Pferde preschen durch die Manege. Pferde aus Sternenstaub. Pferde aus dem Computer. Auf einer heruntergelassen, dünnen, durchsichtigen Nylongardine. Pixelelefanten kommen auch noch. Und Goldfische.
Es ist ein kurzer Blick in die Glaskugel zu Beginn der Roncalli-Show, die bis zum 6. Oktober auf dem Waterlooplatz gastiert. Könnte Zirkus irgendwann so aussehen? Eine Videoshow, vielleicht sogar interaktiv? Zeigen möchten Direktor Bernhard Paul und sein Team zunächst einmal, dass es geht. Und dass Zirkus bei aller Tradition den Zeitgeist nicht ganz verschlafen darf. „Storyteller: Gestern – Heute – Morgen“ heißt das Programm, es möchte die Zirkusgeschichte aufrollen, wie Paul vor der Premiere erklärt. Tiere gehören dazu, aber Tiere im Zirkus sind heute umstritten. Roncalli hat sie aus dem Programm gestrichen – und holt sie mit Beamer und Nylonwand wieder rein. Eine kurze, nette Spielerei, nicht mehr und nicht weniger.
Clowngenerationen treffen aufeinander
Die Manege gehört dann aber Künstlern mit echten Körpern, so interaktiv, wie man es sich im Zirkus wünscht. Allein schon die Armada von Clowns sorgt für dauerhaften Publikumskontakt – und sie sind so poetisch-melancholisch, wie man es von Roncalli kennt. Auch hier treffen schon zu Beginn Generationen aufeinander mit dem klassischen Weißclown Genzi, dem der junge Chistirrin in die Parade fährt. Chistirrin ist Jongleur, Akrobat, Musiker und Komiker, und wenn der Mexikaner in der Pause auch noch die veganen Speisen im Foyer verkaufen würde, müsste man sich auch nicht wundern. Ein irrer Typ.
Der Zirkus macht sich selbst zum Thema. Wenn das einer darf, dann Roncalli, dann Bernhard Paul, der die Entwicklung dieser Unterhaltungssparte mitgeprägt und dieses Tradition-Moderne-Spiel immer vorangetrieben hat. Er hat sich die Hologramm-Geschichte ausgedacht. Aber er ist auch derjenige, der darauf besteht, die Zirkuswagen mit Blattgold zu verzieren anstatt einfach die Sprühdose zu nehmen.
Ein beatboxender Lokalmatador
So werden klassische Elemente wie Luft- und Handstandakrobatik immer ihren Platz haben. Unter der hohen Kuppel fliegen die Cedenos Brothers durch das Zelt und werden zu Live-Musik vom Roncalli-Orchester von den 1500 Premierenzuschauern gefeiert. Um dann wieder der Mundakrobatik des hannoverschen Beatbox-Clowns Robert Wicke zu lauschen. Und dann dem Akrobatikroboter „Pauline“ zuzusehen, der sich als verlässlicher, höhensicherer Turnpartner erweist.
Es gibt viel Jubel und Applaus für dieses Roncalli-Programm. Weil es eben kein digitaler Zirkus ist, sondern eine echte Show.
Lesen Sie auch
So funktionieren die Hologramme in der Manege
Der Roncalli-Zug ist eingetroffen
Bis zum 6. Oktober, mittwochs bis freitags 15.30 Und 20 Uhr, sonnabends 15 und 20 Uhr, sonntags 14 und 18 Uhr. Karten an den HAZ-Ticketshops oder unter (0511) 36 73 99 99. Infos auf roncalli.de
Von Uwe Janssen