Wie bewerten die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Göttingen das Konjunkturpaket?

Die Bundesregierung hat in der Corona-Krise ein Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Rund 130 Milliarden Euro sollen, so hat es die Große Koalition dargelegt, „Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“. Doch wie soll das konkret funktionieren – und was haben die Menschen in Stadt und Landkreis Göttingen davon? Das Tageblatt hat bei den vier Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis nachgefragt. Zu den Maßnahmen gehören eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent in der zweiten Jahreshälfte 2020, ein „Kinderbonus“ von 300 Euro pro Kind und Maßnahmen zur Stabilisierung der Strompreise. Die Kommunen sollen vom Bund finanziell entlastet und der Kauf von Elektroautos mit 6000 statt bisher 3000 Euro subventioniert werden. Das vorgelegte Konjunkturpaket ist das größte der Nachkriegszeit in Deutschland. Welche sind die bemerkenswertesten Posten im Konjunkturpaket? Fritz Güntzler (CDU) und Thomas Oppermann (SPD): Mit dem Konjunkturpaket stellt der Bund gezielte Überbrückungshilfen dort bereit, wo sie am meisten gebraucht werden. Zur Sicherung der Existenz von kleinen und mittelständischen Unternehmen wird für den Corona-bedingten Umsatzausfall ein Programm mit Überbrückungshilfen in Höhe von 25 Milliarden Euro aufgelegt. Familien erhalten einen Kinderbonus von einmalig 300 Euro pro Kind. Das Konjunkturprogramm richtet sich an jeden Einzelnen in Deutschland und unterstützt diejenigen, die besonders schwer von der Krise betroffen sind. Wir begrüßen vor allem die Senkung bei den Mehrwertsteuersätzen. Dies ist eine gute Maßnahme, um die Wirtschaft nach dem Neustart wieder anzukurbeln. Zuletzt enthält das Konjunkturpaket noch eine Reihe von zukunftsorientierten Maßnahmen. Gerade in Krisenzeiten müssen wir an die Zukunft denken. Daher ist es wichtig und richtig, auf nachhaltige und umweltschonende Technologien zu setzen und die Digitalisierung und den Klimaschutz zu fördern. Konstantin Kuhle (FDP): Die Bundesregierung tut gut daran, ein Konjunkturpaket für Deutschland auf die Beine zu stellen. Viele Ansätze sind dabei gelungen. Bemerkenswert finde ich jedoch, wie viele Investitionen urplötzlich eine neue Bedeutung bekommen. Zahlreiche Posten, die nun angekündigt wurden, wären schon vor der Corona-Pandemie notwendig gewesen – zum Beispiel die Ausweitung der digitalen Verwaltung oder der Ausbau des 5G-Netzes in Deutschland. Die Große Koalition versteht auch endlich, dass Entbürokratisierung für deutsche und europäische Unternehmen hilfreich ist. Es ist wichtig, dass dieses Potential jetzt gefördert wird. Umso bemerkenswerter ist, dass es für ein solches Umdenken anscheinend erst die Corona-Krise brauchte. Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen): Gemessen an früheren Konjunkturprogrammen ist dieses Paket ein Fortschritt, gemessen an den Herausforderungen, vor denen wir stehen, springt es zu kurz. Das Beste am Paket ist, was nicht drin ist: Keine Abwrackprämie für die Autolobby, keine Abschaffung des Soli für die 10 Prozent Besserverdienenden. Ist bereits absehbar, was davon im Kreis Göttingen ankommen könnte? Güntzler und Oppermann: Die Kommunen werden mit einem kommunalen Solidarpakt in Milliardenhöhe entlastet. Davon profitieren auch die Kommunen im Landkreis Göttingen erheblich. Die Übernahme von nunmehr 75 statt wie bisher 50 Prozent der Kosten der Unterkunft für Grundsicherungsempfänger durch den Bund wird der Region Göttingen nachhaltig helfen, weil sie nicht befristet, sondern von Dauer ist. Bei der Finanzierung des ÖPNV werden Stadt und Landkreis ebenfalls stark entlastet. Wir begrüßen außerdem die Maßnahmen zur Unterstützung von Kultur, Sport und gemeinnützigen Organisationen. Kuhle: Vor allem die Unterstützung für Kommunen bei den Kosten für Arbeitssuchende, bei der der Bund bis zu 75% der Kosten für Unterkunft und Heizung übernehmen wird, könnte einen positiven Effekt auf unsere Region haben. Ich mache mir aber vor allem Sorgen um die vielen Selbstständigen im Kreis Göttingen, die besonders schwer unter der Krise leiden. Hier hat sich die Koalition nicht auf eine Unterstützung einigen können, denn es gibt im Paket keine gesonderten Mittel für Freiberufler. Trittin: Der Ausgleich durch Bund und Land für die wegfallenden Gewerbesteuern wird die Kommunen handlungsfähig halten. Die Übernahme von weiteren 25 Prozent bei den Kosten der Unterkunft wird den Kreis dauerhaft entlasten. Außerdem hoffe ich, dass Göttingen auch von der Forschungsförderung profitieren wird. Was fehlt in dem Paket? Güntzler und Oppermann: Die Koalition hat gezeigt, dass sie in dieser schweren Zeit handlungsfähig ist, und einen umfassenden Zukunftsplan auf den Weg gebracht. Das ist notwendig, um die Krise gemeinsam zu überstehen. Kuhle: Neben den fehlenden Mitteln für Selbstständige wird nur auf den letzten Seiten in zwei Absätzen kurz behandelt, was für eine Verantwortung Deutschland auf internationaler Ebene übernehmen will. Gerade im Hinblick auf die bald beginnende deutsche Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union bereitet mir die Visionslosigkeit hier Sorgen. Trittin: Es fehlen konkrete Maßnahmen für eine Ausbauoffensive bei den Erneuerbaren Energien und für eine Verkehrswende. Außerdem hat das Konjunkturpaket eine gewisse soziale Schieflage. Wer 130 Milliarden Euro in die Hand nimmt, sollte auch die Ärmsten der Gesellschaft im Blick haben. Eine Aufstockung der Hartz4-Regelsätze wäre dringend nötig gewesen. Der beschlossene Kinderbonus kann allenfalls nur ein Trostpflaster sein. Er wird viele Familien kurzfristig freuen, Eltern brauchen aber finanzielle Sicherheit für die gesamte Zeit der Krise. Ein Corona-Elterngeld wäre die bessere Hilfe. Auch Solo-Selbstständige und Gründerinnen bleiben bei den Hilfen außen vor. Sie erreichen den Autor per E-Mail an lokales@goettinger- tageblatt.de. Lesen Sie auch: Konjunkturpaket: Mit 130 Milliarden Euro gegen die Corona-Krise Kinderbonus, Mehrwertsteuer, Kaufprämie und mehr: Wer profitiert vom Konjunkturpaket? Konjunkturpaket der GroKo: Ein Wumms für die Zukunft Reaktionen auf Konjunkturpaket - Kevin Kühnert: “Mit Karacho in die Zukunft" 300 Euro pro Kind: Mehrheit für Familienbonus des Konjunkturpakets Konjunkturpaket: Regierung zufrieden - aber Kritik wird lauter 300 Euro Kinderbonus: Wann bekommen Eltern das Geld ausgezahlt? Mehrwertsteuersenkung in Corona-Krise: Was wird nun billiger? Von Tammo Kohlwes

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