Niedersachsen: Arbeitnehmer melden sich im Corona-Jahr häufiger krank

Erschöpft und ausgebrannt: In der Corona-Pandemie hat die psychische Belastung vieler Berufstätiger in Niedersachsen offenbar deutlich zugenommen. Laut Versichertendaten der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) mit Sitz in Hannover sind Arbeitnehmer zwischen Nordsee und Harz im vergangenen Jahr wegen psychischer Erkrankungen im Schnitt 42,9 Tage krankgeschrieben gewesen. Das sind 4,6 Tage mehr als noch 2019. Bei den Männern sind es sogar 5,6 Tage mehr. Corona-Maßnahmen hinterlassen Spuren: Zum Vergleich: Deutschlandweit betrug die durchschnittliche Krankheitsdauer im vergangenen Jahr 43,7 Tage. Das sind 4,2 Tage mehr als noch 2019. Den stärksten Anstieg um 7,1 Tage verzeichnete die KKH in Thüringen, den geringsten in Brandenburg und Hessen mit je 2,1 Tagen. Am häufigsten diagnostizierten Ärzte depressive Störungen, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie chronische Erschöpfung und Angststörungen. Lesen Sie auch: Wie wirkt die Corona-Krise auf die Psyche? „Ob die gestiegenen Fehlzeiten unmittelbar mit der Corona-Krise zusammenhängen, können wir an den Zahlen nicht erkennen“, sagt KKH-Wirtschaftspsychologin Antje Judick. Isolations- und Quarantänemaßnahmen sowie damit einhergehende Veränderungen im beruflichen und privaten Alltag hätten aber in jedem Fall ihre Spuren hinterlassen. Denn viele Berufstätige stehen nach wie vor wegen fehlender Kinderbetreuung, der Versorgung hilfebedürftiger Angehöriger, zunehmender Vereinsamung sowie aufgrund von Existenzängsten durch Kurzarbeit, Insolvenz oder Arbeitsplatzverlust unter Dauerstress. Motivationstief und Corona-Overkill: Mediziner in Hannover bestätigen die Zunahme an Patienten mit psychischen Problemen. „Motivationstief und Corona-Overkill führen häufig dazu, dass Menschen dringend eine Arbeitspause brauchen“, sagt ein Allgemeinmediziner aus dem Osten der Stadt, der seinen Namen nicht in der Öffentlichkeit nennen möchte. So seien grippale Infekte im vergangenen Jahr rückläufig gewesen, die Zahl der Patienten mit psychosomatischen Leiden sei dafür gestiegen. Eine Gemeinschaftspraxis in der Südstadt hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Viele Menschen leiden sehr unter der Pandemie. Und merken leider oft zu spät, dass sie am Rand einer Depression stehen“, so eine Internistin der Praxisgemeinschaft. Aber auch der Umgang mit der bislang unbekannten Situation und die dabei oftmals erlebte Hilflosigkeit erzeugten große Unsicherheit. Gerade für psychisch vorbelastete Menschen könnten sich solche einschneidenden Veränderungen zusätzlich negativ auswirken, glaubt Judick. „Und dass Arbeitnehmer im Schnitt deutlich länger krankgeschrieben sind, zeigt, dass es offenbar mehr langwierige Fälle gibt als vor der Pandemie.“ Von Susanna Bauch