Notbetrieb Deutsches Theater Göttingen Mundschutz

Die Werkstätten des Deutschen Theaters (DT) wollen während der Krise einen Hilfsbeitrag leisten. Sie haben einen Mundschutz entwickelt, den sie fertigen wollen. Die Theaterleitung hat der Stadtverwaltung die Herstellung angeboten, Kultur- und Sozialdezernentin Petra Broistedt hat laut Sidler das Angebot dankend angenommen. Prototypen haben sie getestet, jetzt sollen möglichst schnell große Kontingente hergestellt werden. Anleitungen gebe es viele im Internet, sagt Ilka Kops, Leiterin der DT-Kostümabteilung. Die Vorlage wurde modifiziert und soll nun in großer Stückzahl genäht werde. Medizinische Masken seien das nicht, sagt Kops. Sie dienten als Spuckschutz für ein Gegenüber. Waschbar bei 95 Grad müssen die Masken sein, aus Baumwolle und Mischgewebe werden sie gefertigt. Engagement in der Nachbarschaftshilfe: Die Schauspieler haben die Aufgabe bekommen, zu Hause Kurzgeschichten vorzulesen und kleine Szenen zu spielen. Videos davon sollen auf der Homepage des Theaters abrufbar sein, auf der digitalen Bühne, dem DT-3. Allerdings sind auch Hilfseinsätze geplant, berichtet DT-Intendant Erich Sidler. Mitglieder des Ensembles wollen sich bei der Nachbarschaftshilfe engagieren und für Menschen aus Risikogruppen einkaufen gehen. „Wir müssen andere Formen finden, Geschichten zu erzählen“, sagt der Intendant. Begegnungen von Schauspielern und Publikum: Früh sei die Idee aufgekommen, Aufnahmen von Vorstellungen zu streamen. Material sei vorhanden. Als Gedankenstütze für etwaige Umbesetzungen würden archiviert. Doch Sidler meint, dass ein solcher Stream einer schlichten Totalaufnahme niemanden interessierte. „Theater hat mit Begegnung zu tun“, Begegnungen von Schauspielern und Publikum. Natürlich hat die Absage des kompletten Vorstellungsprogramm auf allen DT-Bühnen auch finanzielle Auswirkungen. Es fehlt schlicht Geld in der Kasse. Das allerdings sieht Sidler eher gelassen. „Wir haben ein bisschen Rücklagen, weil gerade die jüngsten beiden Spielzeiten sehr gut gelaufen sind.“ In der laufenden Saison seien sie „sehr gut unterwegs“ gewesen. Allein die fünf ausverkauften Zusatzvorstellungen der Musikproduktion hätten 3500 Besucher zusätzlich gebracht. „Wir hätten ohne die Krise einen neuen signifikanten Rekord aufgestellt.“ Verschoben auf die Zeit nach der Corona-Krise: Die Produktionen, die in der Spielzeit 2019/20 noch auf die Bühne kommen sollten, werden verschoben auf die Zeit nach der Corona-Krise – einige Stücke wie „Gewalt und Leidenschaft“ sind in Teilen bereits geprobt. Geplante Inszenierungen der kommenden Spielzeit sollen dafür zeitlich nach hinten geschoben werden. Doch Sidler sieht noch weitere Facetten, die in der Krise deutlich werden. Der Klimawandel habe den Generationenvertrag infrage gestellt, die Corona-Krise belaste das Solidarsystem, das eine Grundlage für Demokratie sei. In der Theaterliteratur schwinge das immer mit. „Alt und jung, reich und arm, gebildet und weniger gebildet“ – das Theater sorge dafür, dass sich alle miteinander verständigten. „Wenn wir nicht mehr daran glauben, werden wir eine egozentrierte Gesellschaft bekommen.“ „Rotwein, Käse und Kondome“: Über die Konsequenzen für denken die Theaterschaffenden laut Sidler derzeit nach. Dabei tauchen Fragen auf darüber was es bedeute, „wenn Menschen ihren üblichen Tätigkeiten nicht mehr nachgehen können“. Oder was wirklich notwendig sei für das eigene Leben – „Rotwein, Käse und Kondome für Franzosen oder Toilettenpapier für die Deutschen“. Dass er damit übertreibe, sei ihm klar, sagt Sidler, doch die Frage selbst bleibe bestehen. „Im besten Fall denken wir darüber nach, ob wir das System wieder hochfahren, wie es war, oder ob es Stellschrauben für Veränderungen gibt.“ Etwa 160 Menschen arbeiten im Deutschen Theater (DT) Göttingen. Bis zu 50 Mitarbeiter kommen derzeit noch in das Haus am Wall, berichtet Intendant Erich Sidler. Er selbst und Verwaltungsdirektorin Sandra Hinz stimmten sich täglich ab. „Wir halten hier die Stellung und haben auf Notbetrieb heruntergefahren.“ Falls sich die Lage bessere, soll der Betrieb wieder schnell hochgefahren werden können. Die Dramaturgen arbeiteten überwiegend zu Hause. Ins Theater kämen sie lediglich zu Absprachen und bisweilen für Büroarbeit, so Sidler. Das künstlerische Betriebsbüro ist ebenso besetzt wie die Personalverwaltung, die sich unter anderem um das Überweisen der Gehälter kümmert. In den Werkstätten läuft der Betrieb auf Sparflamme. Lediglich zwei bis drei Kollegen pro Werkstatt kämen für Unterhaltungsarbeiten ins Haus, die ansonsten in den Sommerferien angegangen worden wären. Diese schmale Besetzung gewährleiste genug Abstand zwischen den Mitarbeitern, sagt der Intendant. Von Peter Krüger-Lenz

Coronakrise - Notbetrieb im Deutschen Theater: Mitarbeiter nähen Mundschutze für Bürger