Hannover: Im Corona-Lockdown werden mehr Kinder dicker

Der lang anhaltende Corona-Lockdown wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Kinder aus, vor allem beim Gewicht. Schon im ersten Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres hätten viele Kinder deutlich zugenommen, berichtet der Kinderarzt Felix Reschke vom Kinderkrankenhaus auf der Bult. Das hätten Studien in unterschiedlichen Städten gezeigt und sei übertragbar auf die Region Hannover. „Es kommt auf das Elternhaus an“: Im vergangenen Frühjahr hatten das auch die Ärzte bei den Schuleingangsuntersuchungen in der Region Hannover beobachtet: Der Anteil übergewichtiger Mädchen und Jungen hatte im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt, von 5,4 auf 7,8 Prozent. Auch der Anteil von Kindern mit extremen Übergewicht ist innerhalb eines Jahres gestiegen: Von 4,1 auf 5,6 Prozent. Reschke hat allerdings einen großen Unterschied je nach Herkunft der Kinder festgestellt. Bei Kinder aus sozial schwächeren Familien gebe es deutlich häufiger eine Gewichtszunahme, als bei Mädchen und Jungen aus Familien mit einem höheren Bildungsniveau. Das hänge dann auch oft damit zusammen, dass die Kinder aus sozial schwächeren Familien jetzt ohne Schulunterricht noch mehr auf sich allein gestellt seien, meint der Experte. Denn deren Eltern arbeiteten häufiger in Berufen, in denen die Präsenz am Arbeitsplatz gefordert sei und man nicht aufs Homeoffice ausweichen könne, erläutert Reschke. „Die Kinder sind dann also oft den ganzen Tag auf sich selbst gestellt.“ Das berge die große Gefahr zu schlechter Ernährung beispielsweise mit viel Tiefkühlpizza oder Chips. Bewusster Umgang mit dem Thema Ernährung: Und ein weiteres Problem kommt nach Ansicht des Kinderarztes hinzu: Übergewichtige Kinder neigten häufig dazu, sich sozial zu isolieren. „Die Kinder gelangen so in einen Teufelskreis, das macht alles noch schlimmer“, betont er. Die Kinder, deren Eltern während der Pandemie im Homeoffice arbeiten könnten, hätten oft ihr Familienleben im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Pandemie umgestellt: Oft setzten sich die Eltern wesentlich bewusster mit dem Thema Ernährung auseinander, es werde gemeinsam eingekauft und gemeinsam gekocht. „Eltern sind Vorbilder“: Kinderarzt Reschke rät Eltern von Jungen und Mädchen mit Gewichtsproblemen, auf ihre Vorbildfunktion zu achten. „Das geht beim Essen los“, berichtet er. Wenn man häufig Bratwurst mit Pommes esse, mache das das Kind eben auch. „Und wenn ich stundenlang vor dem Fernsehgerät sitze, wird das Kind kaum eine Runde Fahrrad fahren, wenn ich es dazu auffordere“, berichtet er. Der Mediziner verweist auch auf „ KICK“, ein spezielles Programm des Kinderkrankenhauses auf der Bult für Kinder mit Übergewicht. Begleitet von Ärzten, Psychologinnen und Ernährungsberaterinnen lernen die Kinder unter anderem den Umgang mit gesunder Ernährung und einen selbstbewussten Umgang mit anderen Kindern. Von Mathias Klein