweist Hogrefe auf ein kürzlich im Verlag erschienenes Buch über Olav Brennhovd. Der 1912 geborene Norweger hatte sich nicht nur sein Leben lang für Völkerverständigung eingesetzt und während des Zweiten Weltkriegs zahlreichen jüdischen Familien zur Flucht verholfen. Er gründete in Göttingen außerdem die Gesellschaft „Internationale Studentenfreunde“, Trägerin des Fridtjof-Nansen-Hauses. Die 1899/1900 für den Göttinger Tuchmacher Ferdinand Levin und seine Familie nach Entwurf der Berliner Architekten Hans Grisebach und August Dinklage erbaute Villa verfügt über vier Geschosse und eine Nutzfläche von 1850 Quadratmeter. Zum ehemals Levinschen Anwesen, das nach Kriegsende in den Besitz der Stadt Göttingen fiel, gehören ein parkähnliches Grundstück und zwei Nebengebäude. Im Jahr 1948 entschied der Rat der Stadt Göttingen, das sanierungsbedürftige Levinsche Haus an Olav Brennhovds Verein „Internationale Studentenfreunde“ zu vermieten. Zu dieser Zeit bekam das Haus seinen heutigen Namen nach dem norwegischen Zoologen Fridtjof Nansen, sowie einen Anbau nach Plänen der Architektin Lucy Hillebrand. 1973 bezog das Goethe-Institut die Immobilie, in der dadurch weiterhin junge Menschen aus aller Welt wohnten. Nach dem Umzug des Instituts an die Jutta-Limbach-Straße entschied der Rat der Stadt, das Fridtjof-Nansen-Haus zu verkaufen. Neuer Besitzer ist seit Dezember 2019 der Hogrefe-Verlag. Von Markus Scharf

Streit um Wohnungsnot - Göttinger Fridtjof-Nansen-Haus: Eigentümer meldet sich zu Wort