Wie das Rockbüro Göttingen Konzerte fördert

Am Rockbüro führt kein Weg vorbei. Wenn es in Göttingen um Rock- und Popmusik geht, dann ist der eingetragene Verein, der offiziell den Namen „Out-O-Space Rockbüro Göttingen “ trägt, seit mehr als 25 Jahren erste Anlaufstelle für Bands, Veranstalter und Bühnenbetreiber. Für 2019 hat die Stadtverwaltung mit politischem Votum seinen städtischen Zuschuss kräftig erhöht. „Die Leute haben wieder Bock auf Konzerte“, sagt Sascha Pelzel vom Rockbüro-Vorstand. „Live-Musik kann immer noch funktionieren“, ergänzt Johannes Förster, ebenfalls Vorstandsmitglied. Beide spielen zusammen in der Band Merry-Go-Round. So sähen die Besucherzahlen für die Konzerte im Nörgelbuff, den das Rockbüro als Live-Club betreibt, gut aus, sagt Pelzel. Viele Konzerte seien in diesem Jahr ausverkauft gewesen. 160 Veranstaltungen habe es im Nörgelbuff in diesem Jahr gegeben, so Pelzel. Davon wurden 120 mit insgesamt 14.400 Euro vom Rockbüro bezuschusst. Damit ist der Nörgelbuff sowohl größter Empfänger von städtischen Zuschüssen als auch zahlenmäßig größter Veranstalter von Konzerten, die in den Genuss städtischer Livemusik-Förderung kommen. Ausfallbürgschaften für Veranstalter: 75.000 Euro hat das Rockbüro 2019 an Zuschüssen aus dem städtischen Haushalt bekommen. Ein Viertel (18.750 Euro) fließt in die Vereins- und Projektarbeit, drei Viertel in die Livemusik-Förderung. 2007 lag der städtische Zuschuss noch bei 18.000 Euro. Allein von 2018 auf 2019 ist er auf politische Initiative um 30.000 Euro erhöht worden. Über Bezuschussung einzelner Konzerte entscheidet der Verein anhand eigener Förderkriterien. Darin heißt es: „Gefördert werden ausschließlich Livemusik-Veranstaltungen im Stadtgebiet Göttingen von Göttinger Veranstalter*innen als nachträglich ausgezahlte Ausfallbürgschaften.“ Mit maximal 300 Euro kann ein Konzert bezuschusst werden, ein größeres Festival mit bis zu 1500 Euro. Über die Vergabe berichtet im Kulturausschuss regelmäßig Politik und Verwaltung. Die „gute Tat der Zuschusserhöhung“: Pelzel und Göttingens Verwaltungssprecher Dominik Kimyon betonen, dass die Livemusik-Förderung in Göttingen im Vergleich zu vielen anderen Städten nicht nur in Niedersachsen „recht einzigartig“ sei. So habe Livemusik im Rat der Stadt Göttingen einen hohen Stellenwert, sagt Kimyon. Dies zeige sich „in kontinuierlich steigenden Fördermitteln“ in den vergangenen Jahren (2016: 29.400 Euro, 2017: 39.400 Euro, 2018: 45.000 Euro, 2019: 75.000 Euro). Auf 188.800 Euro summiert sich der städtischen Zuschuss für das Rockbüro in den Jahren 2016 bis 2019. 980 Veranstaltungen sind damit gefördert worden. Lesen Sie auch: So funktioniert öffentliche Förderung von Rock- und Pop-Musik in Göttingen Live-Musik: Sterben der Live-Spielstätten – Verliert Göttingen ein Stück Kultur? Bericht im Kulturausschuss: Weitere Zuschüsse für Göttinger Kulturprojekte Neue Konzertagentur: Mukke Bukking organisiert Konzerte Göttingen Förster spricht von der „guten Tat der Zuschusserhöhung“ durch die Stadt. Vielen Veranstaltern würde die Aussicht auf eine mögliche Ausfallbürgschaft den Druck nehmen, betont er. Viele Menschen, die teils mit großem Idealismus Konzerte veranstalteten, freuten sich, wenn ihr finanzielles Risiko minimiert werden könne. Pelzel und Förster betonen dabei die gestiegenen Fixkosten bei Konzerten – etwa durch die Anmietung von benötigter Licht- und Tontechnik. Sieben geförderte Veranstalter in 2019: Mehr als 300 Konzerte und Festivals hat das Rockbüro in 2019 gefördert. Außer dem Nörgelbuff gehörten zu den geförderten Spielstätten und Veranstaltern: Exil 13.500 Euro (45 Veranstaltungen), Kreuzberg und Kultour 9.000 Euro (60 Veranstaltungen), Dots 5.240 Euro (38 Veranstaltungen), Freihafen 3.000 Euro (15 Veranstaltungen), Vinyl Reservat 2.160 Euro (18 Veranstaltungen) und das Stadion 360 Euro (3 Veranstaltungen). Hinzukamen sechs Festivals – darunter etwa die Full Metal Mensa von Rockbüro und Studentenwerk und das Herberhausen Open Air von Kreuzberg on Kultour. Die Förderung für Festivals gibt es erst seit diesem Jahr. Die Vergabeentscheidung für die Mittel allein durch das Rockbüro mit seinem eigenen Live-Club hatte in der Vergangenheit zu Kritik geführt. So wetterte Klaus Wissmann 2017 vom Verein „Kreuzberg on KulTour“ etwa: „Wo sonst lässt man schon einen Hund die Knochen für die anderen Hunde weiter verteilen?“. Auch die Piraten-Politikerin Dana Rotter, die zugleich auch im Verein „Kreuzberg on KulTour“ engagiert ist, hatte diverse Anfragen an die Kulturverwaltung zur Mittelvergabe durch das Rockbüro gestellt. Problem eines „closed shops“: Dass in Göttingen das Rockbüro über die Fördermittel an andere Institutionen verfügt, hält der Geschäftsführer des L andschaftsverband Südniedersachsen, Olaf Martin, nicht „grundsätzlich“ für bedenklich. Auch der Verband bezuschusst das Rockbüro jährlich. „In bestimmten Fällen wie auch diesem halte ich es für sinnvoll, dass eine Kulturszene selbst über die Verwendung öffentlicher Fördergelder entscheidet und auch die Verfahren organisiert“, führt Martin dazu aus. Ein Problem bei solchen Konstruktionen sei jedoch häufig, so Martin, dass sie sich zu einem „closed shop“ entwickelten: „Die Ressourcen werden unter denen verteilt, die mit am Tisch sitzen – Neulinge oder Außenseiter müssen sich oft mühsam einen Platz am Tisch erkämpfen und Ablehnungen fallen aufgrund der allseitigen Nähe schwerer.“ Ein Vorteil sei aber ganz klar, dass damit aufseiten der Geldgeber der Verwaltungsaufwand reduziert werde und im politischen Raum keine konfliktträchtigen Entscheidungen getroffen werden müssten, erklärt Martin. Geringer Aufwand, hohe Nachfrage: Förster betont, dass der Aufwand für die Veranstalter, Förderung zu beantragen, „relativ gering“ sei. Alles nötige hält der Verein im Internet bereit. In den vergangenen Jahren sei eine höhere Nachfrage nach den Zuschüssen zu verzeichnen gewesen, sagt Förster. Auch gebe es viele neue Veranstalter in der Stadt, die nun von Förderungen profitieren können. Für 2020 lägen allerdings inzwischen mehr Anträge vor als Mittel zur Verfügung stünden. Pelzel macht deutlich, dass der Verein bestrebt ist, Lösungen für beantragte Förderungen zu finden. Schwierige Zeiten für das Rockbüro: Seit 1992/93 kümmert sich das Rockbüro als Verein um Rock- und Pop-Musik in der Stadt Göttingen. Immer mittendrin: Gründer und Vorstandsmitglied Michael Schluff, der wie kein zweiter, die Göttinger Musikszene sowohl auf als auch hinter der Bühne maßgeblich beeinflusst und geformt hat. Sein plötzlicher und überraschender Tod im Sommer 2018 hat – nicht nur – das Rockbüro schwer getroffen. „Das waren schwierige Zeiten“, erinnert sich Pelzel. In der Vereinsarbeit sei 2019 viel liegen geblieben, räumt Pelzel ein und betont die „unfassbar viele Zeit“ und das „krasse ehrenamtliche Engagement“, die Schluff ins Rockbüro investiert habe. Das sei aktuell nur von mehreren Personen zu schultern. Inzwischen, so Pelzel, sei der Verein mit seinen 30 Mitgliedern wieder in geordneten Bahnen. Neue Vereinsmitglieder hätten bekundet, sich stärker zu engagieren, hätten eigene Idee für Projekte. Im kommenden Jahr werde es zudem, so Pelzel, zu einer Wiederbelebung der Clubnacht Klub Kultura kommen, die zuletzt wegen zu hoher Kosten nicht fortgeführt worden war. Die Devise für das Rockbüro für 2020 ist also klar: „Wir wollen weitermachen“, kündigt Pelzel an. Sie erreichen den Autor unter: E-Mail: m.brakemeier@goettinger-tageblatt.de Twitter: @soulmib Facebook: michael.brakemeier Von Michael Brakemeier

Rock- und Popmusik - „Die Leute haben wieder Bock auf Konzerte“ – Wie das Rockbüro Göttingen Konzerte fördert