Corona-Impfung für ältere Bürger: Sind mobile Impfzentren im Landkreis Göttingen eine Lösung?

Seit Mitte Dezember stehen die Impfzentren für die Bewohner des Landkreises Göttingen bereit und warten auf den Einsatz. Falls der benötigte Impfstoff wie bisher zugesagt eintrifft, sollen sie Anfang Februar die Arbeit aufnehmen. Doch mit Standorten in Herzberg und Göttingen kann die Anfahrt zu den Zentren vor allem aus dem westlichen Landkreis mit Hann. Münden und Staufenberg sowie Dörfern im Eichsfeld lang und beschwerlich werden. Rund 30 bis 40 Kilometer beträgt die Strecke zum Impfzentrum in beiden Fällen – mit dem Pkw eine Fahrtzeit von einer halben Stunde und mehr, mit dem Bus – wenn es denn überhaupt eine Verbindung gibt – entsprechend länger. Abhilfe, zumindest zunächst für den westlichen Kreis, könnte bald ein Pilotprojekt bringen, dass der Landkreis Göttingen in der Gemeinde Staufenberg auf den Weg bringen will. Die konkreten Planungen dazu laufen nach Auskunft von Marlies Dornieden, Kreisrätin und Leiterin des Corona-Krisenstabes beim Landkreis, bereits. In der ersten Februarhälfte soll das Projekt starten. Ziel sei es, so Dornieden, die Über-80-Jährigen, die nicht über Alten- und Pflegeheime versorgt werden, vor Ort in der Gemeinde durch ein mobiles Impf-Team zu impfen. Das soll ihnen die Fahrt ins 40 Kilometer entfernte Impfzentrum in Göttingen ersparen. In der Gemeinde Staufenberg gebe es derzeit rund 620 Einwohner über 80, erläutert Dornieden. Anregungen aus der Politik: Die lange Anfahrt haben auch die SPD in Hann. Münden und der Ortsbürgermeister von Tiftlingerode, Gerd Göbel (CDU), als Problem erkannt. Auch sie plädieren für mobile Lösungen. So hat sich die Hann. Mündener Bürgermeister-Kandidatin Karin Weber-Klatt (SPD) für die Einrichtung eines mobilen Impfzentrums im Altkreis Münden ausgesprochen. „Ich habe sehr bedauert, dass Hann. Münden bei der Einrichtung eines Impfzentrums im Hinblick auf die angebotenen Standorte nicht berücksichtigt werden konnte“, erklärte Weber-Klatt. Weber-Klatt verweist auf ein Pilotprojekt des Landkreises Cloppenburg in Lastrup (siehe Info-Kasten). Dort, so Weber-Klatt, könnten sich alle Impfwilligen ab 80 auch außerhalb von Heimen in einem mobilen Impfzentrum versorgen lassen. In Landkreis Cloppenburg hat am Sonnabend in der Gemeinde Lastrup ein niedersächsisches Pilotprojekt begonnen, auf das sich auch die SPD aus Hann. Münden bezieht. Dabei sollen Corona-Impfungen bei mehr als 80-jährigen Menschen, die nicht in einem Senioren- oder Pflegeheim leben, in einem mobilen Impfzentrum vorgenommen werden. Später soll das Projekt auf den gesamten Landkreis ausgeweitet werden. Darauf hatten sich in Cloppenburg Landrat, die Bürgermeister der 13 Städte und Gemeinden sowie der Landkreis verständigt. Nach Angaben von Landrat Johann Wimberg (CDU) sei es dem Landkreis sowie den Städten und Gemeinden „ein dringendes Anliegen, im ganzen Kreisgebiet dezentral und nahe am Wohnort allen älteren Bürgerinnen und Bürgern ein Impfangebot auf kurzem Wege bieten zu können und so viele Menschen wie möglich sicher vor einer schweren Covid-19-Erkrankung zu schützen“. Der Vorsitzende des dortigen Kreisverbandes des Städte- und Gemeindebundes, Michael Fischer, zeigte sich gleichermaßen erfreut über die gemeinsame Initiative. Es sei im Interesse der Menschen in den Kommunen, dass sie auf kurzem Wege so bald wie möglich ein Impfangebot bekommen, so Fischer. Lesen Sie auch Corona-Impfung in Göttingen - live aus der Pressekonferenz am 15. Januar 2021 Stephan Weil im Interview: Müssen wir uns auf einen Lockdown bis Ostern einstellen? Impfstoff-Verteilung Niedersachsen: Kleine Kreise und Städte fühlen sich benachteiligt Corona-Lockdown in Niedersachsen: "Wirkt sich auf Infektionszahlen nicht aus" FFP2-Maskenpflicht in Niedersachsen? Laut UMG-Infektiologin keine erforderliche Maßnahme SPD Münden kündigt Ratsantrag an: „Für viele ältere Menschen ist eine Fahrt nach Göttingen sehr beschwerlich. Auch für Begleitpersonen kann dies ein Kraftakt sein“, beschriebt Weber-Klatt. So gebe es in Hann. Münden noch viele Familien, die die Pflege ihrer Angehörigen selbst übernähmen und nicht auf eine Impfung im Heim setzen könnten. „Die Einrichtung einer mobilen Impfstation wäre eine gute Lösung, um die sich die Stadt Hann. Münden nun bemühen sollte“, sagt die SPD-Bürgermeisterkandidatin. Eine Forderung, die Joachim Atzert, SPD-Fraktionschef im Mündener Rat, und Ratsfrau Gudrun Surup, teilen. Sie kündigen an, im Rat einen entsprechenden Antrag zu stellen. Unterstützung für die Einrichtung eines mobilen Impfzentrums für den Altkreis Münden kommt vom SPD-Landratskandidaten Marcel Riethig – ebenfalls Kreisrat. Mit einer solchen Lösung könnten die Anfahrtswege für alle Impfbereiten im Kreisgebiet auf circa 30 Minuten mit dem Pkw und unter 60 Minuten mit dem öffentlichen Nahverkehr begrenzt werden. „Das ist zugleich umweltfreundlich“, sagt Riethig. Er würde sich wünschen, wenn das Zusatzangebot nicht nur auf Hann. Münden beschränkt bliebe. Weiterer Standort könnte, so Riethig, Duderstadt sein. Mobile Impf-Teams auch fürs Eichsfeld: Auch Gerd Goebel (CDU), Ortsbürgermeister von Tiftlingerode, sorgt sich: Er habe die Kreisverwaltung um Prüfung des Vorschlages gebeten, ältere Mitbürger in den Eichsfeld-Gemeinden vor Ort durch die Impf-Teams impfen zu lassen. Goebel will auch prüfen lassen, ob Impfungen mit dem Moderna-Impfstoff künftig auch in den Arztpraxen möglich sei. „Ich bin von einigen Mitbürgern angesprochen worden, die kaum Möglichkeiten haben, zu den Impfzentren nach Herzberg oder Göttingen zu fahren, ob die Impfaktion nicht auch in einigen Orten des Eichsfeldes stattfinden kann“, sagt Goebel. Es könnten mehrere Orte zusammen gefasst werden, schlägt er vor. In Schulen, Turnhallen und Gemeindezentren könnte geimpft werden. So bliebe „den betagten Mitbürgern“ lange Fahrt- und Wartezeiten erspart. In Tiftlingerode etwa seien mehr als 150 Personen älter als 70 Jahre. „Etwa 17 Prozent der Bevölkerung“, sagt Goebel. Eine ähnliche Situation gäbe es auch in anderen Gemeinden. Mit dem Pilotprojekt in Staufenberg will der Landkreis nun erste Erfahrungen sammeln. Denn sollte sich, so Krisenstabsleiterin Dornieden, das Verfahren bewähren, seien weitere dieser Art im Landkreis möglich. Voraussetzung bei all den Überlegungen: Es muss genügend Impfstoff in der Region ankommen, sagt Dornieden. Denn auch die beiden Impfzentren müssten versorgt werden. Landrat Reuter reagiert auf Kritik aus Hann. Münden: Inzwischen hat auch Landrat Bernhard Reuter (SPD) auf die Kritik aus Hann. Münden reagiert und die gewählten Standorte für die Impfzentren des Landkreises verteidigt. Die Vorschläge seien akribisch erarbeitet und fundiert begründet. „Dafür stehe ich“, sagte Reuter. Zur Wahl der Standorte Göttingen und Herzberg – nach intensiver Suche und bei Beteiligung der Städte und Gemeinden – führt der Landrat aus: Die Standorte seien vom Land per Einsatzverfügung festgelegt worden, die Zahl der Impfzentren je Landkreis sei vorgegeben, bei der Objektauswahl seien detaillierte Vorgaben zu beachten gewesen und die Standorte hätten für möglichst viele Menschen im Einzugsbereich gut erreichbar sein müsse. „Das haben wir – mit Blick auf die Gesamtbevölkerung – geschafft“, sagt Reuter. Dornieden betont die gute Versorgung in Stadt und Landkreis Göttingen mit drei Impfzentren, die „landesweit einmalig“ sei. Denn: Bei der Planung habe das Land als Richtwert die Versorgung von rund 150.000 Personen je Impfzentrum vorgegeben. Der Landkreis Göttingen habe aber im Kreisgebiet – ohne die Stadt Göttingen – knapp 209.000 Menschen die Möglichkeit zur Impfung anzubieten. Das Angebot des Kreises sei damit „deutlich günstiger ist als im Landesschnitt“, führt Dornieden aus. 40 Immobilien habe die Kreisverwaltung geprüft, mehr als zehn Gebäude vor Ort angesehen, erklärt Dornieden. Dabei haben die von der Stadt Hann. Münden vorgeschlagenen Immobilien nicht den vom Land vorgesehenen Kriterien entsprochen. Sein „Top-Kriterium der Erreichbarkeit“ sei bei den nun gewählten Standorten erfüllt, erklärt Reuter.Beide lägen zentral im östlichen und westlichen Kreisgebiet, seien verkehrsgünstig gelegen und aus verschiedenen Richtungen gut angebunden. „Die jetzt gefundene Lösung ist ein Kompromiss“, sagt Dornieden. Beide Impfzentren seien für jeweils gut 100.000 Menschen erreichbar. Von Michael Brakemeier