Junges Theater Göttingen im Krisenmodus: Musikshow und weitere Projekte

Der Deutschen Bühnenverein hat den Montag zum Aktionstag ausgerufen. Auch das Junge Theater (JT) Göttingen hat sich beteiligt. Intendant Nico Dietrich äußerte seinen Ärger darüber, dass sein Haus als privates Theater keine Förderung aus dem Corona-Hilfstopf für private Theater bekommt. 40 Prozent des Etats von jährlich bis zu 1,3 Millionen Euro erwirtschafte das JT selbst, 50 Prozent müssten es sein, um in den Genuss der Förderung zu kommen. Jetzt fielen die Einnahmen weg. Das restliche Geld, gezahlt von der Stadt Göttingen, dem Landkreis und dem Landschaftsverband, reiche nicht für die Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter, 850 000 Euro plus etwa 100 000 Euro für Bühnengäste, berichtete Geschäftsführer Tobias Sosinka. 30 000 Euro müsste das Theater jeden Monat einnehmen, um die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zu holen. Einsparen könne das Haus diese Summe nur durch eine Komplettschließung des Theaters. Ein eingeschränkter Spielbetrieb erzeuge Defizite. Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen: Sosinka rechnete vor: Etwa 210 Privattheater gebe es in Deutschland. Wenn jedes dieser Häuser Hilfe beantragte, bekäme jedes Theater 150 000 Euro. Mit 140 000 Euro könnte die Leitung des JT die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen. Ohne diese finanzielle Hilfe reduziere sich die Rentenzahlung, und im kommenden Jahr drohten wegen der Progression hohe Steuernachzahlungen. Sosinka: „Deswegen hätten wir den Fördertopf gut gebrauchen können. Doch wir wollten nicht lamentieren“, sagte Dietrich. „Wir schauen nach vorne.“ Sie wollten durch Taten zeigen, dass sie systemrelevant seien. Theaterbetrieb werde es bis Ende Januar nicht geben, so Dietrich. Im JT allerdings sollen erst ab Mai wieder Vorstellungen auf dem Programm stehen. Das gelte auch für Schulvorstellungen. „Wir werden den Spielzeitschwerpunkt verschieben.“ Vorstellungen unter freiem Himmel, im Freibad am Brauweg, auf der Waldbühne in Bremke und auf dem Hof des JT soll es geben, vielleicht auch im Theatersaal. Dafür soll die Schließzeit des Hauses verkürzt werden. Das erfolgreichste Format der vergangenen Jahre: Schon vor Mai will das JT-Team eine Uraufführung auf die Bühne bringen. Derzeit laufen bereits die Proben für die neue Musikshow, laut Dietrich das erfolgreichste Format der vergangenen Jahre. „Dirty Old Town“ laute der Titel des Abends, in dem es um die Frage nach Heimat geh, erklärte Fred Kerkmann, musikalischer Leiter der Produktion. Schon im Januar soll dort geprobt werden, wo auch die Premiere und die ersten Vorstellungen laufen werden: in der Lokhalle. Für die Konzeption zeichnet Sosinka verantwortlich. Das Set umfasst bekannte Lieder aus Pop und Rock und reiche bis zu Brecht/Weill-Stücken. Eigens für „Dirty Old Town“ hat das JT die Göttinger Sängerin Christiane Eiben engagiert. Kerkmann: „Sie ist eine extreme Bereicherung.“ Zwei weitere Projekte kündigte Dietrich an, die sie gemeinsam mit der Theaterpädagogik umsetzten. Ein kleines Teams von Theaterfiguren wie Janoschs kleiner Tiger und Räuber Hotzenplotz werde an den Gartenzaun von Kindertagesstätten kommen, um mit den Kindern Weihnachtslieder zu singen, ein 15- bis 20-minütiges Programm wollen sie zusammenstellen. „Auch Grundschulen können das Programm buchen.“ Ein eigenes Hygienekonzept hätten sie entwickelt. Herausgekommen ist „ein kleines Programm auf großer Distanz“. Die Akteure kommen nicht auf das Kita-Gelände, die Kinder nicht vom Grundstück herunter, beschreibt Theaterpädagogin Kathrin Müller-Grüß. Für Jugendliche hat das JT sogenannte digitale Epochenpakete als methodische Ergänzung für den Unterricht an: Schauspieler aus dem Ensemble lesen epochentypische Gedichte. Regisseure sprechen über ihre Inszenierungen klassischer Texte am JT. Möglich sind auch Live-Interviews mit den Hauptdarstellern der Inszenierungen im Unterricht. Die einzelnen Epochenpakete können als digitale Dateien unter jugend@junges-theater.de angefordert werden. Die ersten Ausgaben umfassen die Epochen „Klassik“ und „Romantik“, die sich an aktuellen Inszenierungen von „Der goldne Topf“ nach E.T.A Hoffmann und „Die Wahlverwandtschaften“ nach Goethe orientieren. Die Sängerin berichtete von zwei großen Tourneen, für die sie als Sängerin engagiert war und die wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurden. Stattdessen habe sie kleinere Jobs übernommen. Einsam sei es gewesen, sagte Eiben. Daher habe sie sich sehr über die Anfrage aus dem JT gefreut, obwohl sie eigentlich keine Schauspielerin sei. Eiben lobte „die nette Atmosphäre“ und „das tolle Team“. Sie könne einige schöne Lieder singen, „nichts wird mir aufgedrückt“. Pause machen die Mitarbeiter des JT kaum. Sie bereiten sich vor und proben auch schon wieder. „Wir sind bereit. Wir warten, bis Corona weg ist“, sagt Dietrich. Lesen Sie auch: Göttingen: Goethes „Wahlverwandtschaften“ hat Premiere am Jungen Theater Junges Theater Göttingen: Grit Lukas inszeniert „Der goldne Topf“ Von Peter Krüger-Lenz