Corona-Verordnungen an Schulen: Das sagen Göttinger Elternvertreter zu den neuen Regeln

„Eltern von Grundschülern machen sich auch Sorgen“, sagt Cindy-Patricia Heine. Die Göttingerin ist Vorsitzende des Landeselternrates und übt Kritik an den neuen Regelungen für Schulen ab dem 11. Januar. Dann gilt: Die Grundschulen sollen für eine Woche ins Distanzlernen gehen, danach ins Wechselmodell. Weiterführende Schulen unterrichten ihre Schüler bis zum Ende des Schulhalbjahrs digital zu Hause. „Grundschüler und Schüler in Abschlussklassen sind nicht geschützt“, sagt Heine. Durch diese unterschiedlichen Regelungen, so Heine, komme keine Ruhe in die Schulen, von Gleichberechtigung könne keine Rede sein. Sie plädiert daher für den harten Schnitt und für die Schließung aller Schulen. Eine bundeseinheitliche Regelung statt 16 unterschiedliche wäre besser gewesen. „Aber die Logik ist schon lange verloren gegangen“, sagte Heine. Sie bemängelt, dass in der Zeit zwischen den Schulschließungen im Frühjahr und jetzt nichts erreicht wurde. Die Zeit sei nicht genutzt worden, um die Digitalisierung an den Schulen voranzubringen und wirksame Hygienekonzepte zu entwickeln. Hier verwies Heine erneut auf das Konzept von Prof. Christian Kähler von der Bundeswehruniversität München. Nach dessen Studien könne mit Plexiglastrennwänden und Luftreinigern die Corona-Infektionsgefahr in den Klassenräumen deutlich besser eingedämmt werden als mit Alltagsmasken und Stoßlüften. Lesen Sie auch Das sind die Lockdown-Pläne für Niedersachsens Schulen Göttingen: Das sagen Schulleiter zu der neuen Corona-Verordnung Schulstart unter Corona: Das sagen Schüler aus Göttingen zu den neuen Verordnungen Kitas im Landkreis Göttingen stellen auf Notbetrieb um Landkreis Göttingen: Zusätzliche Busse für Schüler Holger Sparbier, Vorsitzender des Kreiselternrates, geht mit den neuen Regelungen nicht ganz so streng ins Gericht. So, wie es das Land nun vorsehe, sei es „in Ordnung“. Er lobt, dass nun auch, anders als im Frühjahr, Rücksicht auf Förderkinder genommen werde. Wünschenswert sei aber, „so schnell wie möglich“ wieder mit dem Präsenzunterricht für alle Schüler zu beginnen, sagt er. Dazu müssten aber Klassen geteilt werden. Bei der Schülerbeförderung müssten vermehrt die sogenannten Verstärkerfahrten genutzt werden. Seit dem 1. Dezember sind die zusätzlichen Busse im Landkreis unterwegs, um in der Corona-Pandemie für Entlastung und mehr Plätze im ÖPNV zu sorgen. Hier, so Sparbier, müssten die Eltern besser als zuvor über diese Möglichkeiten informiert werden. Sparbier sieht derzeit Probleme bei der Umsetzung des Distanzunterrichtes, der nur mit ausreichender digitaler Infrastruktur gelinge. Das fange bei einer Ausstattung aller Schüler mit tauglichen Endgeräten an und höre bei der auskömmlichen Versorgung der Haushalte mit schnellem Internet auf. „Die Breitbandversorgung ist ein Problem bei den Schülern zuhause“, beschreibt Sparbier. Für alle Schüler, denen aus den genannten Gründen vom Distanzunterricht ausgeschlossen sind, müsse es die Möglichkeit geben, an der Notbetreuung in den Schulen teilzunehmen. Das sagt der Landeselternrat: „Allen Entscheidungsträgern auf Bund- und Länderebene muss auch im Rahmen des Föderalismus allmählich klar werden, dass es ohne weitere Investitionen des Bundes im Bildungsbereich in Milliardenhöhe keine Verlässlichkeit und langfristige Planbarkeit geben wird“, heißt des in einer Stellungnahme des niedersächsischen Landeselternrates (LER) von Mittwochabend. Mit den neuen Corona-Regelungen habe das Kultusministerium und letztlich auch die Kultusministerkonferenz eingestanden, „dass Schulen maßgeblich am Infektionsgeschehen beteiligt sind“, heißt es weiter. Die beschlossenen Maßnahmen, um die Inzidenzzahlen weiter zu senken, würden nur einen kurzfristigen Effekt bringen. Schon im Frühjahr hätten Fachleute vor einem massiven Anstieg der Inzidenzen im Winter gewarnt. „Die zweite Welle war angekündigt, quasi vorhersehbar. Und wie hat man sich darauf vorbereitet, welche wirksamen Konzepte wurden für diese Zeit entwickelt? Nichts ist passiert – ein grobes Organisationsverschulden aller Entscheidungsträger auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene“, kritisiert der LER scharf. Seit dem Sommer habe der LER immer wieder auf den unzureichenden Gesundheits- und Infektionsschutz an Niedersachsens Schulen hingewiesen. Der LER fordert nun einen „pandemiegerechten“ Gesundheits- und Infektionsschutz an den Schulen. So ließen sich Bildung, Gesundheitsschutz und langfristige Planbarkeit vereinen. Eltern würden schon lange nicht mehr glauben, dass Schulen nicht die Treiber der Pandemie und Schulen sichere Orte seien, schätzt der LER. Er bemängelt, dass nun auf außerschulische Lernräume nicht ausgewichen werde könne, so wie der LER es bereits im Sommer gefordert hatte, würde wieder nur deutlich werden, weil der richtige Zeitpunkt versäumt wurde, sie entsprechend auszustatten. Aus Sicht des LER sei es unsäglich, dass immer nur über den Umfang der Einschränkungen des Präsenzunterrichtes debattiert werde. Letztendlich sei es egal, für welchen Teil des Stufenplanes das Kultusministerium sich entscheide, denn es mache einen pandemiegerechten Gesundheits- und Infektionsschutz keinesfalls obsolet. Angesichts des verlängerten Lockdowns hat die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) eine stärkere Entlastung berufstätiger Eltern gefordert. „Bauarbeiter und Reinigungskräfte können weder Homeoffice machen noch sich zuhause um die Kinder kümmern. Die Politik darf die Beschäftigten beim Thema Kinderbetreuung jetzt nicht im Regen stehen lassen“, sagte IG BAU-Chef Robert Feiger. Die bisherigen Maßnahmen für Eltern reichten nicht aus. Es könne nicht sein, dass Arbeitgeber von den Beschäftigten bereits im Januar verlangten, ihren Jahresurlaub für die Kinderbetreuung aufzubrauchen, so Feiger weiter. „Nötig ist ein Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub für berufstätige Eltern. Gerade in Branchen, in denen niedrige Löhne gezahlt werden, können Beschäftigte keine großen finanziellen Einbußen verkraften“, sagte Feiger mit Blick auf die bisherige Regelung zum Verdienstausfall von bis zu 67 Prozent des Nettogehalts. Wenn Schulen und Kitas noch viele Wochen geschlossen blieben, greife auch die von Bund und Ländern jüngst beschlossene Verdopplung der Kinderkrankentage zu kurz. „Wer trotz Krise Wohnungen baut oder Krankenhäuser reinigt, sollte sich nicht zusätzlich um das Wohl der Kinder sorgen müssen“, so der Gewerkschafter. Von Michael Brakemeier