Göttingen: Von Wallmoden vom Wallstein-Verlag ist „Verleger des Jahres“

1986 war er Mitbegründer des Göttinger Wallstein-Verlags, heute ist er dessen Geschäftsführer, und vor kurzem ist Thedel von Wallmoden vom Branchenmagazin „Buchmarkt“ zum „Verleger des Jahres“ 2020 gekürt worden – eine Auszeichnung, die den 62-Jährigen umso mehr freut, da sie de facto von Verleger-Kollegen vorgenommen wird. „Es hat sich eingebürgert, dass die bisherigen Verleger des Jahres den nächsten bestimmen, und insofern ist es natürlich eine schöne Anerkennung. Es hat den großen Charme, dass man von Leuten, die das beurteilen können, in Betracht gezogen wird“, sagt von Wallmoden. Er selbst sei überrascht gewesen. „Ich dachte, es geht darum, wie oft man auf der Spiegel-Bestsellerliste vertreten ist, und nicht, dass Programmarbeit als bemerkenswert gesehen wird.“ Im Mai gab es bereits den Deutschen Verlagspreis: Erst im vergangenen Mai erhielt der Wallstein-Verlag den Deutschen Verlagspreis, und mittlerweile nimmt die Tätigkeit der Danksagung eine durchaus beachtliche Zeit in Anspruch: „Wir waren zwei Tage damit beschäftigt, uns für Glückwunsche zu bedanken. Es war vollkommen überwältigend“, sagt von Wallmoden. Lesen Sie auch Thema des Tages: 30 Jahre Wallstein-Verlag Göttingen Göttinger Wallstein Verlag: Autor erhält Österreichischen Buchpreis Lukas Bärfuss, Autor des Göttinger Wallstein Verlages, erhält Georg-Büchner-Preis 2019 Das Geheimnis des Erfolgs – „ist so geheim, dass wir es selbst nicht wissen“, sagt der Göttinger Verleger bescheiden. Natürlich ist ihm aufgefallen, dass Bücher aus seinem Verlag „ein- bis zweimal pro Woche in den Feuilletons besprochen werden“. Ein glückliches Händchen bei der Auswahl sei natürlich wichtig, aber eher sei das Programm des Verlags von langer Hand geplant. Und deshalb: „Da sind mehrere Flossen im Einsatz“, so von Wallmoden. „Bei der Programmentscheidung gibt es sehr viele Gespräche, und sie wird zusammen mit dem umfangreichen Lektorat entwickelt“, berichtet der Verleger. Sein Eindruck ist, dass das Wissenschaftsprogramm „in der Breite sehr wahrgenommen“ werde und die Gegenwartsliteratur sich sehr erfolgreich entwickelt – Büchner-Preis 2019 für Lukas Bärfuss, Peter-Huchel-Preis 2020 für Henning Ziebritzki. Thedel von Wallmoden hat in Tübingen und Göttingen Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und gründete in Göttingen 1986 zusammen mit Dirk und Frank Steinhoff den Wallstein-Verlag. Der erste große Bucherfolg des Verlags war das Erinnerungsbuch von Ruth Klüger „Weiter leben. Eine Jugend“. Von Wallmoden ist Mitbegründer des Literarischen Zentrums Göttingen und 1994 der Versandbuchhandlung Velbrück GmbH, deren Gesellschafter er ist. Er war 1998 Gastprofessor an der Universität Essen und erhielt Lehraufträge an der FU Berlin sowie an den Universitäten in Göttingen, Tübingen und Heidelberg. Zudem war er als Berater unter anderem für den Suhrkamp-Verlag tätig. Von 2004 bis 2012 war von Wallmoden Vorsitzender der Stiftung Buchkunst, seit 2018 ist er Vorsitzender der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und gehört seit 2016 dem Beirat der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) an. Ein weiteres Feld, das von Wallstein erfolgreich beackert wird, ist außerdem das der Klassiker. „Sie werden in einer Intensität gekauft, die uns selbst überrascht“, sagt von Wallmoden. Die Entscheidung sei „aus Interesse an der Sache“ heraus gefallen und weil es viele Klassiker-Buchreihen nicht mehr gebe. „Es ist eine Art Nische“, sagt von Wallmoden. Die Corona-Krise ging für den Wallstein-Verlag mit einem großen Schrecken einher: „Als am 16. März der erste Lockdown begann, gingen die Buchverkaufszahlen für drei Wochen dramatisch in den Keller, wir glaubten uns am Abgrund“, berichtet der Verleger. Doch bereits im Mai sei die Delle ausgeglichen gewesen, und noch vor dem zweiten Lockdown habe man „deutlich über dem sehr guten Ergebnis 2019“ gelegen. „Das hätten wir im März nie für möglich gehalten. Vielleicht wird mehr gelesen, vielleicht gibt es eine neue Konzentration.“ Vor allem belletristische Autoren hätten Unterstützung nötig: Unterstützung haben laut von Wallmoden vor allem die belletristischen Autoren nötig, die ohne Lesehonorare und mit vielfach nur geringer Unterstützung praktisch „seit März in die Röhre gucken“. Deshalb, aber auch wegen der Buchhandlungen sei entschieden worden, im Frühjahr 2021 ungeachtet der Entwicklung planmäßig zu publizieren. „Wir müssen alles daran setzen, dem stationären Buchhandel, so weit es geht, unter die Arme zu greifen“, sagt der Verleger. Der Verleger Ernst Rowohlt habe seine Epigonen darauf hingewiesen, dass sie „den blödesten Beruf der Welt“ haben. Er selbst, sagt von Wallmoden, sei „durch große Zufälle dazugekommen“: Als Student habe er in einem Antiquariatsbuchhandel gejobbt, dann als einer der ersten in den 80er-Jahren Texte elektronisch erfasst – für Wallstein eine Art Erfolgsformel. „Für mich ist es insofern der schönste Job der Welt, als ich mich mit Gegenständen beschäftigen kann, die mich inhaltlich ansprechen und künstlerisch begeistern“, sagt der Verleger. Wenn man buchstäblich bei Null angefangen habe, „freut man sich, wenn es funktioniert“. Von Eduard Warda