Da wir im März einem hannoverschen Sommer noch nicht vertraut haben, haben wir Neapel gebucht – für ein bisschen Sonne Ende August. Nun ist es mit dem Wetter ja bekanntlich anders gekommen, und so musste auch schon im Frühsommer neue Badebekleidung her. Vor allem für die meisten Frauen ein totaler Albtraum. Eigentlich geht nur Neoprenanzug, der sportliche Einteiler ist eine Alternative am Rande der Schamgrenze. Mutigere haben einen Tankini im Schrank – das ist ein Fake-Bikini, da er zwar aus zwei Teilen besteht, die obere Hälfte allerdings lückenlos zum Unterteil aufschließt. Etwas ungünstig fürs Turmspringen, aber das kommt bei uns nur noch selten vor.
In den hannoverschen Freibädern und Seen fühlen wir uns gut verpackt auch halbwegs gut aufgehoben. Am Stadtstrand von Neapel aber war dann alles anders. Anständig verhüllt machten wir es uns zwischen Stadtautobahn und Kreuzfahrtschiffen auf bunten Plastikliegen bequem und schauten aufs Mittelmeer. Dort, wo kleine Wellen sich am Ufer brachen standen sie – die italienischen Frauen, die sich zum Fußbad mit stundenlangem Tratsch treffen. Unabhängig von Körperumfang und Alter tragen sie allesamt knappe Bikinis, mit Tangahöschen oder Modellen im „Brasilia-Style“, bei denen man nie genau weiß, ob sie gerade richtig herum angezogen sind. Die Oberteile sind gebundene Dreiecke mit Bindfäden, die sich auf zuweilen recht üppigen Oberweiten verlieren. Die stofflichen Lücken füllen Leib und Seele.
Wir sind begeistert über so viel Selbstbewusstsein und Mut zur Lücke. Noch am selben Tag shoppen wir den ersten Bikini nach gefühlt 20 Jahren, am Strand in Neapel fühlen wir uns großartig. Zum sonntäglichen Schwimmtreff im Lister Bad allerdings sind alle wieder im Sportbadeanzug gekommen. Irgendwie wollen wir hier nicht auffallen, die Idee vom lässigen Vorbild in Sachen freizügiger Bademoden war plötzlich ziemlich theoretisch. Schade eigentlich, denn nach diesem Sommer hätte uns ein bisschen mehr süditalienische Lebensart auch am hannoverschen Beckenrand ganz gut gestanden. Genauso wie der „Brasilia-Style“.
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Von Susanna Bauch