Rosdorf: Bürger wollen alte Villa vor Abriss schützen

Baupläne eines privaten Investors sorgen in Rosdorf für Unruhe. Das Grundstück in der Hagenbreite 9 hat im vergangenen Jahr den Besitzer gewechselt. Der beabsichtigt nun, hier ein Zwölf-Familienhaus zu errichten. So ist es in einer Vorlage der Verwaltung vermerkt. Ein Bauantrag liegt vor. Mit diesem Vorhaben wollen sich viele Rosdorfer nicht einverstanden erklären. Der Gemeinderat verabschiedete in seiner Sitzung am Dienstagabend einstimmig eine Satzung über eine Veränderungssperre. Damit nimmt die Gemeinde Einfluss darauf, wie in dem Bereich „Hagenbreite Südost/Bahnhofstraße 4 – 6a“ gebaut werden darf. Auf dem langgestreckten Areal Hagenbreite 9 steht eine leerstehende Villa. Sie ist in Rosdorf als Fiegesche Villa bekannt, benannt nach dem einstigen Eigentümer August Fiege. Dieses Gebäude soll erhalten bleiben, fordern Rosdorfer Bürger. An der Gemeinderatssitzung nahmen 35 Frauen und Männer als Gäste teil, viele von ihnen nutzten die Einwohnerfragestunde, indem sie sich für den Bestand der Villa und gegen den Bau eines Wohnblocks aussprachen. Bürger sprechen sich über Telefonkette ab: Zu ihnen gehört Ralf Lesjak. Er ist ein Nachkomme von August Fiege. Die Villa gehörte lange Zeit seiner Großtante, wie er berichtet, ging dann an deren Stieftochter über, die das Haus verkaufen wollte. Über die Sparkasse Göttingen sei die Immobilie an den jetzigen Eigentümer veräußert worden. „Diese Villa muss unbedingt erhalten bleiben“, sagte Lesjak. Allerdings steht das Gebäude nicht unter Denkmalschutz. Freilich könnte das nachgeholt werden, hieß es im Rat. Lesjak ließ indes keinen Zweifel offen: „Ich bin bereit, mich vor einen Bagger zu stellen, wenn ich sehe, dass dort ein Bagger auftaucht“, versicherte er. Im Anschluss der Sitzung stimmten sich die als Gäste anwesenden Bürger über eine Telefonkette zur gegenseitigen Benachrichtigung ab. Sozialer Unfrieden durch Bauprojekte: Ratsherr Christoph Sachse (SPD) schlug vor, die Bauaufsichtsbehörde zu informieren. Dann wäre die Sachlage zumindest behördlich bekannt. Sein Ratskollege Dieter Eikenberg (Fraktion GUT) meinte: „Das Schöne ist, dass wir hier alle an einem Strang ziehen.“ Zum zivilen Ungehorsam könne er zwar nicht aufrufen, wohl aber zu einer Demonstration. Ratsherr Christian Fröhlich befand: „Solche Bauvorhaben können zu sozialem Unfrieden führen. Da sind wir jetzt sensibilisiert“, nahm er Bezug auf andere Bauprojekte der jüngsten Zeit. Hier ergänzte Sachse selbstkritisch: „Im unbeplanten Innenbereich haben wir uns unsere Planungshoheit zu sehr aus der Hand nehmen lassen.“ Deshalb hat der Rat der Gemeinde Rosdorf nun auf Grundlage des Baugesetzbuches zur Sicherung der Bauleitplanung eine Satzung für den Bereich erlassen. Für das Gebiet ist ein Bebauungsplan aufgestellt worden. Er legt die Höchstanzahl der Wohnungen für ein Grundstück und die Zufahrtsbreiten zum Grundstück fest. Pferdehof: Grundstücksnutzung gekündigt: Übrigens: Für Dezember 2019 hatte der neue Besitzer der Villa einem benachbarten Pferdehof den Pachtvertrag für die Nutzung einer Fläche im hinteren Bereich der Straße gekündigt. Die Betreiberin der Rosdorfer Reitanlage, Janine Mühlbach, machte in der Gemeinderatssitzung auf ihre Situation aufmerksam. „Das ist für uns ein Fiasko. Und für die Rosdorfer Kinder auch“, sagte sie und wies darauf hin, dass der Auslauf für die Pferde nun nicht mehr gegeben ist. Ihre Anfrage beim neuen Eigentümer für einen neuen Pachtvertrag sei mit dem Angebot einer nicht akzeptablen Summe verbunden und zudem zeitlich bis Mai begrenzt gewesen. Mühlbach betonte: „Wir geben den Hof nicht auf, wir betreiben ihn weiter. Aber mit weniger Platz und Reitmöglichkeiten“, bedauerte sie. „Wenn wir kommen, ist man dagegen“: Im Namen des neuen Eigentümers zeigt sich Jony Bassil als Verwalter indes verwundert über die Gegenwehr. Das Haus habe ein Jahr lang leer gestanden, jeder andere, der es jetzt unbedingt erhalten will, hätte es doch kaufen können, argumentiert er. In Rosdorf hätten andere Investoren in den vergangenen Jahren in großem Umfang neu gebaut: „Und jetzt kommen wir – und da ist man dagegen“, zeigt er sich erstaunt. Er widerspricht auch der Vermutung von Rosdorfern, dass er beziehungsweise seine Familie Eigentümer der abgerissenen Villa im Friedländer Weg in Göttingen ist. „Ich habe noch nie ein Haus abgerissen, im Gegenteil, ich habe viele zu neuem Leben erweckt.“ Die Fiegesche Villa allerdings sei in ihrer Bausubstanz marode. Sie zu sanieren, würde sich wirtschaftlich nicht darstellen lassen, so Bassil. Sie erreichen den Autor per E-Mail unter: u.meinhard@goettinger-tageblatt.de Eine Veränderungssperre ist ein juristisches Instrument, um Bauvorhaben zu unterbinden oder bestehende Planungskonzepte abzusichern. Zuständig für die Verhängung ist die jeweilige Gemeinde oder Stadt. Für Teile der Südseite der Straßen Bahnhofstraße und Hagenbreite in Rosdorf besteht noch kein Bebauungsplan, heißt es in einer Vorlage der Verwaltung Rosdorf. Die Genehmigung von Bauten regelt der Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Demnach sind Bauvorhaben zulässig, wenn sie sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksflächen in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Mit der näheren Umgebung sind jedoch nicht nur direkt die Grundstücke in einer Straße gemeint, sondern auch in anderen Bereichen. In dem Quartier in Rosdorf befinden sich in der Mehrzahl zweigeschossige Gebäude, bei geringer Ausnutzung der Grundstücksflächen. Die Häuser weisen zumeist zwei bis drei Wohneinheiten auf. Mit anderen Worten: Ein Wohnblock mit zwölf Wohneinheiten passt demnach nicht in den Rosdorfer Bereich an der Hagenbreite. Lesen Sie auch: Luhbachbrücke in Rosdorf wird abgerissen – das ist der Zeitplan Von Ulrich Meinhard

Umstrittenes Bauprojekt - Rosdorfer Bürger wollen alte Villa vor Abriss schützen