An Weser und Fulda: Radtour von Hann. Münden nach Hemeln

Eigentlich sind das Fahrrad und feucht-fröhliche Angelegenheiten zwei Dinge, die sich ausschließen: Zu groß ist die Gefahr, dass die Kelle kommt und mit ihr die große Ernüchterung. Doch es gibt Ausnahmen. Eine Radtour mit dem Schwerpunkt „Wasser erleben“ beispielsweise. Zwischen Hann. Münden und Hemeln lässt sich ganz wunderbar abtauchen. Start- und Zielpunkt der Rundtour ist der Parkplatz „Am Feuerteich“ in Hann. Münden. Damit das Thema des Ausflugstages gleich zu Beginn präsent ist, liegt dieser ganz in der Nähe des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Weser. Wer dort arbeitet, kennt sich nämlich aus: Die rund 400 Beschäftigten an den Standorten Münden und Verden sind zuständig für den Bau, die Unterhaltung und den Betrieb der Bundeswasserstraßen Fulda, Werra, Aller, Leine und für 354 Kilometer der Weser. Außerdem ist das Amt verantwortlich für die Bewirtschaftung der Diemeltal- und der Edertalsperre. Das sind die einzigen bundeseigenen Talsperren – wer hätte das gedacht. Auch alles rund um Freizeit- und Sportangebote in den Gewässern liegt in der Hand der Mitarbeiter. Doch statt Stand-Up-Paddling und Wasserski steht bei dieser Tour Radfahren auf dem Programm. Also weiter. Sehenswürdigkeiten in der Hann. Mündener Innenstadt: Über die Wilhelmsstraße geht es in Richtung Werraweg los – und schon in die Nähe des Wassers. Wer bisher keine Gelegenheit hatte, die Hann. Mündener Innenstadt mit Schloss und Markt und zahlreichen historischen Bauten genauer unter die Lupe zu nehmen, kann dies jetzt oder auch zum Abschluss der Tour tun. Vom Parkplatz einmal über die Straße –schon zeigt sich die erste Sehenswürdigkeit. Das Obere Tor gehörte einst zum mittelalterlichen Befestigungsring der Stadt und wurde als Stadttor erstmals im Jahr 1318 urkundlich erwähnt, ist zu lesen. Nach Aus- und Umbauten, Neubauten und Abrissen ist heute noch die Rotunde erhalten. Einen Klassiker unter den Sightseeing-Stopps können Ausflügler sogar vom Rad aus erleben – wenn sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Täglich um 12.15 und 17 Uhr sammeln sich Menschen auf dem Platz vor dem Rathaus, als würden sie magisch angezogen von der Melodie eines Glockenspiels. Sie betrachten den Figurenumlauf, der mit der Eisenbartmelodie unterlegt ist. Die nächste touristische Attraktion wartet bereits wenige Minuten später auf dem Weg zum Weserstein: die kleinste der Brücken Mündens. Sie zu queren ist allein Fußgängern vorbehalten, das Rad muss also unten bleiben. Es dürfte auch kaum möglich sein, damit die Treppe zur Hängebrücke zwischen Tanzwerder und westlichem Fuldaufer zu besteigen. Oben angekommen, gibt es eine tolle Aussicht und die Erfahrung, dass ein Mensch genügen kann, eine tonnenschwere Stahlkonstruktion zum Schwingen zu bringen. Jedenfalls wenn es sich um ein so filigranes Bauwerk wie die Brücke mit 72 Metern Spannweite handelt. Bereits in Sichtweite befindet sich der Weserstein und damit die Gelegenheit, das Motto „Wasser” ganz genau zu nehmen. Das geht allerdings nicht unbedingt spontan. Wer nämlich an einer der Schiffsrundfahrten, die dort starten, teilnehmen möchte, sollte im Vorfeld online oder in der Tourist-Info buchen, sonst sind die Plätze womöglich weg. Die kleine Rundfahrt dauert etwa eineinhalb Stunden und führt über Weser und Fulda. Erwachsene zahlen dafür 12,50 Euro, Kinder und Jugendliche 6,50 Euro. Wer aufs Schiff verzichten und ganz beim Radeln bleiben möchte, bewegt sich zurück zum Kasseler Schlagd, um die Route nach Hemeln anzutreten. Doch ohne Vorbereitung könnte das unter Umständen schwierig werden. Beschildert ist der Weg dorthin nämlich erst recht spät – und nach dem Weg fragen in einer Tourismus-Hochburg mitunter eine langwierige Angelegenheit. Einfach immer den Schildern nach Bad Karlshafen folgen, bis auch „Hemeln“ auf einem der weiß-grünen Helfer zu finden ist. Die Strecke führt aus der Stadt heraus und entlang der Bundesstraße sehr eben immer geradeaus. Dadurch ist sie im Grunde familienfreundlich. Der Weg ist allerdings recht schmal, Kinder sollten bereits sicher unterwegs sein. Vorbei an viel Grün und über kleine Fußgängerbrücken, auf denen Radfahrer absteigen sollten, geht es entspannt in Richtung Hemeln. Ist der Ort erreicht, geht es in Richtung Fähre vorbei an einer Dorfidylle wie aus einem Heimatfilm. Doch damit ist es vorbei, wenn als Ort der Einkehr die Gaststätte auf der rechten Seite gewählt wird: Leder, Tattoos, Bärte und glänzende Motorräder sind hier zu sehen – und zahllose Radfahrer, die auf einen der begehrten Plätze warten, um sich an alkoholfreiem Weizen, Softdrinks oder Apfelweinschorle zu laben und möglicherweise den Klassiker auf der Karte zu bestellen: Strammen Max gibt es fleischlos, mit Schinken oder Mettwurst, dazu Gurke. Nach der Stärkung, am nördlichsten Punkt der Route, dürfen Wasser und Rad nun endlich gemeinsam reisen: Mit der Fähre Veckerhagen-Hemeln geht es über die Weser. Dauert nur wenige Minuten, ist aber tatsächlich ein Erlebnis, wenn man bisher immer beim Übersetzen im Auto saß. Im Ort führt der Weg vorbei am Historischen Brauhaus Reinhardshagen. Die Veranda des Restaurants soll ab dem 17. Jahrhundert Treffpunkt für den „Kasseler Stammtisch“ gewesen sein. An diesem sollen unter anderem Dr. Robert Wilhelm Bunsen, Erfinder des Bunsenbrenners und der Wasserstrahlpumpe, und der französische Physiker Prof. Denis Papin, Erfinder des „Papinschen Topfs“ und des Sicherheitsventils, teilgenommen haben. Übernachtungsgäste haben vielleicht die Chance, noch mehr zu erfahren. Tagesgästen bleibt nur ein Blick von außen. Auch der Rückweg führt an der Straße entlang, bietet aber immer wieder eine tolle Aussicht auf Wasser, Grün und historische Gebäude. Da der Weg breiter ist als zuvor, aber absolut eben und sehr leicht zu fahren, fällt er ganz klar in die Kategorie „familienfreundlich“. Ebenso wie der Weg durch die Innenstadt, der an sonnigen Tagen fast wie von selbst zu einer Eisdiele führt, bevor es zum Parkplatz und damit nach Hause geht. Am Rande der Route: Das dürfen sich echte Weser-Fans nicht entgehen lassen: Die wohl spektakulärste Sicht über die Weser bietet der Weser-Skywalk bei Bad Karlshafen am Dreiländereck Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen/Hessen. Von unserer Radstrecke sind es dorthin etwa 30 Minuten mit dem Auto. Abstecher in die Geschichte: Entlang der Weser stehen mehrere Burgruinen in ganz unterschiedlichem Zustand. Die Burgruine Bramburg zwischen Hemeln und Glashütte ist durch einen sportlichen Spaziergang zu erreichen. Noch an der Werra, einige Kilometer vor Hann. Münden, liegt das Römerlager Hedemünden. Das Lager, das auf die Zeit um Christi Geburt datiert wird, gilt als ergiebige Fundstelle. Von Nadine Eckermann