Hann. Münden: Fachplanerin für vorbeugenden Brandschutz im Interview

Nach den zwei verheerenden Großbränden in der Altstadt von Hann. Münden ist die Stadtratsgruppe von Bündnis 90/Die Grünen mit einem Maßnahmenkatalog an die Öffentlichkeit getreten. Das Ziel: ein Brandschutz-Konzept. Im Tageblatt-Interview erläutert die Göttingerin Heike Ernst, Fachplanerin für vorbeugenden Brandschutz, worauf es aus ihrer Sicht ankommt. Tageblatt: Inwieweit bestehen aus Ihrer Sicht seitens des Gesetzgebers Lücken beim vorbeugenden Brandschutz? Ernst: Es gibt viele Möglichkeiten für einen präventiven Brandschutz, und unsere Gesetzgebung ist diesbezüglich nicht das eigentliche Problem. Dass es keine verpflichtenden Vorkehrungen für Wohnhäuser gibt, so wie im kürzlich veröffentlichten Artikel „Fachwerk-Fünfeck: Grüne fordern Brandschutz-Konzept“ bezüglich der Stadt Hann. Münden zu lesen gewesen ist, ist nicht ganz richtig. Was versteht man unter vorbeugendem Brandschutz? Der vorbeugende Brandschutz gliedert sich für bauliche Anlagen in die Bereiche organisatorisch, baulich, anlagentechnisch und abwehrend. Daher arbeiten die Bauordnungsämter auch im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes mit den Feuerwehren zusammen. Lesen Sie auch Großbrand in Hann. Münden – Feuer zerstört drei Häuser in der Altstadt Polizei: Großbrand in Hann. Münden ist im Ärztehaus ausgebrochen Nach Großbrand in Hann. Münden: Grüne fordern Brandschutz-Konzept Wie können die Vorgaben in der Praxis effektiv umgesetzt werden? Da es sich um einen baulichen Bestand handelt, ist immer eine individuelle Betrachtung erforderlich. Besonders in Bereichen der Innenstädte findet man oft Bauweisen, die aus heutiger Sicht nicht dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Somit ist zunächst eine Bewertung des Bestandes erforderlich, um nach dieser Bewertung einen Maßnahmenkatalog beziehungsweise gegebenenfalls ein zeitlich gefasstes Sanierungskonzept zu erstellen. Diesbezüglich sind die Verantwortlichen wie Betreiber und Eigentümer stets einzubinden. Es sind hier nicht nur reine Wohnhäuser sondern Wohn-und Geschäftshäuser, die bezüglich der baulichen Anforderungen auch in Abhängigkeit ihrer Nutzung zu betrachten sind. Für kleine Läden, die nicht unter die Verkaufsstättenverordnung fallen, sind übrigens bereits Maßnahmen durch die Feuerwehr formuliert worden. Zu den verheerenden Bränden in der Hann. Mündener Altstadt: Ist der vorbeugende Brandschutz auf der Höhe der Zeit, oder muss nachgebessert werden? Ich erinnere mich noch gut daran, wie es einen großen Aufschrei gab, als in Niedersachsen der Einbau vor Rauchmeldern in die Bauordnung aufgenommen wurde. Es „flammte“ auch immer wieder die Diskussion auf, dass die Gesetzgebung so streng sei, dass sie das Bauen gar verhindere. Beim Lesen des Artikels über den geforderten Maßnahmenkatalog gewinnt man jedoch den Eindruck, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Ernst: „Nicht das Rad neu erfinden“: Wie stellt sich die Situation für Sie als Fachplanerin für vorbeugenden Brandschutz dar? Die Brandlasten werden oftmals unterschätzt, daher ist zunächst unter anderem Aufklärungsarbeit über die Ursachen eines Brandes und die Ausbreitung erforderlich. Denn es soll ja „vorgebeugt“ werden, um einen Brand gar nicht erst entstehen zu lassen. Es ist somit wichtig, den Brand bereits in der Entstehungsphase zu erkennen, um ihn dann gegebenenfalls selbst durch Löschmittel zu löschen und vor allem die Feuerwehr frühzeitig zu alarmieren, um eine Brandausbreitung möglichst zu verhindern. In Geschäftshäusern oder Ärztehäusern ist es außerhalb der Geschäfts- oder Betriebszeiten kaum möglich, einen Brand frühzeitig zu entdecken, es sei denn, es sind anlagentechnische Einbauten wie zum Beispiel Rauchmelder vorhanden. Gleiches gilt auch für Lagerbereiche, da sie oft abgetrennt und nicht einzusehen sind. Diesbezüglich können auch organisatorische Maßnahmen ergriffen werden. Die Göttingerin Heike Ernst war viele Jahre als technische Angestellte in Bauaufsichtsämtern tätig – in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hessen. 2008 schloss die 52-Jährige über die TU Dresden erfolgreich eine Weiterbildung zur „Fachplanerin für vorbeugenden Brandschutz“ ab. Neben ihrer Arbeit war sie auch freiberuflich beratend tätig. Nach dem Abitur hatte Ernst zunächst eine Lehre als Bauzeichnerin abgeschlossen. Ihr Studium an der Fachhochschule Holzminden (heute HAWK) beendete sie 1995 als Diplom-Ingenieurin (FH). Welche weiteren Gesichtspunkte sind zu beachten? Ein Thema, dem auch besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, ist die Nutzungsänderung eines Gebäudes. Betreiber sind oft damit konfrontiert, dass ein Gebäude nach Lage und Größe für die geplante Nutzung geeignet ist, verkennen aber oft, dass die Nutzung nicht auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Oftmals überlassen die Eigentümer es den Mietern oder Betreibern, die Nutzung entsprechend anzupassen. Diesbezüglich werden oft bauliche Maßnahmen vorgenommen, ohne dies, bezogen auf den Bestand, zu überdenken. Hier kommen dann oft erst verspätet die Bauaufsichtsämter ins Spiel, denn Umbauten werden oft nicht beantragt, da diesbezüglich keine Beratung in Anspruch genommen wird. Im Hinblick auf den Maßnahmenkatalog der Hann. Mündener Stadtratsgruppe von Bündnis 90/Die Grünen: Wie fällt Ihr Fazit aus? Nachdem ich mehr als 15 Jahre in diversen Bauaufsichten gearbeitet habe und mich auch freiberuflich engagiere, kann ich nur dazu ermutigen, nicht das Rad neu erfinden zu wollen. Denn ein Brandschutzkonzept ist individuell und muss immer auch die Chance auf Umsetzung haben. Ich würde mich gern mit den politischen Gremien in Verbindung setzen, um einen Beitrag zu leisten, dass die Theorie dann auch in die Praxis umsetzbar ist. Gerne gehe ich dann auch auf die Berücksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte ein. Von Eduard Warda