Konzerte nur für Geimpfte? Kulturmanager aus der Region beziehen Stellung

Seit Monaten schon liegt die Kultur danieder. Corona verhindert Theatervorstellungen mit Besuchern, Ausstellungen können wenn überhaupt nur online besucht werden, Live-Konzerte finden nicht statt. Ein Hoffnungsschimmer am Horizont bringen die Impfungen gegen das Virus, die gerade gestartet sind. Doch würden Veranstalter tatsächlich Konzerte organisieren, zu denen nur Geimpfte zugelassen werden? Die Ticketverkaufsfirma Eventim hat das zumindest in Erwägung gezogen. Wir haben bei Veranstaltern in der Region nachgefragt. Uwe Vater ist Chef der Firma MM-Konzerte mit Sitz in Kassel, die unter anderem große Konzerte organisiert. Mit Peter Maffay beispielsweise füllt Vater Stadien. Er sagt: „Wir als Veranstalter müssen versuchen, so schnell wie möglich an die Arbeit zu kommen.“ Allerdings müsse gewährleistet sein, dass sich niemand anstecke. Doch das Virus sei so neu, er bleibe skeptisch. Technisch kein Problem: Vater setzt auf steigende Impfbereitschaft. „Jetzt haben wir uns dafür entschieden, dann müssen wir als ganz Europa handeln.“ Doch würde er denn Konzerte anbieten, zu denen nur geimpfte Besucher zugelassen sind? Vater schränkt deutlich ein: „Erst muss jeder die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen.“ Der Veranstalter bezweifelt auch, dass sich Pläne mit Konzerten für Geimpfte umsetzen lassen. „Das wird man nicht durchsetzen können. Da würden die Künstler nicht mitspielen.“ Möglich allerdings wäre das nach Angaben von Vater. „Den Test am Eingang abfragen – das ist kein Problem. Wir haben eh Einlass mit Strichcode.“ Und wenn sich die Öffnung noch verzögert? „Ich bin 66 Jahre alt. Im Moment ist es ein Vorteil, alt zu sein. Dann höre ich einfach auf.“ Freunde der Barockmusik: Tobias Wolff ist geschäftsführender Intendant der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen. Gerade erst hat er das Festival verschoben. Jetzt soll es vom 9. bis 19. September die Freunde der Barockkompositionen von Georg Friedrich Händel (1685-1759) erfreuen. Er sei zwiegespalten, sagt Wolff auf die Frage nach Konzerten für Geimpfte. Er sei zwar kein Mediziner, müsse aber damit rechnen, dass auch Geimpfte anstecken können. Er habe „Verantwortung auch für Künstler und Mitarbeiter“. „Bevor die nicht geimpft sind“, gehe nichts. Und Wolff meint, dass „Fachleute und Politiker entscheiden sollen“. Lesen Sie auch Nena-Konzerte 2021: Geimpfte sollen bei Konzerten nicht bevorzugt werden - "keine Zweiklassengesellschaft" Dehoga sieht mögliche Vorteile für Geimpfte skeptisch Wird der Corona-Impfnachweis zwingend nötig? Konzerte, Restaurants, Reisen - ein Faktencheck zur Impfdebatte Nach dem Eventim-Vorstoß äußert sich auch Tine Tiedemann, Geschäftsführerin des soziokulturellen Zentrums Musa. „Wir sehen das in vielerlei Hinsicht kritisch, widersinnig und unethisch.“ Derzeit gebe es keine Konzerte und Großveranstaltungen. Und: „Es gibt zur Zeit keine Aussicht auf ausreichend Impfstoff für 80 Millionen Menschen in Deutschland. Demnach ist die Idee eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen einfach nur ungerecht.“ Zudem sei es nicht gesichert, dass Menschen nicht mehr ansteckend seien, trotz Impfung. Tiedemann: „Solange das Gesundheitssystem überlastet ist, müssen Einschränkungen sein.“ Soll es Privilegien für Geimpfte geben? Im Zusammenhang mit dieser Diskussion hat die Online-Ticketplattform Eventim mit einem Vorstoß für Schlagzeilen gesorgt. Privatwirtschaftliche Veranstalter sollten die Möglichkeit haben, nur Menschen mit einer Covid-19-Impfung für Veranstaltungen zuzulassen, meinte Firmenchef Klaus-Peter Schulenberg. Private Veranstalter sollten aus seiner Sicht in Zukunft die Möglichkeit haben, nur geimpfte Menschen für Veranstaltungen zuzulassen. „Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen.“ Das Unternehmen habe bereits seine Systeme so eingerichtet, dass diese auch Impfausweise lesen könnten. Sie sieht die Freiheitsrechte gegen Grundversorgung stehen, „zu der für uns Kultur gehört. Dürfen Nicht-Geimpfte davon ausgeschlossen werden?“ Wie sollte dies in einem Land wie Deutschland umgesetzt werden, wer sollte das umsetzen? „Wir nicht“, sagt Tiedemann entschlossen. Allerdings wolle sie nicht bewerten, was Privatpersonen oder private Anbieter in der Veranstaltungsbranche machen, es sei ihnen freigestellt. Reduzierung der Ansteckungsfähigkeit? Auch Klaus Wißmann vom Verein Kreuzberg on KulTour hat Bedenken. „Wir wissen derzeit noch überhaupt nicht, ob eine Reduzierung der Ansteckungsfähigkeit durch Impfen unmittelbar erfolgt.“ Sie wüssten aus den vorliegenden Studien und Mitteilung des RKI und Helmholtz-Institutes etc. nur, dass die derzeit (wenn) verfügbaren Vaccine die eigene Ansteckungsgefahr um plus/minus 90 Prozent reduzieren bzw. geeignet sind, bei einer erfolgten Ansteckung den Krankheitsverlauf extrem abzulindern. Ein mittelbarer Schutz werde allmählich im Sinne der Herdenimmunität aufgebaut, was die Viren stark reduzieren, aber nicht gänzlich vernichten werde. „Gerade eine Großveranstaltung ist natürlich ein spreading-point erster Güte.“ Doch sollte Impfschutz bestehen: „Wie soll der Nachweis glaubhaft erfolgen? Es müsste ein amtliches Dokument sein. Ob es dafür eine juristische Grundlage geben kann oder wird?“, fragt Wißmann. Und: „Nach meiner Einschätzung ist diese Forderung verständlich, aber verfrüht und so - Stand heute - nicht durchführbar.“ Von Peter Krüger-Lenz