Harzer Uhrenmuseumbeherbergt weltweit größte Kuckucksuhr jenseits des Schwarzwalds

„Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald“ heißt es im gleichnamigen Lied mit Texten von Hoffmann von Fallersleben. Jeder hat den gewitzten Vogel, der anderen Artgenossen gerne seine Eier als Kuckuckskind unterjubelt, sicher schon einmal im Harzer Wald rufen hören. Die gleichnamige Uhr wird jedoch meist nicht mit dem Harz, sondern mit dem Schwarzwald in Verbindung gebracht. Dort werden seit 1750 Kuckucksuhren hergestellt. Dass die Kuckucksuhr allerdings tatsächlich im Schwarzwald erfunden wurde, ist bis heute nicht bewiesen. Vielleicht haben auch Böhmische Händler die Uhr in den Schwarzwald gebracht. Fakt ist aber, dass die hübsch verzierten, bunten Holzuhren mit dem lustigen Kuckuck und dem ausgeklügelten, mechanischen Uhrwerk auch im Harz bereits lange Tradition haben. 1968 entstand die erste Kuckucksuhr in Gernrode: Seit 1968 werden in Gernrode, einem Stadtteil von Quedlinburg, am nördlichen Harzrand, Kuckucksuhren hergestellt. Eine schöne Übersicht über die Geschichte und auch die Technik der beliebten Uhr bietet die Ausstellung des Harzer Uhrenmuseums in Gernrode. Rund 300 Kuckucksuhren sowie Stand-, Miniaturuhren, Wetterhäuschen, Thermo- und Barometer sowie Spieluhren können in acht Räumen und auf einer Ausstellungsfläche von rund 800 Quadratmetern bestaunt werden. Hinzukommen über 200 selbstgefertigte Modelle, die in der Schauwerkstatt ausgestellt sind und auch erworben werden können. „Für Nostalgiker bauen wir Kuckucksuhren auch auf Wunsch“, verrät Christian Bertram, Inhaber der Harzer Uhrenfabrik, der die Gebäude und das Anwesen 2016 von der Stadt Quedlinburg erwarb und auch Mitglied im eigens für das Museum gegründet Förderverein Harzer Uhrenmuseum ist. Uhren für Steiff und Disney: „Sobald ein Verkaufsmodell den Besitzer wechselt, baut einer unserer Uhrenmacher wie Uwe Bergmann das Modell neu“, so Bertram. „Besucher dürfen ihm dabei gerne über die Schulter schauen.“ Im Jahr werden rund 50 bis 60 Kuckucksuhren verkauft. Die Käufer kommen aus aller Welt. Selbst Steiff und Walt Disney haben bereits Kuckucksuhren im Harz anfertigen lassen. „Das ursprüngliche Gehäuse der Kuckucksuhren war übrigens ein einfacher Holzkasten“, verrät Feinmechaniker und Uhrenmacher Uwe Bergmann. „Erst später setzte sich die heute bekannte Form eines Bahnwärterhäuschens durch.“ Diese Idee stammt übrigens von Friedrich Eisenlohr, der mit diesem Design um 1850 einen Wettbewerb zeitgenössischer Uhren gewann. Ab 1860 erhielt die Uhr dann ihre reichen Verzierungen und auch die Pendel in Form eines Tannenzapfens. Zuvor waren die Pendel entweder Steine oder gedrechselte Holzgewichte. Handwerk wird weniger: Auf Bergmanns Werkbank häufen sich Einzelteile einer Kuckucksuhr: Gehäuse, Uhrwerke, Zahnräder, Pendel, Figuren, kleine Wasserrädchen und weiteres Kleinstzubehör, das für eine Kuckucksuhr benötigt wird. „Das Handwerk des Kuckucksuhrenbauers wird leider immer weniger, auch im Schwarzwald“, bedauert Bergmann. Aus dem Schwarzwald bezieht auch die Harzer Uhrenfabrik heute ihre Uhrwerke. Denn die SBS-Feintechnik GmbH und Co. KG aus Schonach ist mittlerweile das einzige Werk, das noch solche speziellen Uhrwerke herstellt. „Bis zur Wende verwendete die Harzer Uhrenfabrik hauseigene Uhrwerke, dessen Entwicklung in den 70er Jahren wohl auf einer Industriespionage aus dem Westen fußte“, so Bergmann. „Auch wenn wir Uhrwerke heute nicht mehr selber herstellen, der Zusammenbau unserer Kuckucksuhren und auch die Verzierung sind noch immer Handarbeit.“ Die Schnitzereien der Bahnwärterhäuschen bestehen aus Lindenholz, die dazugehörigen Schnitzereien sind traditionelle Handarbeit aus Masuren in Polen. „Kleine Wasserräder und weiteres Zubehör haben wir immer auf Lager“, so Bergmann. „Falls bestimmte Figuren fehlen, gießen wir sie aus Kunstharz und bemalen sie auch selbst.“ Wie lange die Anfertigung einer Uhr dauere, hänge vom Modell oder der Art der Einzelfertigung ab. Eintrag ins Guinnessbuch: Das Uhrenmuseum darf gleich drei Weltrekorde für sich beanspruchen. Eine besondere Attraktion ist neben dem größten Wetterhäuschen der Welt, das eine Höhe von 9,80 Meter und eine Breite von 5,30 Meter besitzt, die „weltweit größte Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwaldes“. Seit 1997 steht auch diese 14,50 Meter hohe und 7 Meter breite Uhr in der nördlichen Fassade der Harzer Uhrenfabrik in Gernrode im Guinnessbuch der Rekorde. Jede Viertelstunde zeigt sich der große Kuckuck dem Besucher begleitet von der heiteren Melodie „Der Fröhlicher Wanderer“. Interessant ist auch, dass man als Besucher im Museum dem Kuckuck durch ein Schaufenster beim Ausfahren zuschauen kann. Also sozusagen einen Blick hinter die Kulissen der großen Kuckucksuhr werfen darf. Doch was hat es mit dem Zusatz „außerhalb des Schwarzwaldes“ auf sich? „Unsere Kuckucksuhr trug tatsächlich bis 1994 den Titel größte Kuckucksuhr der Welt. Doch der Eigentümer der Kuckucksuhr in Triberg im Schwarzwald klagte dagegen. Nachmessungen ergaben, dass die Uhr im Schwarzwald mit 15,30 Meter etwas größer war als unsere in Gernrode“, so Bertram. Und so erhielt die Gernroder Uhr den Zusatz. Kuckuck im Disney-Design: Umgestaltet wurde die Gernroder Kuckucksuhr seit ihrer Einweihung mehrfach. Seit 2000 ist der neue Kuckuck im Walt-Disney-Design in Betrieb. „Der alte Kuckuck von 1996 wurde damals in einer feierlichen Zeremonie mit dem Lied „Muss i‘ denn, muss i‘ denn zum Städtele hinaus“ verabschiedet“, erzählt Bertram mit einem Grinsen. Er erhielt einen Ehrenplatz im Hof des Museums, wo auch als Leihgabe das Turmuhrwerk der Gernroder St.-Stephanus-Kirche zu besichtigen ist. Und das Museum kann zudem einen dritten Weltrekord für sich beanspruchen: 2005 entstand als Attraktion für das Harzfest eine riesige 2,80 Meter hohe Schokoladenkuckucksuhr, für die rund 120 Kilogramm Schokolade und Marzipan benötigt wurden. Das Projekt war eine Idee des damaligen Produktionsleiters und Geschäftsführer der Harzer Uhrenfabrik, Eckhard Großmann, und der Schokoladenfabrik Halloren aus Halle, die zu dieser Zeit ihr 200. Firmenbestehen feierte. „Das Gerüst wurde hier vor Ort gebaut“, erzählt Bertram, „Und in der Schokoladenfabrik wurden dann in der Kühlkammer die Schokoladenteile aus Zartbitter- und Vollmilchschokolade angebracht. Das hat rund 15 Stunden in Anspruch genommen.“ Nach Eintragung ins Guinnessbuch der Rekorde wurden die Einzelteile der Schokoladenuhr versteigert und der Erlös von 888 Euro kam dem Verein Kinderhospiz Mitteldeutschland zu Gute. Ein originalgroßes Modell der damaligen Schokoladenuhr sowie Fotos von der echten Uhr können Besucher ebenfalls im Museum bestaunen. „Im Schaukasten daneben haben wir sogar den Original-Kuckuck und das Pendel aus Marzipan ausgestellt“, verrät Bertram. „Wer dann Hunger bekommt, der kann im Anschluss an die Ausstellung nebenan in den ehemaligen Tick-Tack-Stuben, in der Ristorante Calabria einkehren.“ Dort gibt es mediterrane Küche wie Pizza, aber auch Kaffee und Kuchen.“ Die Uhrenfabrik und das -museum: Gegründet wurde die Harzer Uhrenfabrik 1948, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, durch die Brüder und Goldschmiedemeister Erfurt in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Bäckerei in der Gernroder Altstadt. Teilhaber wurde 1954 der Kaufmann Dietrich Linke und der Fabrikname so denn in die Dietrich Linke KG umgewandelt. Zunächst produzierte der Betrieb vor allem mechanische Tisch- und Lackschilduhren, sogenannte Jockeluhren. Als die Produktion in den 1960-er Jahren wuchs, zog die Fabrik in das Gebäude der ehemaligen Gernroder Streichholzfabrik um. Da die Kuckucksuhr zu einer echten Modeuhr der 1960-er Jahre wurde, weitete auch die Harzer Uhrenfabrik 1968 ihr Angebot dahingehend aus. Zu der damaligen Zeit war sie das einzige deutsche Werk, dass außerhalb des Schwarzwaldes Kuckucksuhren produzierte. Harzer Kuckucksuhren in alle Welt verschifft: Zehn Jahre später jedoch folgte die Zwangsenteignung und die Umwandlung in den volkseigenen Betrieb VEB Harzer Uhren und die Angliederung an die Mechanische Uhren Halle. Nach der Wende wurde unter neuer Leitung der weltweite Export stark ausgedehnt, wodurch die Harzer Kuckucksuhren schließlich in alle Welt wie Amerika, Australien, Neuseeland, Mexiko, Italien und sogar bis nach Japan verschifft wurden. „Damals gingen alle zwei Wochen 1.000 Kuckucksuhren mit einem Überseecontainer nach Amerika“, erzähl Bertram. Sogar Steiff und auch Wald Disney gehörten zu dieser Zeit zu den Kunden der Gernroder. Bis zur weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 wurden in der Fabrik zusätzlich Standuhren angefertigt. Doch die Krise bedeutete schließlich durch den kompletten Einbruch der Nachfrage der ausländischen Abnehmer das Aus für die traditionsreiche Harzer Uhrenfabrik. 2009 erfolgte ein erneuter Betreiberwechsel durch die Brüder Dirk und Jörg Stichnoth, Inhaber der Juwelier Grüttert GmbH Co KG aus Hannover, die aber ebenfalls 2014 Insolvenz anmelden mussten. Neustart unter Christian Bertram: 2015 bekam der ortsansässige Metallbauer und Uhrenfreund Christian Bertram von der Stadt Quedlinburg die Fabrik samt Grundstück zum Kauf angeboten. „Ich fand es einfach zu Schade, solch ein Gebäude mit so einer langen Geschichte einfach verfallen zu lassen. Zudem war die Nachfrage nach Kuckucksuhren aus dem Harz da“, so Bertram, der selbst ein großer Kuckucksuhrenfan ist und dessen Schulweg bereits als kleiner Bub am historischen Gebäude vorbeiführte. Und so renovierte Bertram in mühevoller Eigenarbeit das Gebäude und aktivierte die Produktion der Harzer Kuckucksuhren. Zu dieser Zeit erhielt die große Kuckucksuhr auch ihr aktuelles Jagdmotiv. Im November 2016 feierte die Manufaktur Wiedereröffnung. 2017 wurde zudem der Förderverein Harzer Uhrenmuseum gegründet, in dem Bertram ebenfalls Mitglied ist. „Der Verein mit rund 12 aktiven Mitgliedern unter der Leitung von Jessica Kirchner kümmerte sich um die Gestaltung des Museums und die Ausstellungen“, erzählt er. Museumswagen mit Uhrenträger: Zudem hat der Verein 2019 bereits mit einem eigenen Umzugswagen am Sachsen-Anhalt-Tag teilgenommen. „Die Idee spukte mir schon länger im Kopf herum“, so Bertram. Gemeinsam mit dem Museumsverein wurde in einjähriger Vorbereitungszeit der Museumswagen mit Uhrenträger entworfen und gebaut, auf dem schließlich auch der alte Kuckuck von 1996 als Deko Platz fand. Im Dezember 2019 gab es zudem hohen Besuch: Der Uhrenfan und amerikanische Generalkonsul Timothy Eydelnan stattete dem Harzer Uhrenmuseum einen Besuch ab. Er hatte durch eine historische Fernsehdokumentation über das Uhrenmuseum erfahren. „Über den Besuch haben wir uns natürlich besonders gefreut“, so Bertram, der bereits ein neues Projekt in Planung hat. „Wir wollen gemeinsam mit dem Gernroder Gewerbeverein das größte Holzthermometer der Welt, das vorher in der Bahnhofstraße bei Siebdruck Schröter hing, renovieren und es dann ebenfalls hier am Museum ausstellen.“ Harzer Uhrenmuseum, Lindenstraße 7, 06485 Gernrode, Telefon 09485/658930, www.harzer-uhren-gernrode.de, Öffnungszeiten, Museum: ganzjährig, täglich von 10 bis 17 Uhr, Führungen nach Vereinbarung. Ehemalige Tick-Tack-Stuben/Ristorante Calabria: von Dienstag bis Sonntag von 12 bis 21.30 Uhr Von Inken Paletta / HK

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