Ein Tischchen mit rotem Tülltuch, darauf zwei gewagte knallrote Lackstöckelschuhe und eine rote Herzchenlichterkette. Daneben ein Kleiderständer, auf dem eine leuchtend rote Federboa in Herzform drapiert ist. Das Bühnenbild hebt sich so kitschig vom ehrwürdigen Saal des Alten Rathauses ab, wie es nur geht.
Und dann kommt sie auf die Bühne, Lioba Albus als Mia Mittelkötter: Rüschenrock, Lycrabluse, altmodische Handtasche, graue Föhnfrisur. Bevor man noch richtig hingesehen hat, überfällt sie das Publikum mit einem Schwall von Weisheiten und Ansichten einer tantig anmutenden Frau aus einem verschlafenen Ort im Sauerland, die in ihrer Einfachheit redet, was ihr gerade einfällt.
Singles im Internet
Auf typischste Art und Weise einer Klatschtante am Gartenzaun tratscht sie munter über die heutige Jugend mit ihren „arche-noah-großen Turnschuhen“, die „Kanzlerette“ Angela Merkel („Klingt leicht verdaulich, kommt aber daher wie eine Mehlspeise“) und ihren hypochondrischen Mann: „Ich sach’ Sie eins: Schöne Fa-z-etten in der Liebe? – Das könnte ein kurzer Abend werden!“
Im nächsten Augenblick fasst sich die betagte Dame auf den Kopf, zieht an ihrer Föhnfrisur und plötzlich steht ein anderer Mensch auf der Bühne: mit kurzer blonder Trendfrisur und ohne das rollende „R“ der Mia Mittelkötter kommt Albus hervor. Ohne Unterbrechung plaudert sie nun über Liebe, Macht und die Singles im Internet („Ein Sahneschnittchen im Singlechatroom entpuppt sich schnell als Quarktasche vom Vortag“).
Kurz darauf verwandelt sie sich wieder: mit Anzug, Brille und Pomadenscheitel wird sie mit einfachsten Mittel und in verblüffend kurzer Zeit auf der Bühne zu einem frustrierten gescheiterten Mann, der einem vermeintlichen Freund in immer betrunkenerem Zustand eine überaus peinliche Geburtstagsrede hält („Du hast ja dann das blutleere Pantoffeltierchen Erika geheiratet!“).
Nach einem heiteren Abend und ihren fünf Charakteren, die über Liebe, Lust und Lustverlust philosophierten, kommentiert Lioba Albus die ausgelassene Stimmung und das Gegacker aus dem Publikum trocken: „Wenn Sie Ihr Ei gelegt haben, sagen Sie Bescheid“ und verspricht zum Abschluss: „Ich bin wie Fußpilz, ich komme wieder.“
Von Indra Hesse