Amazon liebäugelt mit Northeim

In Northeim werden die Weichen für die Ansiedlung eines Amazon-Verteilzentrums gestellt. Entstehen soll es im bislang noch nicht erschlossenen, jedoch ausgewiesenen Gewerbeareal West. Die Fläche liegt zwischen der Westumfahrung und der Eisenbahnstrecke. Nachdem Northeims Bürgermeister Simon Hartmann (SPD) vor drei Wochen den Verwaltungsausschuss über das Vorhaben unterrichtet hatte, informierte er am Mittwoch die Öffentlichkeit. Unterstützung erhielt er von Amazon-Repräsentant Thorsten Freers, der per Videochat zugeschaltet war. Das Verteilzentrum soll auf einem 60000 Quadratmeter großen Grundstück entstehen, die reine Nutzfläche im Gebäude soll rund 7000 Quadratmeter betragen. Amazon will nicht selbst bauen, sondern mit dieser Leistung den tschechischen Entwickler von Logistikobjekten P 3 Logistic Parks beauftragen. Das Objekt wolle Amazon dann mieten, für mindestens zehn Jahre, mit der Option einer Verlängerung, wie Freers darlegte. Deshalb könne der Onlineversandhändler auch keine Investitionssumme mitteilen. Arbeit für gering qualifizierte Menschen: Im geplanten Northeimer Verteilzentrum soll an sechs Werktagen rund um die Uhr gearbeitet werden (im Drei-Schicht-Betrieb). 120 bis 130 Menschen sollen hier eine Arbeit finden, in Spitzenzeiten, also im Weihnachtsgeschäft, bis zu 250. Eine spezielle Ausbildung sei nicht nötig, ausgenommen für die 20 Führungs- und Fachpositionen, die es zu besetzen gilt. Der Bruttolohn für die ungelernten Mitarbeiter soll bei 11,71 Euro liegen. Ihre Aufgabe werde es maßgeblich sein, Pakete für die Auslieferung vorzusortieren. Zum wichtigen Punkt „Verkehr“ sagte Freers, dass in der Zeit von 22 bis 9 Uhr bis zu 30 Lastwagen das Verteilzentrum zur Anlieferung anfahren würden (in Spitzenzeiten bis zu 40 Lkw). In der Zeit von 14 bis 16 Uhr sollen es noch einmal vier Lkw sein. Die Auslieferung soll von 9 bis 14 Uhr erfolgen, wofür bis zu 216 Touren nötig sind (in Spitzenzeiten bis zu 576 Touren). Ab 15 Uhr sind noch einmal bis zu 30 Touren geplant (in Spitzenzeiten bis zu 70). Für die Auslieferung arbeite Amazon gern mit lokalen Kurierdienstpartnern zusammen, hieß es. Die müssten allerdings einige Anforderungen erfüllen, etwa hinsichtlich des Stundenlohns. Bedient werden sollen Kunden in einem Radius bis zu 70 Kilometern um Northeim. Bürgermeister setzt auf Schub-Wirkung: Bürgermeister Hartmann erhofft sich von der Ansiedlung neben Arbeitsplätzen und einem Plus an Steuern (Gewerbesteuer und Einkommenssteueranteile) eine Art mentalen Schub für die Stadt, frei nach dem Motto „Es tut sich wieder was“. Amazon würde den Wirtschaftsstandort Northeim attraktiver machen, ist er sich sicher. Hartmann hofft, dass es weitere Unternehmen dem US-amerikanischen Onlineversandhändler gleichtun und sich für Northeim als Standort entscheiden. Das sollten und könnten gerne auch kleine und mittelständische Firmen sein, ergänzte Christiane Unger von der Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung Northeim. Öffentliche Diskussion zum Vorhaben: Der weitere Werdegang: Zuerst einmal muss der Rat der Stadt am 11. Juni den Bebauungsplan beschließen. Im Bauausschuss soll das Projekt am 16. Juni vorgestellt und diskutiert werden. Anfang Juli kann der Rat über den Grundstücksverkauf entscheiden. Die öffentliche Diskussion zum Projekt sei gewollt, so Hartmann. Entscheidet der Rat pro Amazon, könnte das Verteilzentrum zum Weihnachtsgeschäft 2021 in Betrieb gehen. Ein ähnliches Projekt war Ende vergangenen Jahres in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) gescheitert. Die Gegner im Rat argumentierten unter anderem, dass die Jobs bei Amazon im Niedriglohnbereich liegen würden. Zudem müsse der hiesige Einzelhandel geschützt werden, hieß es. Der US-amerikanische Onlinehändler Amazon hat nach eigenen Angaben weltweit 300 Millionen Kunden. Knapp 60 Prozent der ausgelieferten Waren kommen von kleinen Verkäufern oder anders ausgedrückt: Acht Millionen Produkte stammen von kleinen und mittelständischen Betrieben. Amazon betreibt neben Verteilzentren (für die letzte Meile) auch Logistikzentren und Sortierzentren. In Europa gibt es aktuell 90 Verteilzentren. München ist der Sitz von Amazon Office Deutschland. Mit dem neuen Industriegebiet West will die Stadt Northeim auch Unternehmen von außen anlocken. Der Entwurf des Bebauungsplanes war im Oktober 2019 vom Verwaltungsausschuss verabschiedet und danach öffentlich ausgelegt worden. Die Rechtskraft des B-Plans soll durch Satzungsbeschluss in der Sitzung des Stadtrates am 11. Juni und die anschließende öffentliche Auslegung hergestellt werden. Die Erschließungsarbeiten könnten dann beginnen. Die Stadt hat im Dezember 2019 einen Antrag auf Förderung aus dem Landesprogramm „Förderung hochwertiger wirtschaftsnaher Infrastrukturmaßnahmen“ gestellt. Über den Antrag wird voraussichtlich Ende des Jahres entschieden. Lesen Sie auch: Über 50 Corona-Fälle in Amazon-Logistikzentrum Winsen Hilfe in der Corona-Krise: Facebook wird zur Verkaufsplattform für Online-Shops Von Ulrich Meinhard

Versandhändler - Neues Verteilzentrum: Amazon will nach Northeim