Sie schlug im Spätsommer vergangenen Jahres sehr hohe Wellen – die angebliche Vergabeaffäre im niedersächsischen Sozialministerium. Der Sozialwissenschaftler und frühere hannoversche SPD-Chef Arno Brandt stand plötzlich im Verdacht, für sich und sein Institut einen 40.000 Euro umfassenden Auftrag zugeschustert bekommen zu haben.
Die hannoversche Staatsanwaltschaft ist dem Verdacht akribisch nachgegangen und hat nach ausführlichen Aktenrecherchen, Zeugenbefragungen, kurz monatelangen Ermittlungen, das Verfahren eingestellt.
„An den Vorwürfen war von Anfang an nichts dran. Man könnte sagen ,Viel Wind um Nichts’“, sagt der hannoversche Strafverteidiger Michael Nagel, der Anwalt Brandts. „Aber der Vorgang macht deutlich, wie schnell man in den Verdacht geraten kann, sich strafbar verhalten zu haben. Und wie wichtig Aufklärung durch eine gründliche, unabhängige und objektive Justiz ist.“
„Stille Post“ im Ministerium
In dem Fall, den vor allem die damalige Landtagsopposition aus CDU und FDP aufspießte, ging es um einen Auftrag, den das Institut Cima im Mai 2015 erhalten hatte. Es ging um eine „Potenzialanalyse zum Jobmotor soziale Gesundheitswirtschaft Niedersachsen“. Der Auftrag war aus einer beschränkten Ausschreibung unter drei Unternehmen hervorgegangen.
Die damalige Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) hatte im Untersuchungsausschuss, der im September noch kurz vor der Landtagswahl 2017 getagt hatte, stets betont, sie habe „weder im Guten noch im Schlechten“ Einfluss auf den Auftrag genommen und sei wohl Opfer „der stillen Post“ im eigenen Hause geworden.
Die fand sich in Form einer E-Mail einer Referatsleiterin, die ein Jahr zuvor notiert hatte, dass ein Auftrag wohl an die Cima gehen solle. Doch das war nach Recherchen der Staatsanwaltschaft in einem Gespräch zwischen Ministeriumsspitze und Brandt im Jahr 2014 definitiv nicht beschlossen worden.
Zeugenaussagen bestätigten jetzt der Staatsanwaltschaft die Sicht der Ministerin, wie aus der 25-seitigen Einstellungsverfügung hervorgeht. Auch eine Visitenkarte, die der Sozialwissenschaftler beim damaligen Büroleiter der Ministerin hinterließ, erwies sich nicht als Indiz für Filz und erhärtete auch nicht den Verdacht „wettbewerbsbeschränkender Absprachen“, der sich gegen den Wissenschaftler Brandt gerichtet hatte.
Aus Feinden wurden Brüder
Der arbeitet seit Januar dieses Jahres nicht mehr bei seinem alten Institut, hat durch die ganze Affäre nach Worten seines Anwaltes auch berufliche Nachteile erfahren, sich aber eine neue, eigene Existenz in Lüneburg aufgebaut. In die Öffentlichkeit geraten war sein Name durch den Untersuchungsausschuss, dessen Arbeit kurz nach dem Regierungswechsel eingestellt worden war – auch weil SPD und CDU sich durch die wundersame Fügung des Wahlergebnisses nicht mehr bekriegten, sondern koalierten. Ein halbes Dutzend andere „Vergabeaffären“ beschäftigen die Staatsanwaltschaft indes immer noch.
Von Michael B. Berger