Landesweit beklagen Rathausspitzen eine zunehmende Aggressivität von Bürgern gegenüber Mitarbeitern. Das Thema kennt man auch in Hannover. Immer öfter komme es in der Stadtverwaltung zu „unangemessenem, respektlosem und teilweise aggressivem Verhalten gegenüber den Beschäftigten“, sagt Stadtsprecher Udo Möller. Im Regionshaus hat die Verwaltung im vergangenen August Zahlen dazu abgefragt. Demnach hat es in 18 Monaten 17 Übergriffe gegeben – einmal sogar mit einem Küchenmesser.
Ausländerbehörde am häufigsten betroffen
Detailliert listet die Dokumentation auf, in welchem Fachbereich der Regionsverwaltung die meisten Übergriffe passieren. Mit sieben Fällen ist das Team Zuwanderung am stärksten betroffen gewesen, im Team Veterinärwesen gab es drei Vorfälle, dort allerdings offenbar auch die mit körperlicher Gewalt und Küchenmesser. Die Aufstellung der Vorkommnisse gibt dazu zwar keine direkte Auskunft. Weil aber nur zwei Vorfälle zur Strafanzeige gebracht wurden und beide im Veterinäramt stattfanden, liegt der Schluss nahe. Ebenfalls drei Vorfälle gab es in der Clearingstelle, die für Inobhutnahmen zuständig ist, zwei im Fachbereich Soziales und je eine im Bürgerbüro und im Jobcenter.
Meistens verbale Drohungen oder Beleidigungen
Von den 17 dokumentierten Übergriffen im Regionshaus waren offenbar 15 rein verbaler Natur, also Beschimpfungen, Beleidigungen oder Drohungen – was Straftatbestände sind. Sie seien aber nicht zur Anzeige gebracht worden, weil die Betroffenen wenig Sinn darin gesehen hätten, heißt es in der Stellungnahme der Region. In zwei Fällen sei es zu „unerwünschten Berührungen, zum Beispiel durch Festhalten an den Oberarmen und Schütteln“ gekommen, in einem Fall auch zu der Bedrohung mit dem Küchenmesser.
Bei der Region gibt es Notfalltelefone
Die Region habe nach Vorfällen mit Kriseninterventionen und Opferbetreuungen reagiert, heißt es in der Stellungnahme. Zudem sei im Bürgerbüro ein Sicherheitsdienst installiert worden, die neue Telefonanlage habe Notfallapparate erhalten, die unabhängig von der Stromversorgung und den normalen Telefonen arbeiteten. Zudem würden schon seit 2014 Sicherheitsschulungen durchgeführt.
Stadt setzt auf Deeskalationstraining und Notrufsysteme
Bei Hannovers Stadtverwaltung sind noch keine Statistiken über Gewaltvorfälle abrufbar. Man registriere aber in bestimmten Bereichen „eine wachsende Zahl angedrohter und ausgesprochener Hausverbote wegen Fehlverhalten“, sagt Sprecher Möller. Die Stadt bereite derzeit ein Konzept zum Schutz der Mitarbeiter vor Gewalt vor.
Beschimpfungen im Rathaus Springe
Im Rathaus in Springe waren Kunden kürzlich aggressiv geworden, die sich über die Straßenausbeiträge beschwerten. Zwei städtische Mitarbeiterinnen seien beschimpft, beleidigt, angefasst und bedroht worden, berichtet Bürgermeister Christian Springfeld. Ein Mann habe in den Büroräumen randaliert, habe den Frauen Gewalt angedroht und konnte nur von mehreren Männern aus der Verwaltung zur Räson gebracht werden. Künftig werden dort persönliche Beratungstermine nur noch nach vorheriger Terminvereinbarung angeboten.
Städtetag fordert schärfere Gesetze
Einer neuen Studie des Niedersächsischen Städtetags zufolge wurden 40 Prozent der Kommunalbeamten schon einmal körperlich angegriffen. Jeder dritte ist mindestens einmal pro Woche verbalen Angriffen ausgesetzt, 20 Prozent hätten sexuelle Übergriffe erlebt. Häufig seien es betrunkene Bürger gewesen, die in den Rathäusern randaliert hätten. Als Gründe für den hohen und wachsenden Aggressionsgrad werden „geringe Frustrationstoleranz, problematische Einstellungen und Werte sowie falsche Erwartungen und Fehleinschätzungen“ der Kunden an die Verwaltung genannt. Niedersachsens Städtetagspräsident Ulrich Mädge hält eine Verschärfung des Gesetzesrahmens bei Bedrohungen für nötig, wie sie Landesjustizministerin Barbara Havliza (CDU) anstrebe. „Gerne müsste bei Bedrohungen im Internet der Klarname auftauchen wie bei Leserbriefen auch, sodass wir rechtlich vorgehen könnten“, sagt Mädge.
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Von Conrad von Meding