Uraufführung im Deutschen Theater Göttingen geteilt

Lange sind sie schon befreundet, beste Freunde sogar. Gemeinsam haben sie eine Firma gegründet. Und dann kam dieser Abend. Beide waren betrunken. Viel später zeigt sie ihn an – wegen Vergewaltigung. Er ist fassungslos. Immerhin hat sie doch ihre Bluse vor ihm ausgezogen. Ein deutliches Signal. Aber nur für ihn. Sie leidet seit diesem fatalen Abend – unter der Vergewaltigung, unter den Reaktionen ihrer Umgebung, die eher ihm glauben als ihr. Aber sie leidet auch, weil sie ihn vermisst und seine Ehefrau und ihre Kinder, deren Patentante sie ist. Situation schaffen, die nicht mehr akzeptabel ist: Ein ungewöhnliches Thema? „Eigentlich ist es schwer, nicht auf dieses Thema zu stoßen“, sagt Milisavljevic mit Blick auf die MeToo-Debatte. So viele Frauen haben sich weltweit geoutet, zumindest Opfer sexueller Belästigung geworden zu sein – wenn nicht sogar viel Schlimmeres erlebt zu haben. „Um Machtmissbrauch geht es hier, um Sexismus und Fehlverhalten am Arbeitsplatz.“ In ihrem Stück habe sie eine Situation schaffen wollen, die nicht mehr akzeptabel sei. Damit müssten die Beteiligten umgehen. Die Frau, die alleine zu Hause ist, vielleicht arbeitslos wird und der aus den sozialen Medien nur „große Leere widerhallt“, weil die Freunde dort keine Freunde sind. Der Mann, der übergriffig war, ohne es beabsichtigt zu haben. Und seine Ehefrau schließlich, die mit der Schuld ihres Mannes klar kommen und den Verlust der Freundin verkraften muss. Letzteres sich vorzustellen, sei ihr am schwersten gefallen, sagt Milisavljevic. Extrem übergriffig: Darauf gekommen sei sie durch einen Podcast, berichtet die Autorin. Darin sei der Fall eines Journalisten geschildert worden, Leiter einer Nachrichtenagentur und extrem übergriffig seinen Mitarbeiterinnen gegenüber. Während der Prozesse sei seine Ehefrau seine Stütze gewesen. Das habe beide wieder zueinander geführt. „Wenn es sich um einen geliebten Menschen handelt, wird alles andere ausgehebelt“, meint Milisavljevic. In ihrem Stück sind auch noch Kinder im Spiel. „Es geht darum, einander zu retten.“ Die Frau allerdings, das Opfer, bleibt alleine – bis ihr gestorbener Vater als Traumgestalt auftaucht und für sie kämpft. Das hieße doch, dass die Frau für sich selber kämpft, weil der Vater ja nicht da sein kann? Milisavljevic hält dagegen: „Das Theater kann noch mehr als Prosa eine Realität schaffen, die es gar nicht gibt.“ „Tolle Feinfühligkeit“: Im Deutschen Theater hat sie bereits eine Probe besucht. „Sehr gut gefallen“ habe ihr die Arbeit, sagt Milisavljevic. Sie schätzt „die detailreiche und feine Art der Regie“. Die Inszenierung hat Moritz Beichl übernommen, gerade zum DT-Hausregisseur ernannt. Über ihn sagt Milisavljevic, er bringe „eine ganz tolle Feinfühligkeit mit an den Tisch“. Und sie meint, er sei „ein sehr feiner Mensch, sehr respektvoll“. Zur Uraufführung will Milisavljevic wieder anreisen. „Ein Premierenabend ist ein sehr schöner Moment, wenn das Stück des Herzens auf andere Menschen trifft.“ Sie liebe es, „nach der Premiere mit dem Publikum zu sprechen“. Uraufführung des Stücks „geteilt“ ist am Sonnabend, 30. November, um 20 Uhr auf der Studiobühne des Deutschen Theater „DT 2“, Theaterplatz 11 in Göttingen. Karten gibt können unter der Telefonnummer 0551/4969300 an der DT-Kasse reserviert werden. Dass Maria Milisavljevic den Stückauftrag von Erich Sidler bekommen hat, ist kein Zufall. Der Intendant des Deutschen Theaters (DT) Göttingen hat ihr Stück „Beben“ in der Spielzeit 2016/2017 am Theater in Heidelberg inszeniert. 2016“ gewann Milisavljevic mit dem Werk den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes. Sidlers Inszenierung ging schließlich auf Tour nach Kuba und Brasilien – „leider ohne uns“, sagt Milisavljevic, die selbst schon einiges gesehen hat von der Welt. Längere Zeit lebte sie in Kanada. „Ich übersetze meine Stücke immer sofort ins Englische“, erläutert Milisavljevic. Die Förderung, die sie durch das DT erfahre, schätze sie sehr. Es sei „eine Förderung, die mit den Dramatikern geht“. Sie habe keinerlei Vorgaben für das Auftragswerk bekommen und sei immer gefragt worden, was sie brauche. „Junge Dramatik wird in kleineren Häusern oft viel besser gefördert als in den A-Häusern.“ „Beben“ übrigens wird 2020 auch in Tokio gespielt, sagt Milisavljevic. Von Peter Krüger-Lenz

Uraufführung im Deutschen Theater Göttingen - „Um Machtmissbrauch geht es hier, um Sexismus und Fehlverhalten am Arbeitsplatz“