Es ist zwar Wahlkampf, und da zählt der entschlossene Angriff auf den Gegner. „Ein bisschen Wehmut“ aber habe er dennoch verspürt, sagt Wolfgang Jüttner. Der langjährige SPD-Politiker, Minister, Ministerpräsidentenkandidat und Oppositionsführer hat jetzt seine letzte Rede im Landtag gehalten, ein Vierteljahrhundert Parlamentsdasein geht für ihn zu Ende. Jüttner ist in seinen Abschiedsworten wie üblich kritisch, aber auch versöhnlich – er lobt beispielsweise den früheren Ministerpräsidenten Christian Wulff von der CDU: „Er hat hier und da auch etwas für das Land geleistet.“
Gleich mehrere solcher Momente erlebt der Landtag in dieser Woche. Am heutigen Freitag endet die Wahlperiode, viele Abgeordnete kehren nach der Landtagswahl am 20. Januar nicht zurück. Einige kämpfen um den Wiedereinzug und könnten damit scheitern, andere haben von vornherein nicht mehr kandidiert. Dazu zählen neben Jüttner noch andere „politische Dinosaurier“, also solche Abgeordnete, die schon seit gefühlten Urzeiten dabei sind.
Einer bekommt am Donnerstag eine besondere Ehrung: Zum Abschied von Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) wird im Landtag mit breiter Mehrheit ein Gesetz beschlossen, das die Neuverschuldung um knapp eine Milliarde Euro verringert. „Vor fast genau zehn Jahren, kurz bevor ich Minister wurde, verdoppelte der Landtag die Nettokreditaufnahme. Jetzt sinken die neuen Schulden auf ein fast historisch niedriges Niveau. Man soll ja aufhören, wenn es am schönsten ist. Dieser Zeitpunkt scheint mir gekommen.“ Spontan spendet der ganze Landtag Beifall, die Abgeordneten der Koalition stehen auf.
Zuvor hatte der für seine ruppige Art bekannte Minister erklärt, dass es in den Finanzdebatten „nicht immer nur freundlich“ zugegangen sei und dies „zuweilen auch an mir“ gelegen habe. Doch auch Haushaltspolitik brauche „Herzblut, Emotion und Leidenschaft“. Landtagsvizepräsident Hans-Werner Schwarz, der auch aufhört, lobt Möllring für „Ecken und Kanten“ und seine „immer unterhaltsamen Beiträge“. Sogar der Marxist und Linken-Fraktionschef Manfred Sohn äußert eine leicht vergiftete Anerkennung: Trotz seines „manchmal an Überheblichkeit grenzenden Selbstbewusstseins“ sei Möllring „einer der großartigsten Redner des Landtags“ gewesen. Die CDU werde ihn vermissen.
Dickes Lob von CDU, SPD, FDP und Linken gibt es auch für den bisherigen Haushaltsabteilungsleiter Bernd Ellerbrock, der mit Möllrings Abschied in den Ruhestand wechselt. Heiner Aller (SPD), Möllrings Vorgänger als Minister, nennt Ellerbrock sogar den, der „die Politik im Wesentlichen gestaltet“ habe. Aller selbst hält auch seine letzte Rede, nach 30 Jahren im Landtag. „Das Parlament sollte mehr entscheiden und weniger vertagen“, lautet sein Vermächtnis. Als abschreckendes Beispiel habe er die unendliche Debatte um den Neubau eines Plenarsaals vor Augen.
Einer, der ebenfalls aufhört, bringt in dieser Woche kaum ein Wort heraus - weniger aus Ergriffenheit als vielmehr wegen einer Erkältung, die auf seine Stimmbänder schlägt: Landtagspräsident Hermann Dinkla. Zum letzten Mal eröffnet er heute eine Plenarsitzung.