Wenig Geld vom Land für viel Theater in Göttingen

Es knirscht in der niedersächsischen Theaterlandschaft. Ausdruck dafür ist die Aktion „Rette dein Theater“, die Antje Thoms, Hausregisseurin des Deutschen Theaters (DT) Göttingen, gestartet hat. Auslöser war, dass die kommunalen Theater einen Mehrbedarf von neuen Millionen Euro für den Haushalt 2019 angemeldet hatten, sechs Millionen waren in den Haushaltsentwurf aufgenommen worden – übrig blieb schließlich nichts. Der Finanzminister hatte den Posten gestrichen. Über die sogenannte politische Liste, über die die Landtagsabgeordneten Schwerpunkte setzen können, flossen schließlich drei Millionen Euro an die Theater. Einen eigenen Haushaltsposten gab es schließlich nicht. Wie stehen die Verhandlungen? Derzeit laufen wieder Verhandlungen in Hannover. Daran beteiligt ist auch Göttingens Kulturdezernentin Petra Broistedt (SPD). Das Ziel des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur sei ein Vertrag über fünf Jahre, in dem eine Tarifsteigerung von 2,5 Prozent berücksichtigt sei. Der tatsächliche Abschluss werde aber jenseits der drei Prozent erwartet, erläutert Broistedt. Das Ziel der kommunalen Theater: „Wir unterschreiben für ein Jahr, – um weiter zu verhandeln.“ Das größte Problem: Streitpunkt sind vor allem die Tarifsteigerungen für das Personal. Die Unwucht bei den Zahlungen des Landes erläutert Broistedt mit einem selbst kreierten Modell aus Duplosteinen – schlicht, aber schlagend. Tarifsteigerungen werden erst im zweiten Jahr ihrer Laufzeit bei der Landesförderung wirksam. Das Minus wird Jahr für Jahr weitergeschoben bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Einen Ausgleich dafür gibt es nicht. Die Konsequenzen: Bleibt das Ministerium für Wissenschaft und Kultur bei seiner Haltung, so fürchtet Broistedt Konsequenzen für das Programm, das reduziert werden müsste – auch weil das Ensemble verkleinert werden müsste, später auch der Bestand des technischen Personals. Sechs kommunale Theater in Niedersachsen seien davon betroffen, bei einigen sei die Förderproblematik existenzbedrohend. Was noch bleibt: In der Spielzeit 2018/19 verfügt das Deutsche Theater (DT) Göttingen über einen Etat von 9,8 Millionen Euro. 15 Prozent der Summe erwirtschaftet das Haus über Ticketverkäufe und die Vermietung von Räumen. 85 Prozent kommen laut dem Theater aus Förderung, Sponsoring und Spenden. Die Förderung aus öffentlichen Mitteln teilen sich die Stadt Göttingen, der Landkreis und das Land Niedersachsen. Die Stadt trägt 45 Prozent, zahlt also 3,795 Millionen Euro, der Landkreis 23 Prozent, also 1,894 Millionen Euro, und das Land 32 Prozent, also 2,613 Millionen Euro. Das Personal schlägt dabei mit 8,2 Millionen Euro zu Buche – 84 Prozent des gesamten Etats. 170 Mitarbeiter im künstlerischen Bereich, in Technik und Verwaltung beschäftigt das Haus. Bezahlt werden daraus auch die freien Mitarbeiter wie Regisseure, Bühnenbildner Ausstatter, Gastschauspieler und ebensolche Musiker. Das DT liege damit im bundesweiten Durchschnitt, erklärt Sandra Hinz, DT-Verwaltungsdirektorin. Voraussichtlich unter dem tatsächlichen Abschluss: Schauspieler werden am DT nach Normalvertrag Bühne, der laut Hinz keine Tarifstruktur, sondern lediglich ein Mindestgehalt vorgibt. Demnach verdient ein Berufseinsteiger am DT 2000 Euro monatlich – nach einem dreijährigen Hochschulstudium. Gerne würde die Theaterleitung zumindest aufstocken. Mit einem Vertrag mit dem Land, der keine Tarifsteigerung abdecke, sei das aber nicht möglich, sagt Hinz. Für die kommenden fünf Jahre will das Land nun jährlich den üblichen Sockelbetrag zahlen, aufgestockt um 360.000 Euro. Tarifsteigerungen von zwei Prozent – was voraussichtlich deutlich unter dem tatsächlichen Abschluss liegen wird – sollen nur noch im kommenden Jahr fließen. Das Defizit steigere sich laut Hinz von Jahr zu Jahr und müsse über die Aufstockung ausgeglichen werden. Sollten keine Personalkostensteigerungen während der fünf Jahre Vertragslaufzeit anfallen, so bliebe nach dieser Rechnung eine tatsächliche Erhöhung von 60.000 Euro. Auch hier bedeutet das wieder: Für größere Häuser mit höheren Personalkosten reicht die Förderung des Landes nicht zur Deckung der Kosten. Harter Job mit wenig Einflussmöglichkeit: Christoph Türkay ist Schauspieler am Deutschen Theater (DT) Göttingen. Im achten Berufsjahr verdient er 2500 Euro. Eingestiegen ist er als Jungschauspieler mit der Mindestgage 1650 Euro – nach einem Studium. „Das trifft ungefähr das Gefüge“, sagt Türkay über seine Gage. Rücklagen könne er damit nicht bilden. Und der Göttinger Mietspiegel zeige auch, dass viel Geld davon in seine Wohnung fließt. „Man kriegt es irgendwie hin“, meint der Schauspieler. Mindestgage von 1650 Euro: Auf vier Jahre ist das Schauspielstudium ausgelegt. Er sei nach dreieinhalb Jahren an der Theaterakademie der Hochschule für Musik und Theater Hamburg ans Staatstheater Mainz engagiert worden – mit Hochschulabschluss. Mit der Mindestgage von 1650 Euro sei er damals gestartet. Inzwischen wurde das Einstiegsgehalt auf 2000 Euro angehoben. Dass er heute annähernd 2500 Euro verdient, sieht Türkay als Erfolg. Allerdings muss er dafür auch einiges auf sich nehmen. Ein Schauspieler arbeitet nicht von 9 bis 17 Uhr bei freiem Wochenende. Goldene Hochzeit der Eltern: Sechs Wochen dauert der Probenprozess bei einer Produktion in der Regel. „Da habe ich gut zu tun“, sagt Türkay. Geprobt wird vormittags und nachmittags. Abends steht er dann unter Umständen in einer anderen Inszenierung auf der Bühne. Die Probenzeiten erfährt er bis 14 Uhr am Vortag. Nur wenige Regisseure wie Antje Thomas, DT-Hausregisseurin, erstellen Wochenpläne. Ein ganzer freier Tag steht Schauspielern wöchentlich zu. Bislang wurde montags bis freitags und sonnabends am Vormittag geprobt. 44 halbe freie Tage stehen den Akteuren deshalb jedes Jahr zu. Das Problem dabei sei die Arbeitszeiterfassung. Gearbeitet wird so, wie der Proben- und der Spielplan es vorgeben. Die Einflussmöglichkeiten der Schauspieler sind begrenzt. Steht beispielsweise die goldene Hochzeit der Eltern an, kann Monate vorher ein Sperrtag beantragt werden. Das Theater sei in solchen Fällen bemüht, die Zeit der Feier für den Schauspieler freizuhalten, sagt Türkay. Geballter Urlaub: Urlaub gibt es für das Ensemble in der spielfreien Zeit im Sommer, dann allerdings geballt etwa sechs Wochen am Stück. Hinzu kommt am DT die erste Januarwoche, in der das Haus schließt. Überstunden werden abgebaut. Verträge zwischen Theater und Schauspieler laufen ein Jahr. Dann muss sich der eine zum anderen bekennen, wenn die Zusammenarbeit fortgeführt werden soll. Dann ist es auch an der Zeit für Verhandlungen über die Gage. Spaß mache ihm dass nicht, sagt Türkay. Leidenschaftlich: Böse ist Türkay über diese Einschränkungen nicht. „Das gehört dazu, das ist einem klar.“ Er liebe seinen Beruf und wolle ihn leidenschaftlich ausüben. Dennoch ist auch er froh, dass die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung bereits verbessert wurden und sie auch weiterhin für Verbesserungen eintreten. Lesen Sie auch: Kommentar: Alles tun nur für Applaus? Von Peter Krüger-Lenz

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