ZSK-Sänger Joshi über Corona, Drosten, Neonazis und Göttingen

Die Berliner Punkband ZSK hat einen Internet-Hit gelandet. Mit dem Song „Ich habe Besseres zu tun“ hat sie dem Virologen Christian Drosten, der in Deutschland zum Gesicht des Kampfes gegen die Corona-Pandemie geworden ist, ein Denkmal gesetzt. ZSK-Sänger Joshi feiert Christian Drosten in dem Song unter anderem als „Chuck Norris der Wissenschaft“. Er spielt vor allem auf die Auseinandersetzungen zwischen Drosten und Bild-Chefredakteur Julian Reichelt an. Der Name des Songs orientiert sich dabei an einem Twitter-Statement von Drosten, der auf eine sehr kurzfristige Anfrage der Bild-Zeitung mit eben diesen Worten reagierte. Am Montag hat Joshi die auf Vinyl gepresste Single an Drosten übergeben. Das Video zu „Ich habe Besseres zu tun“ ist in den vergangenen zwei Wochen knapp 300.000 Mal auf YouTube geklickt worden. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender reißen sich um ein Interview mit dem Punkquartett aus Berlin. Sänger Joshi nennt, das was gerade um die Band passiert, eine „Once-in-a-lifetime“-Situation. Etwas, was einem nur einmal im Leben widerfährt. Der Beginn der Geschichte auf Twitter... Dabei ist die Band schon lange im Musikgeschäft unterwegs. 1997 hat sie sich in Göttingen gegründet – benannt nach dem „Zivilen Streifenkommando“ (ZSK) der Göttinger Polizei. Mehr als 600 Konzerte haben die Punks in ganz Europa und Russland und Israel inzwischen gegeben. Das bislang letztes Album „Hallo Hoffnung“ war auf Platz 16 der deutschen Album-Charts. Für Mitte Januar ist die Veröffentlichung der neuen Platte „Ende der Welt“ geplant. Dazu soll es eine Club-Tour mit 42 Konzerten durch Deutschland Österreich, Schweiz und Tschechien geben. Das Treffen mit Droste: Im Interview mit dem Tageblatt spricht Joshi über „Ich habe Besseres zu tun“ und die Reaktionen darauf, die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Band, ihre Anfänge in Göttingen und ihr Engagement gegen Rechts. Schutz für Christian Drosten: Die Resonanz auf den Song ist gewaltig. Wie überraschend ist dieser Erfolg für Euch? Uns war schnell klar, dass das viele Leute lustig und sympathisch finden, was wir da machen. Aber der Riesen-Medienrummel, der jetzt entstanden ist, hat uns total umgehauen. Eigentlich wollen wir gerade in Hannover unser neues Album aufnehmen und alle fünf Minuten klingelt das Telefon. Wir kriegen pro Tag knapp 200 E-Mails mit Lob, Kritik und Presse-Anfragen. Wir kommen überhaupt nicht mehr mit dem Beantworten nach. Selbst in Österreich, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz gibt es Presseartikel. Irgendwie absurd. Glaubt ihr, dass euch der Song einen Karriere-Schub gibt? Ich denke in zwei Wochen interessiert das niemanden mehr. Aber für den Moment ist es echt lustig, und wir freuen uns darüber, dass der Song so durch die Decke geht. Es ist auch einfach schön zu sehen, wie viele Menschen das gut finden, dass wir Christian Drosten vor den ganzen Drohungen aus der rechten Szene in Schutz nehmen. Welche Reaktionen gab es auf den Song? Welches waren die positivsten, welches die negativsten? Die negativsten Mails waren, dass wir von „Juden kontrolliert“ werden und man uns erschießen sollte. Die positivsten waren, dass die Toten Hosen und die Ärzte uns zu dem Song gratuliert haben. Das hat uns natürlich sehr gefreut. Seid ihr seitdem Ziel von Hassmails und Bedrohungen? Ja klar, von klassischen Neonazis über AfD-Wähler bis zu Verschwörungstheoretikern kriegen wir gerade aus allen Richtungen Hassmails. Aber das stört uns nicht wirklich. Wir werden seit vielen Jahren von der militanten Neonazi-Szene massiv bedroht. Wir sind das gewohnt und können damit gut umgehen. Wie geht das? Man liest sich die krassesten E-Mails und Briefe gegenseitig vor und lacht sich kaputt. Wo ist der Song für Christian Drosten zu hören und erhältlich? Bislang nur auf YouTube. Ab dem 31. Juli auch auf allen Streaming Plattformen. Und es gibt halt eine einzige Vinyl Single, die jetzt Christian Drosten im Schrank stehen hat. Wie reagieren eure Eltern auf den derzeitigen Rummel um euch? Die freuen sich total, dass wir jetzt plötzlich überall im Fernsehen zu sehen sind und natürlich im Göttinger Tageblatt. Das lag früher immer beim Frühstück auf dem Tisch, und jetzt sind wir da plötzlich drin. Sie schneiden uns alle Artikel aus und schicken Sie uns. Wie wichtig ist euch das Thema Corona-Aufklärung? Wir finden es einfach wichtig, dass man mit diesem gefährlichen Virus vernünftig umgeht. Die Corona-Leugner die glauben, dass es den Virus nicht gibt, oder dass Bill Gates uns alle chippen will, oder dass „die Juden“ dahinter stecken, machen uns wirklich wütend. Da kann man schon echt den Glauben an die Menschheit verlieren, bei so viel Dummheit, die man im Netz liest. Wie seid ihr als Band von der Corona-Pandemie und den dadurch ausgelösten Veranstaltungsverboten betroffen? Für uns und alle anderen Menschen aus der Kulturbranche ist das natürlich eine absolute Voll-Katastrophe. Wir wären gerade losgeflogen für unsere Japan-Tour als der Lockdown losging. Jetzt verdienen wir ein ganzes Jahr so gut wie kein Geld und ganz viele unserer Lieblingsclubs in Deutschland sind von der Schließung bedroht. Aber als Band wollen wir da wirklich nicht rumjammern. Andere Leute hängen am Beatmungsgerät, da erscheint es uns irgendwie respektlos zu schimpfen, dass wir ein paar Konzerte nicht spielen können. Wie hätte euer Konzert- oder Festival-Sommer ausgesehen? Wir hatten das ganze Jahr durchgeplant mit mehr als 50 Konzerten. Da geht schon irrsinnig viel Geld verloren, das wir dringend für die Album-Produktion gebraucht hätten. Welche oder wie viele Auftritte wurden abgesagt? Alle. Japan Tour und knapp 25 Festivals. Und eigentlich war für den Herbst noch eine Club-Tour mit 20 Konzerten geplant, die wir gar nicht erst bekannt gegeben haben, sondern direkt abgesagt haben, bevor der Ticket-Vorverkauf gestartet ist. Welche Festivals oder Konzerte hättet ihr selbst besucht? Fusion und Openflair. Da gehen wir auch immer hin, wenn wir nicht selbst spielen. Wirklich ganz großartige Festivals. Wie kommt ihr als Band durch die Corona-Pandemie, arbeitet ihr an neuen Songs? Eigentlich wären wir im April im Studio gewesen und im August wäre das neue Album erschienen. Das musste jetzt alles nach hinten gelegt werden. Jetzt kommt die neue Platte im Januar. Derzeit pendeln wir zwischen Berlin und Hannover und machen die Aufnahmen fertig. Bitte vervollständigt diesen Satz: Beim ersten Konzert, Festival nach Ende der Corona-Beschränkungen werden wir......mit Christian Drosten Backstage ein Bier trinken und dann diesen Song live spielen. Anfänge in Göttingen: Wie sind eure Anfänge als Band? Unser Proberaum war immer bei meinen Eltern im Keller, in einem alten Luftschutzbunker. Ich frage mich bis heute, wie die das ausgehalten haben, dass wir da immer so unglaublich laut waren. Unser aller erstes Konzert war am 14. Dezember 1996 in den Räumen der Reformierten Gemeinde im Jugendkeller. Kein Club wollte uns spielen lassen, also haben wir gesagt: Wir organisieren das irgendwie selber. Wir hatten alles als Geburtstagsparty getarnt, damit die das überhaupt erlauben. Am Ende gab es kräftigen Sachschaden und wir mussten 300 DM für kaputte Toiletten und kaputte Spiegel bezahlen. Ein perfekter Start für eine Punkband. Als Band seid ihr von Anfang an auch politisch aktiv gewesen. Was treibt euch dabei an? Wenn man Punkrock hört, kommt man ja an politischen Themen gar nicht vorbei. Wir haben schnell angefangen, uns für vieles zu interessieren. Das ging in Göttingen natürlich auch sehr gut, weil es ja eine große, engagierte linke Szene gab. Punkrock bedeutet für mich nicht nur, dass man raus schreit, was in der Gesellschaft falsch läuft, sondern dass man auch seinen Anteil dafür tut, dass die Sachen irgendwie ein bisschen besser werden. Und das versuchen wir mit der Band seit Jahren nach Kräften. Bereits 2006 habt ihr „Kein Bock auf Nazis“ ins Leben gerufen. Was war die Motivation dahinter? Wie hat sich die Relevanz dafür bis heute entwickelt? Das war eine Zeit, in der sich außerhalb der linken Szene kaum jemand für das Thema Rechtsextremismus ernsthaft interessiert hat. Wir hatten das Gefühl, dass es einfach wichtig ist, da weiter dran zu bleiben. Also haben wir diese Kampagne gegründet, die in den vergangenen zehn Jahren wirklich riesengroß geworden ist. Wir machen jedes Jahr stände auf mehr als 100 Konzerten und Festivals und drucken 100.000 Flyer und Aufkleber. Der NSU und die Attentate in Halle, Hanau und Kassel haben uns leider recht gegeben: Das Thema wurde viel zu lange nicht ernst genommen. Wie prägend waren eure Erfahrungen mit der Göttinger Neonazi-Szene für euer Engagement gegen Rechts? Wir waren ja in der glücklichen Position, dass man in der Stadt eigentlich nie Angst davor haben musste, von Nazis verprügelt zu werden. Wir kennen viele andere Punkbands, gerade aus Ostdeutschland, die in ständiger Angst vor rechter Gewalt aufgewachsen sind. Das war in Göttingen anders. Als es dann irgendwann wieder Naziaufmärsche in Göttingen gab, haben wir auf den Gegendemos gespielt. Es hat mich sehr beeindruckt, dass wirklich die ganze Stadt auf den Beinen war, um die Nazis zu stoppen. Das würde ich mir in vielen anderen Orten auch so wünschen. Was waren dabei die wichtigsten Vorkommnisse? Der Tod von Conny Wessmann hat uns stark geprägt, auch wenn wir da noch ganz klein waren. Wir waren ziemlich erschrocken, weil an dem Tag klar wurde, dass man im Kampf gegen Rechtsextremismus keine Hilfe von der Polizei erwarten kann. Und das zieht sich ja bis heute durch. Wer sich gegen Nazis und Rassismus engagiert, wird ganz schnell als „Linksextremist“ abgestempelt. Völlig absurd. Funktioniert die Band so gut, dass ihr davon leben könnt? Was macht ihr darüber hinaus? Sagen wir mal so: Dieses Jahr wird das nicht klappen. Zum Glück haben wir alle noch andere kleine Jobs, mit denen wir uns über Wasser halten können. Wann habt ihr zuletzt in Göttingen gespielt? Das ist leider ewig her. Ich glaube beim 25-Jahre-Juzi-Festival war das. Wir müssen unbedingt bald mal wiederkommen. Privat sind wir aber immer mal in der Stadt und gehen dann auf irgendein cooles Konzert im Juzi oder in den T-Keller. Wann werdet ihr wieder in Göttingen spielen? Gibt noch keinen konkreten Termin, aber wir machen das sobald wie möglich. Versprochen! Welchen Kontakt habt ihr noch zu und nach Göttingen – etwa zu Eltern und Freunden? Es gibt noch einige alte Freunde und Familie in Göttingen, auch wenn die langsam immer weniger werden. Witzigerweise sind die allermeisten unserer besten Freunde aus Göttingen inzwischen auch nach Berlin gezogen. Guten Tag, sie kennen sicher alle meinen Namen Sie erkennen mich an meinen schönen Haaren Habe einen weißen Kittel an, der sieht gut aus Haue für Euch jeden Tag einen Podcast raus Schon wieder falsch zitiert bei Spiegel Online Das muss jetzt alles in diesen Song rein Die Bild ruft, fragt nach einem Interview Ich lege auf, habe keine Lust dazu - Ich habe besseres zu tun Lasst mich bitte mit dem Scheiß in Ruhe - Meine Frau sagt, Christian, wir schauen Herr der Ringe Aber ich denke ständig nur an andere Dinge Und dann ruft mich schon wieder Merkel an Fragt mich ob ich ihr nicht nochmal helfen kann Ich lese auf Twitter 1000 Kommentare frage danach ob ich es mir besser spare Für Aluhüte bin ich grauenhaft Für alle andern der Chuck Norris der Wissenschaft. Virus zerlegen statt Handymast sägen Die Menschheit retten statt auf Telegram chatten Respekt für das Leben statt Hildmann ergeben Sie erreichen den Autor unter: E-Mail: m.brakemeier@goettinger-tageblatt.de Twitter: @soulmib Von Michael Brakemeier