Northeim: Mädchen jahrelang missbraucht

Ein bereits wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs in Haft sitzender 59-jähriger Mann aus Northeim muss wegen weiterer Missbrauchstaten für insgesamt neuneinhalb Jahre ins Gefängnis. Das hat das Landgericht Göttingen entschieden. Die Kammer befand den Angeklagten am Ende des mehr als fünf Monate dauernden Prozesses des sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen und des schweren sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen sowie der mehrfachen Nötigung für schuldig. Der Northeimer, der selbst sieben Kinder hat, war erst im Mai 2017 wegen mehrerer Missbrauchsfälle zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Da er die jetzt verhandelten Taten noch vor dieser Verurteilung begangen haben soll, und die vorherige Strafe noch nicht vollständig verbüßt hat, bezog das Gericht die frühere Verurteilung mit ein und bildete daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 59-Jährige ab dem Sommer 2004 bis zum Jahr 2015, also mehr als zehn Jahre lang, immer wieder ein Mädchen missbraucht hat, das zu Beginn der Missbrauchsserie acht Jahre alt war. Der Angeklagte sei damals ein Freund der Familie gewesen und habe sich auch zur Kinderbetreuung angeboten. Mit der Zeit sei er immer aufdringlicher geworden und habe gegenüber dem Mädchen behauptet, dass er der Einzige sei, der sich um sie kümmere. Weitere Missbrauchstaten in seiner eigenen Wohnung: Das Gericht verurteilte ihn wegen insgesamt acht Taten. Die Kammer sei aber davon überzeugt, dass dies nur ein geringer Bruchteil sei, und es sehr viel mehr Fälle gegeben habe, als angeklagt waren und sich detailliert nachweisen ließen, sagte der Vorsitzende Richter Michael Kalde. Bei der ersten Tat habe er das Mädchen auf dem Schulweg in Northeim abgefangen und in ein Waldstück gebracht. Später habe er weitere Missbrauchstaten in seiner eigenen Wohnung und ihrem Elternhaus begangen. Der Angeklagte habe das Mädchen auch dann noch verfolgt, als diese mit ihrer Familie in den Landkreis Holzminden umgezogen sei. In den Folgejahren sei es zu regelmäßigen sexuellen Übergriffen gekommen, in einem Fall habe er sie in einem leerstehenden Häuschen missbraucht. Der Angeklagte habe sie dabei unter Druck gesetzt und ihr wiederholt damit gedroht, Fotos und Videos von ihr zu verbreiten. Der 59-Jährige hatte auch bei anderen Taten, wegen denen er im vorherigen Verfahren verurteilt worden war, Fotos und Videos angefertigt. Die damaligen Opfer waren zwei Mädchen im Alter von drei und sieben Jahren. Während er in dem vorigen Verfahren die Taten weitgehend eingeräumt hatte, betritt er in diesem Prozess die Vorwürfe und gab an, dass die sexuellen Kontakte freiwillig gewesen seien. Die Verteidigung hatte dementsprechend auf Freispruch plädiert. Lesen Sie auch Landgericht Göttingen: Schwerer Missbrauch von Kindern Zeugin zeitweilig stationär in einer psychiatrischen Klinik: Das Gericht hielt die Angaben der Zeugin allerdings für glaubhaft. Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass ihre Schilderungen erlebnisbasiert seien. Als schwerwiegend bewertete die Kammer die gravierenden psychischen Folgen. Die Zeugin habe nach der ersten Vernehmung einen Suizidversuch unternommen und sei zeitweilig stationär in einer psychiatrischen Klinik behandelt worden, sagte der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte wiederum habe ihr in einem Brief vorgeworfen, dass sie Schuld daran habe, dass es ihm so schlecht gehe. Das Gericht hatte auch die Möglichkeit einer Sicherungsverwahrung geprüft, kam allerdings zu dem Schluss, dass die notwendigen Voraussetzungen nicht vorlägen. Der Staatsanwaltschaft hatte den 59-Jährigen noch wegen weiterer Taten angeklagt. Sie warf ihm unter anderem vor, eine Enkelin missbraucht zu haben. Nach Ansicht des Gerichts war jedoch unklar, ob die Angaben des Mädchens, das zur mutmaßlichen Tatzeit drei oder vier Jahre alt war, suggestiv beeinflusst worden waren. Die Staatsanwaltschaft hatte eine deutlich höhere Freiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten beantragt. Von Heidi Niemann