Die Krebsfälle in der Umgebung des maroden Atommülllagers Asse sind nach Ansicht eines Strahlenexperten wahrscheinlich nicht auf Radioaktivität zurückzuführen. Mehrere Studien hätten in den vergangenen Jahren den Zusammenhang zwischen Strahlenbelastung und Krebs untersucht. Dabei sei aber nie etwas Belastbares herausgekommen, sagte der Leiter des Instituts für Strahlenbiologie am Universitätsklinikum Essen, Wolfgang-Ulrich Müller, dem Magazin „Focus“.
Der Biologe leitet die Arbeitsgruppe Strahlenrisiko der Strahlenschutzkommission, die das Bundesumweltministerium berät. Zwischen 2002 und 2009 registrierten die Behörden in der Samtgemeinde Asse im Kreis Wolfenbüttel 18 Fälle von Leukämie - erwartet wurden für den Zeitraum nur 8. Die Zahl der Neuerkrankungen mit Schilddrüsenkrebs stieg bei Frauen und Männern um mehr als das Dreifache.
Messungen vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatten seit der Übernahme der Asse im Januar 2009 keine erhöhte Radioaktivität in der Gegend ergeben. Für die Zeit davor kann die Behörde eigenen Angaben nach keine Aussage machen. Sie wies daraufhin, dass den erhöhten Krebsfällen konsequent nachgegangen werden müsse.
Nach Ansicht Müllers kann die Strahlung die Tumore jedoch nicht ausgelöst haben. Um die Fälle von Schilddrüsenkrebs um das Dreifache zu steigern, hätte so viel radioaktives Jod freigesetzt werden müssen, dass die Messinstrumente Alarm geschlagen hätten. Das gelte auch für Leukämie, sagte Müller. Er hält andere Auslöser wie Infektionen oder Pflanzenschutzmittel für wahrscheinlicher.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg zweifelt unterdessen daran, dass die Ursache der Krebserkrankungen tatsächlich schonungslos aufgeklärt werden soll. Wenn jetzt schon feststehe, dass zurzeit keine Gefährdung für die Anwohner und die Beschäftigen der Asse bestehe, lege das diesen Verdacht nahe, hieß es in einer Pressemitteilung von Sonntag.
dpa