Verwaltungsgericht Göttingen Fotograf hat Anspruch auf Auskunftssperre

Der gewaltsame Angriff von zwei Männern aus dem Umfeld des NPD-Funktionärs Thorsten Heise auf zwei Göttinger Fotografen beschäftigt jetzt auch die Verwaltungsgerichte. Einer der beiden Fotografen, die bei dem Überfall schwer verletzt worden waren, hat bei der Stadt Göttingen die Einrichtung einer Auskunftssperre im Melderegister beantragt. Damit will er verhindern, dass seine beim Einwohnermeldeamt gespeicherten Daten auf Anfrage an Dritte weitergegeben werden und so seine Anschrift bekannt werden könnte. Da die Stadt seinen Antrag ablehnte, zog der Fotograf vor Gericht – und bekam in erster Instanz Recht: Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Göttingen ist der ablehnende Bescheid rechtswidrig. Der Kläger habe einen Anspruch auf die Eintragung einer Auskunftssperre, da er konkret gefährdet sei (Aktenzeichen 4 A 93/19). Regelmäßig am Rande von rechtsextremen Kundgebungen bedroht: Der Fotograf, der sich als Beobachter von Neonazi-Aktivitäten betätigt, hatte seinen Antrag damit begründet, dass er regelmäßig am Rande von rechtsextremen Kundgebungen bedroht werde. Auf der öffentlichen Facebook-Seite der inzwischen umbenannten rechtsextremen Gruppierung „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ (FKTN) hätten sich zudem Fotos von ihm befunden. Die Veröffentlichung von Fotos vermeintlich politischer Gegner auf rechtsextremistischen Internetseiten diene regelmäßig der Bedrohung, Einschüchterung und Denunziation. Nach Ansicht der Stadt Göttingen ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger in einer persönlich schwerwiegenden Gefährdungssituation befinde. Auf den Fotos sei er teilweise verdeckt abgebildet, sein Name werde nicht genannt. Bereits ein Übergriff erlebt: Das Gericht verwies in seiner Entscheidung auf das Bundesmeldegesetz. Danach ist von Amts wegen eine Auskunftssperre einzutragen, wenn Tatsachen vorliegen, „die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann“. Wegen der weitreichenden Konsequenzen seien an die Eintragung einer Sperre jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Diese liegen nach Ansicht des Verwaltungsgerichts schon deshalb vor, weil der Kläger bereits einen Übergriff auf seine Person erlitten habe. Der Fotograf war im April 2018 bei einem gewalttätigen Angriff von Rechtsextremisten am Wohnort des stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Thorsten Heise im thüringischen Fretterode schwer verletzt worden. Verfolgt und attackiert: Der Kläger hatte gemeinsam mit einem Kollegen in der Nähe von Heises Anwesen fotografiert und gefilmt, als sie plötzlich von zwei Männern verfolgt und attackiert wurden. Während sein Kollege eine Schnittverletzung am Bein erlitt, bekam der Kläger einen Schlag mit einem rund 40 Zentimeter langen Schraubenschlüssel auf den Kopf. Nach Angaben seines Anwalts erlitt er einen Bruch des Stirnknochens. Die beiden mutmaßlichen Angreifer müssen sich demnächst wegen schweren gemeinschaftlichen Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vor dem Landgericht Mühlhausen verantworten. Das Verwaltungsgericht wies darauf hin, dass sich die konkrete Gefährdung des Klägers auch dadurch ergebe, dass den Beschuldigten durch das Strafverfahren die Identität des Fotografen bekannt geworden sei. Auch die Staatsanwaltschaft sieht ihn als persönlich gefährdet an. Sie hat deshalb verfügt, dass die Wohnadresse des Zeugen nicht bekannt gegeben wird. Das Gericht sah keinen Grund, von dieser Gefährdungsprognose abzuweichen. Antrag auf Zulassung der Berufung: Auch das Argument der Stadt, dass künftig alle Mitglieder politisch links und rechtsextremer Gruppierungen eine Auskunftssperre beantragen könnten, ließ das Gericht nicht gelten. Der Kläger habe nicht wegen seiner Zugehörigkeit zum linken Spektrum einen Anspruch auf die Sperre, sondern weil er bereits Opfer eines Angriffs geworden und wegen des anhängigen Strafverfahrens der Gefahr weiterer Bedrohungen oder Übergriffen ausgesetzt sei. Die Stadt Göttingen will den Gerichtsentscheid nicht akzeptieren und hat deshalb beim Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Lesen Sie auch: Rechte Schläger verletzen freie Journalisten Anklage gegen Rechte aus Fretterode Noch keine Festnahmen nach Angriff auf Journalisten in Fretterode Rechte machen Jagd auf 64-Jährigen - Polizei ermittelt gegen "Freundeskreis" – GT - Göttinger Tageblatt Von Heidi Niemann

Nach Gewaltattacke von Rechtsextremisten - Fotograf hat Anspruch auf Auskunftssperre im Melderegister