Buchtipps 2020: Romane, die auf Grenzen weisen

Für den Buchhandel war 2020 ein gutes Jahr. Die Situation vieler Menschen durch die Corona-Pandemie brachte vielen freie Zeit zum Lesen. Momentan führen die durch die Pandemie erneut bedingten Einschränkungen wieder dazu, dass vieles ausfällt. Für Lesestoff ist wieder Zeit – und ein gutes Geschenk sind Romane und Krimis, Sachbücher und Ratgeber allemal. Eine Auswahl von Büchern des Jahres 2020 stellt Angela Brünjes vor.„Auf der anderen Seite des Flusses“ will Lucas etwas erledigen, was sein Leben verbessern soll: er will in Montevideo das Geld abholen, das ihm aus Honorarverträgen zusteht. Damit ist er wieder zahlungsfähig. Morgens fährt er hin, abends kommt er zurück - „übel zugerichtet, schuldig und viele Kilometer auf dem Buckel“. Pedro Mairal beschreibt in seinem neuen Roman einen Tag, der einen Menschen und sein Leben verändert. Dem argentinischen Schriftsteller gelingt es, die Gefahren der Alltäglichkeit zu beschreiben. Er schildert, mal nachrichtlich, mal ausschmückend bis ins Feinste, einen schicksalhaften Tag im Leben von Luca mit Begebenheiten und Begegnungen, mit Liebe und Sex, mit Geld und Literatur. Spannender Roman, der in Argentinien und Spanien ein Bestseller wurde. (Mare, 20 Euro) Lesen Sie auch Spannende Kurzkrimis für den guten Zweck Buchtipps 2020: Werke aus Göttingen Buchtipps 2020: Wissenschaftliche Bücher Buchtipps 2020: Dreimal Spezielles „Streulicht“liegt über dem Ort, weil die qualmenden Industrieschlote selten Sonnenlicht durchlassen. Eine Kindheit im deutschen Arbeitermilieu mit all ihren Einschränkungen daheim und den Vorbehalten von Erwachsenen aus anderen Gesellschaftsgruppen draußen beschreibt Deniz Ohde in ihrem Debütroman. In der Schule soll sie nicht so sensibel sein, meint die Lehrerin nach einem Angriff von Mitschülern. Vater und Großvater behandeln sie so, wie sie Frauen behandeln – Dienstboten. Das Mädchen nimmt sich vor, ein dickes Fell zu bekommen. Jahre später kehrt es als junge Frau und Akademikerin zurück an den Ort im Streulicht. Ohde, mit dem Titel „Streulicht“ für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert, beschreibt die Zeit als das Schlagwort Chancengleichheit schon überholt schien in einem analytischen Stil. Und schlägt so den Bogen zu aktuellen Debatten um ein gerechtes Bildungssystem, das immer noch unerreicht ist. (Suhrkamp, 22 Euro) „Aufprall“lässt sich nennen, was in den 1980er-Jahren jungen Menschen in West-Berlin widerfuhr, wenn Berlin (West) für sie Neuland war. In der Stadt sorgte nicht nur die Mauer dafür, dass junge Leuten schnell an eine Grenze kamen. Aber Grenzen waren nichts in Zeiten von Punks, Kommunisten, Atomkraft-Gegnern, Hausbesetzern und weiteren Berliner Zugezogenen der Jahrgänge von 1950 und 1960. Der Soziologe Heinz Bude, die Künstlerin Bettina Munk und die Schriftstellerin Karin Wieland kennen sich aus Berliner Wohngemeinschaftszeiten. Über das letzte Jahrzehnt der Mauer und das Leben junger Menschen in West-Berlin zu der Zeit haben sie gemeinsam einen Roman geschrieben – eine wunderbare Zeitreise zurück in wilde Zeiten mit wichtigen politischen Entwicklungen. (Hanser, 24 Euro) Von Angela Brünjes