Absage der Händel-Festspiele Das sind die Gründe Corona

Die Internationalen Händel-Festspiele 2020 sind abgesagt. Dies haben die Gesellschafter und der Aufsichtsrat der Göttinger Händel-Festspiele beschlossen. Christoph Oppermann hat mit Festspiel-Intendant Tobias Wolff über die Absage gesprochen. 100 Jahre Internationale Händel-Festspiele in Göttingen ohne Festspiele. Welch ein Trauerspiel! Was hat letztlich den Ausschlag gegeben, zu diesem Zeitpunkt abzusagen? Nach den Entwicklungen der letzten Woche wüsste ich gar nicht, welches Programm ich anbieten sollte. Wer weiß denn heute, welche unserer Künstler*innen im Mai aus Italien oder den USA überhaupt nach Deutschland einreisen können? In 26 Tagen hätten die Proben für die Oper begonnen. Ende der Woche sind einige unserer Stornofristen. Außerdem sind die Karteneinnahmen massiv eingebrochen. Ich musste jetzt einfach die Reißleine ziehen. Wer hat den Anstoß zur Absage der Festspiele gegeben? Im Prinzip war es eine Gemeinschaftsentscheidung aller Gesellschafter, des Aufsichtsratsvorsitzenden und der Geschäftsführung. Welche Folgen hat die Absage in finanzieller, organisatorischer und künstlerischer Hinsicht? Finanziell: Stiftungsmittel, Kartenverkäufe und Sponsoring hängen alle an der Durchführung der Festspiele. Rein rechnerisch hätten wir ein größeres sechsstelliges Minus. Die öffentlichen Geldgeber Land, Stadt und Landkreis haben aber bereits signalisiert, dass wir auch bei Ausfall der Festspiele auf ihre Hilfe zählen können. Ich bin zuversichtlich, dass sich auch unter den anderen Förderern viele finden werden, die uns weiterhin zur Seite stehen. Organisatorisch: Salto rückwärts. Ich habe gerade ca. 250 freiberuflichen Künstler*innen den Vertrag gekündigt. Ab nächster Woche versuchen wir aus den Trümmern ein Programm für 2021 zu stricken. Künstlerisch: Was soll ich sagen? Ohne Künstler und ohne Publikum keine Kunst. Können Sie den finanziellen Schaden benennen? s.o. Hat die Absage Konsequenzen für das Festspieljahr 2021? Wenn wir Teile des diesjährigen Festspielprogramms im kommenden Jahr spielen möchten, müssen wir wahrscheinlich den bereits angefragten Künstler für 2021 absagen. Wie wird jetzt der Ticketverkauf rückabgewickelt? Wir werden unser Publikum zunächst bitten, auf die Rückzahlung der Eintrittsgelder zu verzichten, damit wir eine Chance haben, auch unseren vielen freiberuflichen Künstlern eine symbolische Ausfallgage zu zahlen. Denen geht es jetzt nämlich ganz besonders schlecht. Wir sind ja nicht die einzigen, die absagen. Die Zeit um Ostern ist nach Weihnachten die umsatzstärkste Zeit im Jahr. Ich habe wirklich Angst, dass die strahlenden Sänger*innen oder Instrumentalist*innen, die letzte Woche noch gut von ihren Konzerten und Opernproduktionen leben konnten, unverschuldet in existenzielle Not geraten. Hier müssen wir als Veranstalter und als Gesellschaft Verantwortung übernehmen! Gibt es zumindest Aussicht auf „Festspiele light“ oder Teile des Programms zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr? Das Programm, wie wir es über mehr als fünf Jahre geplant haben, lässt sich nicht verschieben oder wiederholen. Einzelne Veranstaltungen werden wir wohl über das Jahr verteilen. 2021 werden wir versuchen, einen großen Teil der Veranstaltungen in unserem bereits avisierten Festspielzeitraum unterzubringen. Wie gehen die anderen „Händel-Zentren“ in Deutschland mit der Corona-Krise um? Die Festspiele in Karlsruhe finden ja immer an Händels Geburtstag im Februar statt, da gab es noch gar keine Einschränkungen. Ob und in welcher Form das Festival in Halle stattfindet, kann ich nicht vorhersagen. Mit dem Intendanten Clemens Birnbaum bin ich in engem Kontakt – nicht zuletzt wegen unserer Kooperationsprojekte, die ja so nicht mehr stattfinden können. Sie und Ihr Team haben viel Energie und Zeit aufgewandt, um das Programm zusammenzustellen. Wie geht es jetzt weiter? Ich bin sehr stolz auf mein Team, das in den letzten Tagen effizient die notwendigen Vorbereitungen für die Absagen getroffen hat. Nun schließen wir die Geschäftsstelle bis einschließlich 17. April und machen das Nötigste aus dem Homeoffice. Haben Sie bereits eine Idee, wie die nächste Saison aussehen könnte? Ich habe viele unterschiedliche Ideen. Keine davon ist spruchreif. Womit trösten Sie Ihre Kunden, Ihr Team und sich selbst? Mit den CDs unseres FestspielOrchesters Göttingen oder dem Stream der letzten 10 Opern auf der Webseite von NDR Kultur. Mit vielen Telefonaten mit lieben Freunden und Kollegen. Von Christoph Oppermann

Corona - Absage der Händel-Festspiele: Das sind die Gründe