Wätzolds Woche Kolumne Nazi oder Psycho

Mit großem Interesse las ich den Bericht zur politisch motivierten Kriminalität in 2019 im Bereich der Polizeiinspektion Göttingen. Doch an einer Stelle wunderte ich mich sehr. Polizeisprecher Christian Kalinowski erklärte nämlich, dass der Mehrzahl der Personen, die in über 20 registrierten Fällen den „Hitlergruß“ gezeigt beziehungsweise „Sieg heil“ skandiert haben, keine „tatsächlich rechte Gesinnung“ unterstellt werden könne, sondern es sich um „Personen mit psychischen Störungen“ handele. Nun bin ich ja der Meinung, dass Leute, die „Sieg heil“ grölen, flapsig ausgedrückt grundsätzlich einen an der Murmel haben (es sei denn, sie leiden am Tourette-Syndrom), denn rechtsradikal kann doch eigentlich überhaupt nur werden, wer schwere psychische und / oder emotionale Defizite hat; das eine schließt das andere also überhaupt nicht aus – ganz im Gegenteil. Allerdings scheint Herr Kalinowski zu meinen, dass diese Leute irgendwie unzurechnungsfähig sind, und das möchte ich doch bezweifeln. Interessant ist nun allerdings die Frage, ob es sich bei dieser Beurteilung um eine Privatmeinung handelt, oder ob diese Einschätzung nun die neue offizielle Lesart deutscher Sicherheitsbehörden ist und welche Auswirkungen das in der Strafverfolgung dann zur Folge hat. Denn Delinquenten, die als psychisch gestört gelten, werden ja generell mildernde Umstände zugebilligt. Wenn man also beispielsweise bei einem Ladendiebstahl erwischt wird, scheint es deshalb nun grundsätzlich ratsam zu sein, erstmal lauthals „Sieg heil“ zu brüllen, sobald die Polizei eintrifft, kann man sich so doch eventuell Hoffnung auf juristische Nachsicht machen. Sie fahren betrunken Auto und geraten in eine Polizeikontrolle? Dann gehen Sie doch ab sofort einfach auf Nummer sicher und begrüßen die Beamten mit einem markigen „Heil Hitler“; schadet ja nix. In anderen Gegenden dieses Landes dürfen Sie sich allerdings nicht wundern, wenn die Beamten den Gruß freudig erwidern. In diesem speziellen Fall sollten Sie es dann aber unbedingt vermeiden, allzu leutselig zu reagieren („Ah, noch zwei Bekloppte!“). Den Autor erreichen Sie per E-Mail an redaktion@goettinger-tageblatt.de Von Lars Wätzold

„Wätzolds Woche“ - Kolumne: Nazi oder Psycho?