Göttinger Kultursommer: Felix Reuter über sein Programm „Der verflixte Beethoven“

Die Klavierkonzerte von Felix Reuter sind eine humorvolle Klassikshow. Der Pianist und Komödiant holt Beethoven vom Sockel des scheinbar grimmigen Künstlers: Humorvoll erzählt er aus dessen Leben und spielt seine Werke als kämen sie aus der heutigen Zeit – als Swing, Popsong oder Werbemelodie. Anlässlich Beethovens 250. Geburtstag in diesem Jahr gastiert er mit seinem Programm „Der verflixte Beethoven“ am Samstag, 1. August 2020 im Alten Rathaus. Das Tageblatt fragte zuvor den Pianisten, ob Beethoven Humor hatte und wie er aus dessen „Pathétique“ einen Blues formte. Das Konzert in Göttingen ist ihr erster Auftritt nach der Corona-Zwangspause. Wie fühlt sich das an? Wieder zu spielen ist für mich nicht selbstverständlich nach so einer langen Pause. Am 13. März hatte ich bei Dieter Hallervorden im Berliner Schlossparktheater den letzten Ton angeschlagen. Ich freue mich, dass ich in Göttingen am 1. August dann wieder meinen ersten Ton öffentlich spielen kann. Ich bin sehr gespannt, sehr motiviert und freue mich auf die Zuschauer und die Corona-Regeln – die man natürlich einhalten muss. Ich finde es gut, dass wir alle versuchen wieder an das Normale zu kommen. Als Pianist und Musikkomödiant gastieren Sie mit Beethoven-Programm. Lassen Sie uns spekulieren: Hatte Beethoven Humor? Oh – ich sag mal Ja. Wenn man so einen Ideenreichtum in seinem Kopf hat, kann man nicht so grimmig durch die Welt gehen, wie es ihm manchmal nachgesagt wurde. Ich glaube nicht, dass Beethoven grimmig war. Seine Musik hat ja sehr lustige Varianten. Lesen Sie auch: Corona – was wird aus dem Göttinger Kultursommer? Braucht Beethoven vielleicht deshalb auch einen Entertainer wie Sie, der ihn vom Sockel des ernsten Titanen holt und ihm ein neues, fröhlicheres Image gibt? Das glaube ich schon! In meinem Programm geht es ja um seine bekanntesten Melodien der Sonaten und Symphonien. Da picke ich mir die Stellen heraus, die alle Konzertbesucher kennen könnten. Über seine Melodien spiele ich dann auch mal einen Swing oder einen Bossa Nova. Dazu gibt es spektakuläre Geschichten. Beispielsweise erzähle ich, wie ich mir vorstellen könnte, wie Beethoven die Elise wirklich kennengelernt hat. Über diese Geschichte gibt es ja so viele Versionen und keiner weiß welche stimmt – und von mir gibt es jetzt noch eine neue Version dazu oben drauf. Versuchen Sie jenseits der trockenen biografischen Daten Beethoven eine menschliche Seite zu vermitteln? Ja, das ist mein Ziel. Es gibt unglaublich viele Biografien über ihn. Die erste Biografie schrieb sein eigener Sekretär, der viel dazu gedichtet und weggelassen hat. Er wollte Beethoven auf einen großen und hohen Sockel heben. Heute weiß man: Beethoven war nicht so grimmig. Er hörte seine Mitmenschen nicht mehr und zog sich deshalb aus der Öffentlichkeit zurück – das würde jeder andere Mensch auch machen. Lesen Sie auch: Göttinger Kultursommer – das Programm Ihr Programm heißt „Der verflixte Beethoven“. Was ist an diesem Komponisten so verflixt? Der Namen entstand, weil ich auch Programme spiele wie „Der verflixte Mozart“ oder „Der verflixte Bach“. In jedem Jubiläumsjahr widme ich mich einem ganz bestimmten Komponisten. Der Begriff „verflixt“ hängt auch ein bisschen mit meinem Namen zusammen. Zudem stelle ich eine verflixte Situation dar – komödiantisch wie auch musikalisch. Was hören die Besucher beim Göttinger Konzert im Alten Rathaus? Ich spiele eine ganze Menge Sonaten ganz kurz an. Die Besucher hören das Original und eine von mir gemachte Versionen – von „Freude schöner Götterfunken“ genauso wie mehre Varianten von „Für Elise“. Ich zeige aber auch Diebstähle wo Beethovens Musik in der Werbung wieder auftaucht. Wie war ihr eigener Zugang zu Beethoven? War es Liebe auf den ersten Blick – beziehungsweise auf den ersten Höreindruck? An der Musikhochschule in Weimar bin ich zum ersten Mal mit Beethovens Sonaten und Sinfonien in Berührung gekommen. Aber es war keine Liebe auf den ersten Blick. Ich fand seine Musik relativ kompliziert. Sie ging nicht so schön ins Ohr wie ich es von Mozart oder Haydn gewöhnt war. Aber ich habe mir gedacht: Ich will die Musik begreifen! Lesen Sie auch: Veranstaltungen werden trotz sinkender Infektionszahlen abgesagt Und wie haben sie es geschafft? Nach meinem Studium habe ich viele Konzerte gespielt und dabei viel über die Komponisten erzählt, beispielsweise habe ich aus Briefen vorgelesen. Das war vor zehn Jahren. Da wollte ich dann wissen, was an Beethoven so modern war und warum er seiner Zeit so voraus war. So habe ich die Unterschiede erst richtig herausgehört. Und dann ging die Begeisterung los. Deswegen hatte ich mich auch so auf sein diesjähriges Jubiläum gefreut. Ich habe in Wien und Bonn recherchiert und dort Kontakte geknüpft. Daraus hat sich dann das Programm entwickelt. Welches ist ihr liebstes Beethoven-Stück geworden? Da will und kann ich mich nicht festlegen. Ich mag sehr gerne seine Klaviersonaten. In den langsamen Sätzen gibt es Melodien und Ohrwürmer, die könnte man heute in der Popmusik wiederfinden. So ist die „Pathétique“ eine Sonate, da kennt man jeden Ton. Ich habe das Stück zum Teil in andere Tonarten gesetzt und spiele beispielsweise den dritten Satz als einen coolen Blues. Interview: Udo Hinz Felix Reuter gastiert am Sonnabend, 1. August, ab 20 Uhr im Alten Rathaus, Markt 9 in Göttingen. Tickets gibt es unter anderem beim Göttinger Tageblatt, Wiesenstr. 1. Felix Reuter ist Pianist und Musikkomödiant, Improvisationskünstler und Entertainer. Der 1972 in Jena geborene Musiker studierte an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar Musikpädagogik und Klavier. Während des Studiums wandte er sich außerdem Band- und Ensembleprojekten verschiedenster Stilrichtungen zu, welche ihn im In- und Ausland gastieren ließen. Dabei fragte sich Reuter, ob alte Musik in hundert Jahren genauso klingen muss, wie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Seine Antwort: Es wird Zeit, dass man sie uminterpretieren darf. Damit war die Idee für humorvolle Klassik geboren und seine Klavierkonzerte wurden zur Klassikshow. Seit 2007 tourt er mit seinem musikalischen Kabarettprogramm durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Von Udo Hinz