Weihnachten und Corona in Göttingen: Tipps für Familien

Weihnachten unter Corona-Bedingungen – das bedeutet, dass in diesem Jahr Besuche und Familientreffen ganz neu ausgehandelt werden müssen. Was das Konfliktpotential dahinter für Familien bedeuten kann, erklärt im Tageblatt-Interview Bernd Schmidt, psychologischer Psychotherapeut in Göttingen. Weshalb können die aktuellen Corona-Regeln, vor allem die Kontaktbeschränkungen, insbesondere in der Weihnachtszeit zu Spannungen und Verunsicherung innerhalb der Familie führen? Den zweiten Lockdown empfinden viele Menschen als viel belastender und anstrengender als den ersten. Die Politik hat die Verantwortung an die Bürger zurückgegeben, die aktuellen Regeln appellieren an die Eigenverantwortung. Damit steigt die Verunsicherung, Kontakte müssen ausgehandelt werden. Feste Regeln können zwar problematisch sein und zu Frust führen, sie bieten aber auch Sicherheit. Weihnachten bietet Konfliktpotential insbesondere dadurch, dass Menschen Konflikte vermeiden wollen. Manche wollen vorher in die Isolation gehen, aber das ist nicht immer allen Familienmitgliedern zu vermitteln. Wenn es ohnehin Risse durch die Familie gibt, können diese sich vertiefen, zum Beispiel durch unterschiedliche Arten, mit Ängsten umzugehen. Das Miteinander zu Weihnachten wird Spannungen mit sich bringen. Es kann schnell Kränkungen geben, wenn jemand nicht zum Familientreffen kommt, weil er sich wegen Corona sorgt. Andererseits wollen vor allem junge Menschen in der Heimat nicht nur die Familie, sondern auch Freunde treffen – diese unterschiedlichen Bedürfnisse können problematisch werden. Was können die psychischen Folgen der aktuellen Situation sein – für Oma und Opa, die nicht besucht werden, aber auch für Kinder und Enkel, die Oma und Opa nicht besuchen können? Aus meiner Arbeit, aber auch aus dem Austausch mit Kollegen weiß ich: Man unterschätzt die Fähigkeit von alten Menschen, allein zu sein – zumindest bei vielen. Die Altersgruppe von 60 bis 100 Jahren umfasst ganz verschiedene Lebenssituationen. Diese Menschen können ganz unterschiedlich mit der Situation umgehen, für manche könnte es das letzte Weihnachtsfest sein. Besonders schwer haben es ältere Alleinstehende, die vielleicht schon lange von ihren Partnern getrennt sind und überhaupt nicht wissen, wann sie ihre Familie wiedersehen werden. Ein ganz anderes Problem können jüngere Menschen haben: Sie erleben sich selbst in der Pandemie als Bedrohung für ihre Eltern oder Großeltern. Vor allem Kinder denken in dieser Hinsicht noch nicht logisch, sie beziehen alles auf sich, was passiert. Wenn dann etwas passiert, fühlen sie sich häufig schuldig. Man weiß überhaupt noch nicht, wie Kinder diese Situation verarbeiten werden. Auch das macht es für junge Eltern sehr schwierig, mit der aktuellen Lage umzugehen. Lesen Sie auch Weihnachten und Silvester: Sind Corona-Lockerungen über die Feiertage haltbar? Corona: Darf ich meine Familie an Weihnachten besuchen? Corona: Weihnachten 2020 wird ein Fest der Improvisation Weihnachten: So vermeiden Sie Corona-Stress Corona: Quarantäne vor Weihnachten? Corona-Weihnachten 2020: So wird es dieses Jahr trotzdem ein besinnliches Fest Was ist zu tun, um mit dieser Unsicherheit und etwaigen Spannungen zurechtzukommen? Beginnen wir bei den Kindern: Hier müssen Eltern und Großeltern ganz stark gegensteuern. Ängste sollten gegenüber Kindern nicht ungefiltert ausgesprochen werden. Nur so können Schuldgefühle verringert werden. In der Familie sollte man vor den Feiertagen Erwartungen besprechen, hierbei sind Ich-Botschaften hilfreich. Natürlich sind Kompromisse gefragt: Kürzere Besuche im „Schichtbetrieb“, aber auch Videoanrufe – viele Ältere können damit mittlerweile gut umgehen. Wenn Besuche ausfallen, sollte das keiner der Betroffenen persönlich nehmen, sondern es als die Schutzmaßnahme sehen, die es ist. Wichtig ist, dass sich alle respektvoll begegnen, den Dialog suchen, die Sorgen des Gegenübers ernst nehmen. Das ist sehr wichtig für das zwischenmenschliche Miteinander. Die Corona-Einschränkungen können Familien ganz unterschiedlich treffen – auch und gerade in der Weihnachtszeit. Über Weihnachten in der Pandemie und neue, alte Wege des Kontakthaltens hat Tageblatt-Volontärin Anja Semonjek mit Ingeborg und Friedhelm Hesse aus Göttingen gesprochen. Von Tammo Kohlwes