Weihnachten und Corona in Göttingen: Familie Wahle und das Wesentliche

Die Weihnachtszeit ist etwas strikt durchgeplantes – eigentlich. Was für Kerstin und Markus Wahle und ihre Kinder sonst in jedem Jahr gilt, ist in diesem Jahr ganz anders. Corona wirbelt vieles durcheinander für die Familie aus Rosdorf: Der traditionelle Gang zum Gottesdienst fällt aus, der Besuch der Schwiegersöhne wird lieber einmal zu oft auf seine Rechtmäßigkeit überprüft – und dann hat die Pandemie für das Weihnachtsfest auch noch seine guten Seiten. Im Wohnzimmer von Familie Wahle deutet schon manches Detail darauf hin: Bald ist Weihnachten. Und die Details verraten auch die Traditionen, die Familie Wahle mit dem Fest verbindet. Der Adventskranz steht auf dem Esszimmertisch, der Teller mit Süßigkeiten, den der Herr des Hauses immer zum 1. Advent vorbereitet und den bis zum Heiligabend niemand anrühren darf, auf der Anrichte. Irgendwie ganz anders: Weihnachten in Corona-Zeiten: Wie wird diese Weihnachtszeit für Familie Wahle? „Anders als sonst“, sagt Kerstin Wahle, und damit ist eigentlich alles gesagt. In normalen Jahren sei sie immer mit allen fünf Töchtern zum Gottesdienst gegangen – der findet zwar auch in diesem Jahr statt, aber draußen und „überhaupt irgendwie ganz anders“. Die Geschenke hat Kerstin Wahle erstmals online bestellt. Der Besuch der Schwiegersöhne – zurzeit sind es drei – an den Weihnachtsfeiertagen wäre nach aktuellem Stand gerade so erlaubt. Die Corona-Pandemie bestimmt im Winter 2020/21 das Leben in Deutschland. In der Vorweihnachtszeit ist das für viele besonders deutlich zu spüren: Große Feiern mit Familie, Freunden oder Kollegen fallen aus - besonders ersteres bedeutet für manchen eine erhebliche Umstellung. Wie erleben die Menschen in Göttingen und der Region die Situation, und wie bereiten sie sich auf dieses außergewöhnliche Weihnachten vor? Dieser Frage sind die Tageblatt-Volontäre Anja Semonjek und Tammo Kohlwes nachgegangen – und haben diese Menschen getroffen: Die Familie: Kerstin und Markus Wahle aus Rosdorf und ihre fünf Töchter, die in der Krise die Weihnachtszeit auf ganz neue Weise schätzen lernen. Tipps für junge Familien in der Corona-Weihnachtszeit gibt die pädagogische Fachberaterin Bianka Degenhard. Die alleinstehende Seniorin: Erna Müller aus Göttingen, die sich von Corona nicht die Vorfreude auf die Feiertage nehmen lässt. Tipps für den Umgang mit Isolation in der Corona-Weihnachtszeit gibt Angstforscher Borwin Bandelow. Die WG: Klara Albrink und ihre Mitbewohner, die sich auf die Feiertage in gemeinsamer Selbstisolation vorbereiten. Tipps für ein harmonisches Miteinander und gegen Lagerkoller in der Corona-Weihnachtszeit gibt Konfliktmanager Jan Oberdieck. Das ältere Ehepaar: Ingeborg und Friedhelm Hesse, die in der Corona-Krise neue, alte Wege finden, mit Freunden und Verwandten in Kontakt zu bleiben. Tipps für Familien, die ihr Miteinander in der Corona-Weihnachtszeit ganz anders organisieren müssen, gibt Psychologe Bernd Schmidt. Anderes bleibt: Die Bescherung mit Auswürfeln der Auspack-Reihenfolge etwa, die Gesellschaftsspiele am Heiligen Abend, das Wichteln mit den Schwiegersöhnen am 2. Weihnachtsfeiertag. Das Festessen besteht dann wie immer aus zwei Gänsen – sonst würde die große Familie gar nicht satt. Die Großeltern bleiben hingegen dem Trubel der Familien-Weihnachtsfeierlichkeiten fern. Aber das liege nicht an Corona, erklärt Markus Wahle, sondern sei in den vergangenen Jahren auch schon so gewesen. Auch beim Familientreffen im kleinen Rahmen ist Vorsicht geboten: Vor allem die Kontaktbeschränkungen stellen im Jahr der Corona-Krise für viele Familien manche Gewissheit der besinnlichen Jahreszeit infrage. Aber sie ermöglichen auch eine ganz neue Art der Besinnlichkeit, die für den Geschmack von Markus Wahle in der Vergangenheit zu kurz gekommen ist: „In diesem Jahr kann man den Blick auf das Wesentliche lenken.“ So viel Normalität wie möglich ist das ausgegebene Ziel von Familie Wahle für Weihnachten – auch, wenn Vater und eine Tochter wegen einer Asthma-Erkrankung besonders vorsichtig sein müssen. „Wir müssen schauen, dass wir uns nicht zu sehr auf die Pelle rücken“, findet Tochter Maxima. Dann könnten auch alle die Weihnachtszeit genießen. Das Fest und die Krise: „Nichts ist selbstverständlich“: Dass es nicht allen Familien so gut ergeht wie ihnen, ist den Wahles bewusst. „Wir haben großes Glück, dass wir zusammenkommen dürfen“, sagt Kerstin Wahle. „Das Wichtigste bleibt“, findet auch die jüngste Tochter Marika – zumindest an Weihnachten. Silvester hingegen fällt im Wesentlichen aus. Dafür ist für 2021 schon ein Urlaub in Laboe gebucht – mit Mutter, Vater und allen fünf Töchtern. „Wie früher“, sagt Markus Wahle. Lesen Sie auch Corona: Weihnachten 2020 wird ein Fest der Improvisation Weihnachten: So vermeiden Sie Corona-Stress Corona-Weihnachten 2020: So wird es dieses Jahr trotzdem ein besinnliches Fest Vieles von dem, was eigentlich in dieser Jahreszeit anstünde, vermisse sie gar nicht, gesteht Kerstin Wahle. Weihnachts- und andere Feiern, der Zwang, mit Bekannten etwas Besonderes zu unternehmen – das alles falle weg, stattdessen genüge auch der gemeinsame Spaziergang. So erlebe man vieles an der besinnlichen Jahreszeit bewusster, findet ihr Mann: „Nichts von dem, was wir Jahr für Jahr zu Weihnachten unternehmen, ist selbstverständlich.“ Diese Erkenntnis, hofft der Familienvater, könnte die Pandemie überdauern. Corona stellt alle vor Herausforderungen, doch manche Gruppen ganz besonders. Mancher Familie stehen eine ganz andere Weihnachtszeit und ein ganz anderes Weihnachten bevor als sonst. Das kann unter Umständen problematisch werden: Wie umgehen mit fehlenden Aktivitäten und weniger Kontakt zu Oma und Opa? Das Tageblatt hat eine Expertin gefragt: Die pädagogische Fachberaterin Bianka Degenhard erklärt, was ein Fest ohne große Feiern für junge Familien bedeuten kann – und wie Eltern und Kinder mit der Situation umgehen können. Von Tammo Kohlwes