Wenn die Bügelflasche ploppt: „Ein besseres Konzert gibt es nicht“

Die Devise lautet „Prost!“, denn der Tag des deutschen Bieres ist da. Auf den Tag genau 504 Jahre nach der Proklamation des Deutschen Reinheitsgebotes gilt in Deutschland noch immer der Grundsatz „in unser Bier gehören nur Wasser, Hopfer und Gerste“. Das älteste Lebensmittelfest der Welt sollte eigentlich im ganzen Land mit Festen gefeiert werden – doch dies hat die Corona-Pandemie zu Nichte gemacht. So müssen Bier-Liebhaber ihren Schluck Gerstensaft entweder alleine oder im Familienkreis genießen. Welche Pläne hat Jörg Tietz, Geschäftsführer der Bergbräu Uslar GmbH & Co. KG, für diesen Tag? Und welchen Einfluss nimmt die Corona-Krise auf den Absatz der Brauerei? „Über die Corona-Krise zu sprechen, ist müßig“, meint Tietz. Viel wichtiger sei die Frage: „Wir kriegen wir das gemeinsam geschultert?“ Mit den Partnern aus Handel und Wirtschaft Strategien und Ideen zu entwickeln, um der Krise entgegenzuwirken, sei viel besser, als sich in Selbstmitleid zu verlieren. Und von Selbstmitleid ist beim Bergbräu-Chef nichts zu spüren, vielmehr sprüht Tietz geradezu vor Energie. „Wir müssen alle andere Wege gehen“, sagt er. Ideen, um die Krise zu meistern, habe das Unternehmen einige. Und umgesetzt werden sie auch, einige Neuerungen gibt es bereits, einige folgen in den nächsten Tagen und Wochen. Corona-Krise trifft Bergbräu hart: „Als kleine Land- und Kulturbrauerei trifft uns die Corona-Krise besonders hart“, erläutert Tietz die aktuelle Ausgangssituation. Etwa 35 Prozent des Umsatzes erwirtschafte Bergbräu über die Gastronomie und Hotelerie – „das war von Heute auf Morgen auf Null“. Dementsprechend befinden sich alle Mitarbeiter aus der Herstellung in Kurzarbeit, die Maschinen würden erst wieder angeschaltet, „wenn die Lager leer sind“. Die Vorräte habe man genau im Auge, wenn sie zur Neige gingen, „rotten wir uns wieder zusammen und füllen ab“, sagt er. 19 Mitarbeiter hat die Brauerei, etwa drei bis vier Sude pro Woche können angesetzt werden, wenn die Produktion auf Hochtouren läuft – jeder Sud erbringt etwa 100 Hektoliter Bier. Der Bier-Siphon lebt wieder auf: Damit die Wirte nicht auf ihren bereits gekauften Fässern sitzen bleiben, hat sich das Traditionsunternehmen aus Uslar, das seit 1868 nach dem Reinheitsgebot Bier braut, etwas besonderes einfallen lassen. „Aus dem Fass in die Flasche“, lautet der Slogan, Tietz spricht von „Fassbier to go“. Die Wirte hätten ihre Fässer im Keller, Bergbräu liefert ihnen nun Ein-Liter-Flaschen. Mit einem passenden Schlauch können die Gastronomiebetriebe ihre Fässchen in die Flaschen abfüllen und zum Essen zur Abholung mit verkaufen. Die Idee ist nicht neu: Bereits Tietz’ Großvater füllte den Gerstensaft im sogenannten Bier-Siphon ab und nahm ihn mit nach Hause. „Es ist eine bewährte Technik, die wir wieder aufleben lassen“, sagt er. Die Flaschen werden extra angefertigt, 200 Stück wurden gerade geliefert. „Wir wollen der Gastronomie etwas Gutes tun“, deshalb würden die Flaschen zur Unterstützung zur Verfügung gestellt. Für Dunkel und Pils gibt es übrigens unterschiedliche Etiketten, damit es nicht zu Verwechslungen kommt. „Das Bier verliert durch das Umfüllen nichts von seinem Charakter“, betont der Bierbrauer, man sollte es aber möglichst sofort verzehren. Desinfektionsmittel und Seife – aus Bier: Doch der Umdenkprozess endet nicht dort, er geht viel weiter: So möchte das Unternehmen demnächst in kleinen Chargen Desinfektionsmittel auf Bierbasis abfüllen. „Wir haben da ein Rezept entwickelt“, erzählt Tietz stolz. Das Produkt solle dann an Hotels und Gastronomiebetriebe verkauft werden. „Aus Bier kann man viel mehr machen als Getränke“, fährt er fort. Und weiter geht die Fahrt im Hygienesegment: mit der Bierseife. „Für die Herstellung arbeiten wir mit einer kleinen Seifenmanufaktur an der Weser zusammen“, sagt der Bergbräu-Geschäftsführer. Auch die Vielfalt des Angebots wird erweitert: Es gibt ab sofort wieder Mischgetränke. Was früher unter dem Namen „Diesel“ vertrieben wurde, steht nun als Cola Bier wieder im Sortiment. „Es ist exakt die gleiche Rezeptur wie früher“, verspricht Tietz. Ende Mai oder Anfang Juni solle zudem ein eigenes Weizenbier auf den Markt kommen. „Mit traditionellem Handwerk und Liebe“ werde das Bier in Uslar nach wie vor gebraut, sagt Tietz. „Wir unterscheiden uns von den Großkonzernen, indem wir dem Bier Ruhe zum reifen geben“, schließlich freue sich jeder, wenn er zum Essen ein schönes kühles Bier trinken könne. Bergbräu stellt auch Marmelade her: Doch nicht nur in der Getränkeproduktion ist Bergbräu tätig, mittlerweile gibt es auch Bier als Brotaufstrich. „Unsere neuesten Produkte sind Marmelade und Gelee“, erläutert Tietz stolz. Ab sofort gibt es den „Pale Ale Gelee“ und „Dunkel trifft Früchte“ zu kaufen. Auch am Vertriebsweg wird derzeit gewerkelt: So soll nächste Woche die „Flaschenpost“, der Bergbräu-Online-Shop, starten. Dort können Freunde des Gerstensafts aus der kompletten Produktpalette auswählen und bequem nach Hause liefern lassen. Bier sei ein wertvolles Produkt und habe eine besondere Geschichte – außerdem sei es nicht nur zum Trinken da. Um einen weiteren Verwendungszweck des flüssigen Goldes zu erläutern, holt Tietz etwas weiter aus: „Ich habe mich früher immer gewundert, warum die Haare meines Vaters so gut liegen“, das Geheimnis sei das Bier gewesen, dass der Brauer aus Berlin zum Haarewaschen verwendete. „Bier ist der beste Haarfestiger“, erklärt er, Dunkles für dunkle und Pils für helle Haare. „Wer in Corona-Zeiten nichts zu tun hat, kann sich mit Bier die Haare stylen“, sagt Tietz. Und wie lauten seine Pläne für den Tag des deutschen Bieres? „Ursprünglich wollten wir mit der Belegschaft nach Friedenfels in der Oberpfalz fahren“, sagt er. Dort hatte die Brauerei, in der Bergbräu zukünftig sein Weizenbier brauen lässt, zur Bierolympiade eingeladen, „mit Malzsackhüpfen, Bierdeckelweitwurf, Kronkorken schätzen, das ganze Programm“ – doch die Corona-Krise machte auch das zunichte. „Also werde ich mir Zuhause eine Flasche aufreißen.“ Schließlich sei das Ploppen der Bügelflaschen „Musik in den Ohren“. „Ein besseres Konzert gibt es nicht“, meint Tietz. Neben der Bergbräu GmbH & Co. KG gibt es in der Region noch weitere Hersteller des Gerstensaftes. So produziert etwa das Ratsbrauhaus in Hann. Münden seit 2003 wieder das „flüssige Gold“. Der Beginn des Bierbrauens in der Stadt wird auf das Jahr 1550 datiert, damals wurde dort in drei Brauereien soviel Bier produziert, dass niemand ein fremdes Bier ausschenken durfte. Wer das Recht zum Brauen hatte, besaß ein sogenanntes „Braulos“. Damit verpflichtete er sich, einen ausreichenden Malz-Vorrat vorzuhalten. Auch in Duderstadt wird Bier gebraut, dort ist die Tradition sogar noch älter als. Im Jahr 1434 erhielt die Stadt das Braurecht. Früher gab es in Duderstadt etwa 350 kleine Brauereien, heute ist die „Heimatliebe“ das einzige dort gebraute Bier. Die Mikrobrauerei ist besonders stolz auf ihre technischen Vorrichtungen, die denen großer Brauereien in nichts nachstehen. Aus Osterode kommt das Dorster Kesselbräu. Seit 2013 läuft dort die Produktion. Hergestellt werden untergäriges Pilsener, das Landbier, sowie das Vollbier „Kupferhammer“ und das Schwarzbier „BlackBier“. Klein, aber fein ist die Braukunst auch in Göttingen. In der Universitätsstadt produziert „Scholar“ seit fünf Jahren Craft-Biere. Neben Vienna Lager, India Pale Al, Magister Pils und Dunkel ist das Göttinger Pale Ale zu empfehlen. Denn Göttingen ist nicht nur die Stadt, die Wissen schafft – sondern auch Bier. Mehr zum Thema: Corona: Fassbier-Verkauf der Einbecker Brauhaus kommt zum Erliegen Das tägliche GT/ET Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Göttingen täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Von Tobias Christ

Tag des deutschen Bieres - Wenn die Bügelflasche ploppt: „Ein besseres Konzert gibt es nicht“