Wischmeyers Logbuch: Homeoffice

Ja es stimmt, zu Hause arbeiten kann anstrengend sein, wenn die Blagen um einen herumwuseln, das Ehegespons aus dem Nebenzimmer röhrt und man selbst verkatert vor der Buchstabenglotze kauert. Doch Hand aufs Herz resp. Hand vom Sack: Gegen das häusliche Personal besitzt man einige Exe-kutivrechte, den Ehemitbewerber darf man anschreien und die Nachzucht wegsperren, basta. Die Kollegen im Büro muß man mit all ihren Marotten stumm ertragen: den Nasenpopler, die fette Quasselstrippe, den hinterhältigen Speichellecker des Chefs. Da darf einem weder die Hand ausrutschen noch geziemt es sich, einem Kollegen im Fahrstuhl die Fresse zu polieren. Nun, das ist auch in der häuslichen Community kaum mehr angesagt, angeblich soll die Arbeit im Büro jedoch so befreiend sein, warum muß man seine Aggressionen dort noch mehr in sich hineinfressen als daheim. Konfliktherd Nummer eins jeder Bürogemeinschaft ist die Teeküche, die kurioserweise noch immer so heißt, obwohl da vorzugsweise Kaffeevollautomaten vor sich hinröcheln. An ihnen entzündet sich der häufigste Konflikt, die Füllstände werden nicht von allen gleich beachtet und die Aufschäumdüse für den Latte Macchiato sieht aus wie die entzündete Zitze einer Milchziege. Personalisierte Becher werden rücksichtslose in Gemeineigentum überführt, und die reservierte Hafermilch fürs Ökofrühstück kippen sich die Kollegen gedankenlos in den Kaffeebecher. Früher, als in den Teeküchen noch geraucht wurde, waren sie die revolutionäre Zelle des Büros: Von hier aus verbreiteten sich die Gerüchte zuerst, hier wurden Karrieren zerstört. Heute sind das nur noch versiffte Automatenkabuffs, seitdem die Putzfrau gekündigt wurde und die Mitarbeiter selbst für Sauberkeit verantwortlich zeichnen. Zur Bürofolklore gehört neben der ständigen Verfügbarkeit schlechten Kaffees der Flurfunk, ein nichtoffizielles Meinungsforum für innerbetriebliche Verschwörungstheorien. Beliebte Themen sind: wer demnächst rausfliegt und wer wen heimlich wämst. Das schlimmste aber am Flurfunk ist, daß er ein Drittel der angeblichen Arbeitszeit der Büroinsassen beansprucht. Nimmt man die ständige Kaffeeholerei, den Büroschiß am Vormittag und das Checken der privaten E-Mails hinzu, dann bleibt nicht viel für die Wertschöpfung. Hinzu kommen die Annahme von privaten Amazon-Lieferungen im Büro und der Verzehr pappiger Nudelgerichte vorm Rechner – haste nich gesehen ist wieder ein Arbeitstag rum. Nimmt man noch die An- und Abreise im Öffi hinzu, dann dürfte die Effektivitätsbilanz des Home-Office noch größer ausfallen – trotz der herumwuselnden Blagen und des zeternden Eheteilnehmers – aber wie gesagt: Die kann man wenigstens robust zur Ordnung rufen. Das neue Buch von Dietmar Wischmeyer: Günther - Aufgewachsen unter Niedersachsen ab sofort im Handel oder unter fsr-shop.de erhältlich. Von Dietmar Wischmeyer