Ebergötzen: Zeitreise durch 50 Jahre Europäisches Brotmuseum

Eine Zeitreise durch 50 Jahre Europäisches Brotmuseum stand am Sonnabend im Garten hinter dem Alten Forstamt in Ebergötzen auf dem Programm. Für die angekündigten „spannenden Erzählungen bei Wein und Brot“ waren Wilhelm Gerhardy, Wilhelm Bruinjes und Willi Behre zuständig. „Den drei Herren hat das Museum viel zu verdanken“, kündigte Kuratorin Agnieszka Steuerwald das Trio an, das unter der Moderation von Tina Fibiger vom Stadtradio Göttingen die mehr als 40 Besucher mit Fakten und Anekdoten unterhalten wollte. „Wir verdanken Willi Behre, dass das Museum eine neue Heimat gefunden hat“, stellte sie zunächst den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Ebergötzen und der Samtgemeinde Radolfshausen vor. „Und es gibt eigentlich keine Baustelle auf dem Gelände, an der er nicht beteiligt war.“ Wilhelm Gerhardy leite als Vorsitzender seit 20 Jahren den Trägerverein. Er habe es sich zur Aufgabe gemacht, Geld und Exponate für das Museum aufzutreiben. Geschäftsführer Wilhelm Bruinjes ist seit 25 Jahren dabei. Er sei einmal vom Hungerboden in die Bäckerstube durchgebrochen und habe eine Bäckertaufe überlebt. „Mehr Einsatz für das Museum geht eigentlich gar nicht.“ Eröffnung in Mollenfelde: Er sei seit der Eröffnung 1971 mit an Bord, erzählte Gerhardy. Das Museum sei aus einer Sammlung des Berliner Bäckermeisters Otto Kunkel hervorgegangen. Der habe bereits in den 1930er-Jahren begonnen, eine kunsthistorische Sammlung zum Thema Brot anzulegen. Die sei während des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen, aber Kunkel habe nach dem Krieg neue begonnen. Der Bäckermeister habe in Mollenfelde das alte Forsthaus gekauft. Während einer Bäckertagung sei dann die Idee entstanden, ein Brotmuseum zu eröffnen. Zur Eröffnung in Mollenfelde hatten sich Landwirtschaftsminister des Bundes, Josef Ertl, und Niedersachsens, Klaus-Peter Bruns, angekündigt, erzählte Gerhardy. „Der Festakt sollte beginnen, alle Gäste waren da“, startete Bruinjes eine Anekdote dazu. Nur die hohen Gäste aus Hannover hätten gefehlt. Die kamen mit einem Hubschrauber der Bundeswehr. „Der blieb aber 100 Meter über dem Landeplatz in der Luft und kam nicht herunter.“ Mollenfelde lag im Zonenrandgebiet, und dort durfte die Bundeswehr nicht landen. „Dann kam der alte Graf Hubertus von Berlepsch mit einer Pferdekutsche von seinem Schloss.“ Er bot an, dass der Hubschrauber auf seinem Feld landen dürfte, dass sich außerhalb des Gebietes befand und holte die Gäste mit seiner Kutsche sogar ab. Umzug mit kritischer Phase: Der Besucherzuspruch sei bereits in Mollenfelde ganz beachtlich gewesen, so Bruinjes. Eine kritische Phase erlebte das Museum nach dem Tod des Gründers, da die Sammlung in das Privateigentum seiner Erben überging. „Die wollten die Sachen damals möglichst schnell zu Geld machen und fanden im Deutschen Brotmuseum in Ulm einen willigen Käufer“, berichtete der Geschäftsführer. „Dramatisch wurde es, als die Erben das Objekt in Mollenfelde verkauften. Das Museum war händeringend auf der Suche nach einer neuen Bleibe.“ Der Hinweis, dass das Forstamt in Ebergötzen frei werde, sei gerade noch rechtzeitig gekommen. „Willi Behre war damals der einzige, der gesagt hat: Wir machen das.“ „Ich war im Vorfeld oft in Mollenfelde und kannte das Museum schon“, ergänzte Behre. Ab 1996 habe die Gemeinde den Schriftverkehr mit dem Land Niedersachsen zum Umzug aufgenommen. „Wir wurden vom damaligen Landtagsabgeordneten Thomas Oppermann unterstützt“, erinnerte er sich. Der Gemeinderat habe hinter der Idee gestanden. „Wir mussten mehrere Male nach Hannover, bis alles in trockenen Tüchern war.“ Es gab zahlreiche Auflagen, die vorher zu erfüllen waren, wie die Sanierung des Wohnturms. Behre erzählte, dass er zum damaligen Minister Hans-Heinrich Sander gesagt habe: „Wenn wir nicht wissen, wo das Geld herkommt, steigt die Gemeinde aus.“ Darauf habe dieser 100 000 Euro für die Sanierung zugesagt. Neuanfang in Ebergötzen: Spannend war auch der Transport der Mühlen von Mollenfelde nach Ebergötzen. Schon vor dem Abbau gab es ein Problem. „Der Zimmermeister rief mich an“, erinnerte sich Behre. „Sie lassen mich nicht auf das Grundstück.“ Also sei Gerhardy nach Mollenfelde gefahren und habe verhandelt. „Wir mussten dann einen Obolus zahlen, damit wir zum Abbau auf das Gelände durften.“ Später beim Ausbau des Cafés aus dem Alten Forstamt seien „die Kosten davon gerannt“, so Behre weiter. Hilfe kam von unerwarteter Seite, denn das Land Thüringen habe einen Zuschuss von 100 000 Euro gewährt. Geschichten aus den vergangenen 50 Jahren haben die drei Referenten reichlich zu erzählen. Eventuell soll es zum Ende des Sommers noch einen zweiten Abend geben, an dem weitere Anekdoten zum Besten gegeben werden. Eine Anekdote zur Bäckertaufe gab Wilhelm Bruinjes als Zugabe. Die Bäckertaufe sei ein Strafgerät, das zur Anwendung kam, wenn Bäcker zu kleines Brot gebacken hatten. „Sie wurden zur Strafe öffentlich in einem Käfig unter Wasser getaucht“, so Bruinjes. „Und das war nicht unbedingt das sauberste Wasser.“ Da im Brotmuseum jedes Jahr die Abschlussfeier für die frisch geprüften Bäckergesellen gefeiert wurde, sei überlegt worden, den Besten des Jahrgangs mit einer Bäckertaufe auszuzeichnen – freiwillig. „Wir wollten das natürlich vorher testen.“ Und so setzte sich Bruinjes in den Käfig. „Im entscheidenden Moment riss die Kette und ich lag unter Wasser.“ Er sei gar nicht so schnell aus dem Käfig gekommen und Dirk Gans, der ihn herabgelassen hatte, habe die Situation erstmal amüsant gefunden. Damals fand Bruinjes die Situation verständlicherweise nicht lustig. Mittlerweile kann er auch darüber schmunzeln. Und bei den Gesellen habe die Taufe dann immer funktioniert. 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