Weihnachten und Corona in Göttingen: Familie Hesse feiert zu zweit

Ingeborg und Friedhelm Hesse (75 und 76) wohnen seit einigen Jahren im GDA Wohnstift. Die gebürtigen Westfalen ließen ihr großes Haus in Grone hinter sich, in dem sie 40 Jahre lang gewohnt hatten. Sie verkleinerten sich in zwei Wohnungen im Wohnstift. Hier feiern sie auch das Weihnachtsfest – in trauter Zweisamkeit. „Trübsal blasen wegen Corona, das muss nicht sein“, sagt Ingeborg Hesse. Das Paar hat einen Sohn und eine Tochter. Üblicherweise feiern sie Weihnachten gemeinsam mit ihren Kindern, etwa bei der Tochter in Braunschweig. Doch wegen der Kontaktbeschränkungen hätten sie sich in diesem Jahr entscheiden müssen, mit wem sie feiern wollen: Mit der Tochter und ihrer Familie oder mit dem Sohn? Weder noch, beschließen sie – und legten fest, das Fest zu zweit in Göttingen zu verbringen. „Wir belassen es dabei. Das Treffen mit der Familie können wir nachholen.“ In Kontakt bleiben sie mit den Kindern per Telefon. Ruhe und in sich hinein horchen: Heiligabend will das Ehepaar in die Christmette der Kirche Maria Frieden gehen. Hesses sind katholisch, daher ist der Kirchenbesuch für sie wichtig. Weihnachten bedeutet für Ingeborg Hesse, Ruhe zu finden und sich darüber zu freuen, dass Jesus geboren ist. „In der Adventszeit möchte ich in mich hinein hören – wo normalerweise doch so viel Lärm um uns herum ist“, sagt sie. Die Corona-Pandemie bestimmt im Winter 2020/21 das Leben in Deutschland. In der Vorweihnachtszeit ist das für viele besonders deutlich zu spüren: Große Feiern mit Familie, Freunden oder Kollegen fallen aus - besonders ersteres bedeutet für manchen eine erhebliche Umstellung. Wie erleben die Menschen in Göttingen und der Region die Situation, und wie bereiten sie sich auf dieses außergewöhnliche Weihnachten vor? Dieser Frage sind die Tageblatt-Volontäre Anja Semonjek und Tammo Kohlwes nachgegangen – und haben diese Menschen getroffen: Die Familie: Kerstin und Markus Wahle aus Rosdorf und ihre fünf Töchter, die in der Krise die Weihnachtszeit auf ganz neue Weise schätzen lernen. Tipps für junge Familien in der Corona-Weihnachtszeit gibt die pädagogische Fachberaterin Bianka Degenhard. Die alleinstehende Seniorin: Erna Müller aus Göttingen, die sich von Corona nicht die Vorfreude auf die Feiertage nehmen lässt. Tipps für den Umgang mit Isolation in der Corona-Weihnachtszeit gibt Angstforscher Borwin Bandelow. Die WG: Klara Albrink und ihre Mitbewohner, die sich auf die Feiertage in gemeinsamer Selbstisolation vorbereiten. Tipps für ein harmonisches Miteinander und gegen Lagerkoller in der Corona-Weihnachtszeit gibt Konfliktmanager Jan Oberdieck. Das ältere Ehepaar: Ingeborg und Friedhelm Hesse, die in der Corona-Krise neue, alte Wege finden, mit Freunden und Verwandten in Kontakt zu bleiben. Tipps für Familien, die ihr Miteinander in der Corona-Weihnachtszeit ganz anders organisieren müssen, gibt Psychologe Bernd Schmidt. Durch den Lockdown fällt vieles weg: Weihnachtsfeiern und die Vorbereitungen dafür zum Beispiel. Ingeborg Hesse kommt die dadurch entstandene Ruhe gelegen. In mehreren Vereinen ist sie aktiv, bei dem Göttinger Verschönerungsverein zudem Vorsitzende. „Jetzt habe ich die Zeit, mich in Ruhe hinzusetzen und Weihnachtskarten zu schreiben.“ Ihre Adressenliste ist allerdings nicht gerade kurz: An etwa 100 Verwandte, Bekannte und Freunde will sie die Karten schicken. „Das sind für meinen Mann und mich wichtige Menschen“, sagt sie. Karten werden rund um den Globus verschickt: Hesses pflegen den Kontakt zu anderen Menschen nicht nur, indem sie in Vereinen aktiv sind. In ihrem Haus in Grone hatten sie genug Platz, um internationale Gäste zu beherbergen. „Einige haben am Goethe-Institut gearbeitet“, erklärt Friedhelm Hesse. Aus Kasachstan, China, Georgien oder Chile kamen die Menschen für begrenzte Zeit nach Göttingen. Einige von ihnen bekommen jetzt eine von Hesses selbst gebastelten Weihnachtskarten geschickt. „Ein paar E-Mails muss ich leider auch versenden – denn in Georgien kommt die Post meistens nicht an“, erklärt Ingeborg Hesse. Auf einige Weihnachtsrituale freut sich das Paar zudem: „Ich werde den Kartoffelsalat vorbereiten, so wie jedes Jahr“, sagt Friedhelm Hesse. Dazu werde er Fleischwurst essen, seine Frau Rindersteak. Auf Geschenke haben die beiden hingegen nie Wert gelegt. „Was brauche ich für Geschenke? Alles vom BVB habe ich schon“, sagt Friedhelm Hesse. Lesen Sie auch Weihnachten und Silvester: Sind Corona-Lockerungen über die Feiertage haltbar? Corona: Darf ich meine Familie an Weihnachten besuchen? Corona: Weihnachten 2020 wird ein Fest der Improvisation Weihnachten: So vermeiden Sie Corona-Stress Corona: Quarantäne vor Weihnachten? Corona-Weihnachten 2020: So wird es dieses Jahr trotzdem ein besinnliches Fest Im Frühling musste Wohnstift in Quarantäne: Das Leben in Wohnstift sei laut Hesses jedoch auch mit einer Angst verbunden: Im Frühling hatten sich Bewohner mit dem Coronavirus infiziert und das ganze Wohnhaus musste in Quarantäne. „Das kam sehr plötzlich. Zum Glück haben uns Freunde etwas zu essen gebracht, da wir von einem auf den anderen Tag nicht mehr raus durften“, sagt Ingeborg Hesse. Die Angestellten des Wohnstifts begegneten den Besuchern jedoch mit großer Freundlichkeit. Corona stellt alle vor Herausforderungen, doch manche Gruppen ganz besonders. Manchem stehen eine ganz andere Weihnachtszeit und ein ganz anderes Weihnachten bevor als sonst. Das kann unter Umständen problematisch werden: Wie lässt sich der Kontakt innerhalb der Familie fair und verantwortungsvoll organisieren, und was kann dabei für Streit sorgen? Das Tageblatt hat einen Experten gefragt: Psychologe Bernd Schmidt erklärt, was eine Weihnachtszeit mit Kontaktbeschränkungen für Familien bedeuten kann – und wie Konflikte gelöst werden können. „Für die Adventszeit ist auch alles vorbereitet: Die Mitarbeiter verteilen Bratwurst und Punsch. Wir wissen jetzt schon, wann sie Stollen austeilen“, sagt Freidhelm Hesse. Die Bewohner dürften schließlich nicht für Feiern zusammenkommen – daher kommen die Mitarbeiter zu ihnen, um weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Von Anja Semonjek