Am Dienstag um 18 Uhr ist es so weit: Dann stimmt das Europaparlament über Ursula von der Leyen ab – genauer gesagt darüber, ob sie Präsidentin der EU-Kommission werden soll. Die 60-jährige Christdemokratin benötigt 374 Stimmen. Und sie hat nur diese eine Chance.
Dabei steht zweierlei fest. Es geht nicht um von der Leyen und ihre Karriere. Zur Debatte stehen das Verhältnis zwischen Europäischem Rat und Europaparlament, die Beziehungen zwischen den alten westeuropäischen und den neueren osteuropäischen EU-Staaten sowie deren Verhältnis zu Demokratie und Rechtsstaat. Es geht um die Europäische Union insgesamt: ihr institutionelles Gefüge, ihr Funktionieren, ihre Werte.
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Zudem gibt es schlechte Gründe, die CDU-Politikerin abzulehnen. Das Prinzip, wonach bloß ein Spitzenkandidat Kommissionspräsident werden soll, ist so ein Grund. Dieses Prinzip ist nirgends kodifziert und nicht überall akzeptiert; auch hätte kein Spitzenkandidat jetzt eine Mehrheit.
Ein schlechter Grund ist ferner, Rache zu nehmen dafür, dass der Rat den Sozialdemokraten Frans Timmermans nicht wollte. Regelrecht anrüchig sind innenpolitische Erwägungen wie jene, die Personalie als Ausstieg aus der Großen Koalition zu missbrauchen. Es geht um zu viel.
Es gibt allerdings einen guten Grund, der liberalen Deutschen mit Format und Erfahrung die Stimme zu verweigern – wenn befürchtet werden müsste, dass sie bei der Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien nicht prinzipienfest wäre. Schließlich haben die Visegrad-Staaten und Italien ihr auf den Schild geholfen.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn formuliert es positiv so: „Ursula von der Leyen muss sich nun ohne Verrenkungen für die Unverhandelbarkeit des Rechtsstaates und für das Prinzip der Solidarität aussprechen.“
Ja, diese Erwartung muss man haben.
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Von Markus Decker/RND