HAZ-GlosseLüttje Lage: Die beste Krone aller Zeiten

Schon wieder auf dem Zahnarztstuhl. Es galt, eine Krone vorzubereiten. „Lassen Sie mal den Abdruck sehen“, sagt mein Zahnarzt zu seiner Helferin. „Na ja, geht so.“ An dieser Stelle möchte ich meinen tief empfundenen Dank einem Wirtschaftszweig ausrichten, der allzu oft in der Kritik steht: der Pharmaindustrie. Allen, die an der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von örtlichen Betäubungen beteiligt gewesen sein mögen, verlieh ich in diesen zwei Stunden gedanklich bunte Verdienstorden und reservierte ihnen Grabstätten auf meinem persönlichen Heldenfriedhof. Dank ihnen konnte ich der Prozedur ganz entspannt beiwohnen, während die Bohrer in meinem Mund surrten und kleine Zahnstücke um mich herumflogen. „Hm, könnte so klappen – mal weitersehen“, sagt mein Zahnarzt. Ich hatte sogar die Muße, die Gedanken zu meinem Großvater selig schweifen zu lassen, der leider sehr schlechte Zähne hatte. Er sagte immer, der schönste Tag seines Lebens sei der gewesen, als ihm der letzte Zahn gezogen wurde. Soweit ich mich erinnere, handelten seine Erzählungen vom Krieg immer vom Krieg mit Zahnschmerzen. Als sei Krieg ohne Zahnschmerzen nicht schon schlimm genug. „Joah ...“, sagt mein Zahnarzt. „Den Aufbau können wir wohl so lassen.“ Nun muss ich mich doch mal zu Wort melden: „Hören Sie mal, vertrauenserweckend klingt das nicht gerade“, nuschelte ich. „Wie wär’s denn mal mit: ,Dolle Arbeit, so einen präzisen Abdruck hab’ ich ja noch nie gesehen, das wird die beste Krone aller Zeiten!‘“ Er schaut mich verblüfft an. „So bin ich noch nie gewesen. Es gibt immer noch was zu verbessern. Loben Sie sich jedes mal über den grünen Klee, wenn Sie ’nen Artikel geschrieben haben?“ „Naja“, sage ich. „Wenns gut läuft, machen das andere.“ „Na, dann machen Sie mal.“ Schönen Dank, gute Arbeit. Lüttje Lage: Hier finden Sie weitere lustige Texte aus unserer Serie Von Rüdiger Meise