Göttingen hat Deutschlands höchste Buchhändlerdichte

Göttingen ist nach wie vor Deutschlands Stadt mit der höchsten Buchhandelsdichte, berichtet der Börsenverein des deutschen Buchhandels. Bundesweit sinkt die Zahl der Leser. Von Lesemüdigkeit spürt Buchhändler Boris Tickenbrock wenig. Das Weihnachtsgeschäft habe gerade mal wieder gezeigt, dass das Buch „ungebrochen“ zu den beliebtesten Geschenken gehöre, berichtet der Filialleiter von Göttingens größter Buchhandlung Thalia. Über eine Fläche von 1800 Quadratmetern verfügt sein Haus an der Weender Straße 36/38. Im März 2010 ist es eröffnet worden. Drastisch verkleinert hat dagegen das Münchner Unternehmen Hugendubel im Juni 2018 seine Göttinger Filiale. Mit 260 Quadratmetern verfügt sie an der Weender Straße 39 nur noch über ein gutes Drittel der ursprünglichen Fläche. „Der Eingangsbereich der alten denkmalgeschützten Immobilie ist zu eng und nicht barrierefrei gewesen“, erklärt Hugendubel-Regionalleiterin Sabine Kuckuck. Zudem habe der Flächenzuschnitt auf den verschiedenen Etagen habe nicht mehr den Bedürfnissen entsprochen. Heute würden 500 Quadratmeter im Buchhandel als ausreichend gelten. 20 Prozent Nonbook-Artikel: „In meiner Heimatstadt Berlin gibt es Stadtviertel, da wäre eine Buchhandlung mit 100 Quadratmetern Fläche bereits zu groß“, kommentiert das Thalia-Filialleiter Tickenbrock. In einer Universitätsstadt wie Göttingen mit seinen vielen Lesern rechneten sich 1800 Quadratmeter. Dagegen sprächen auch nicht die vielen Nonbook-Artikel, die einen „signifikanten Anteil“ am Umsatz einspielten. Sie würden der Kundschaft einen „Mehrwert“ bieten. Bei der Eröffnung hatte Thalia davon gesprochen, dass 20 Prozent des Sortiments keine Bücher seien. Diese Zahl will Tickenbrock heute nicht bestätigen. Calvör hat sich spezialisiert: Auf 70 Quadratmeter hat sich die Göttinger Traditionsbuchhandlung Calvör 2011 verkleinert. Mit dem Umzug von der Weender Straße an die Jüdenstraße 23 ging eine Spezialisierung einher. Inhaber Eckart Kohl bietet heute Belletristik und ausgewählte Sachbücher an. Wissenschaftliche Literatur vertreibt er in einem Geschäft in der Zentralmensa. Die Kinder- und Jugendbuchhandlung in Bovenden hat er vor zwei Jahren aufgegeben. Roter Buchladen, Laura und BuchStern: Auch die anderen inhabergeführten Buchhandlungen in Göttingen setzen auf Spezialisierung. Linke, politische Literatur bietet der Rote Buchladen am Nikolaikirchhof 7. Frauen- und Kinderbücher gibt es bei Laura an der Burgstraße 21. Religiöse Werke und Devotionalien sind Schwerpunkte bei Hertel an der Kurzen Straße 14. Restbestände und Mangelexemplare vertreibt der BuchStern an der Theaterstraße. Gaby Peters Laden Baghira setzt auf Bilderbücher: Kinderbücher verkauft Gaby Peters seit drei Jahren in ihrem Geschäft Baghira an der Wendenstraße 2. Bei der ehemaligen Deuerlich-Mitarbeiterin finden Kunden unter anderem gendergerechte Bilderbücher, wo Männer am Herd stehen. Peters führt insbesondere Bücher kleiner Verlage und betreibt zudem ein Antiquariat. In Deutschland gibt es rund 6000 Unternehmen, die Bücher verkaufen, berichtet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. 3500 von ihnen sind kleine unabhängige Buchhandlungen, 1300 Filialen von Ketten wie Thalia oder Hugendubel. Daneben gibt es 1300 Buchverkaufsstellen, bei denen Bücher nicht das Kernsortiment bilden, etwa Tankstellen und Supermärkte. Sie erwirtschafteten 2018 zusammen mit insgesamt 27500 Mitarbeitern 4,3 Mrd. Euro Umsatz. Das war knapp die Hälfte des gesamten Buchhandelsumsatz. Etwa 90 Prozent der Buchhandlungen sind klein und unabhängig. Auf sie entfiel ein Viertel der Umsatzes. Den Rest erwirtschafteten die verbleibenden zehn Prozent. Rund zwei Drittel der Buchhandlungen verkaufen mittlerweile Bücher auch online. Das Online-Geschäft wächst seit Jahren. Der Umsatz des gesamten Buchmarkts ist in den vergangenen zehn Jahren konstant geblieben. Die Zahl der Buchkäufer geht allerdings bei den 20- bis 49-Jährigen zurück. Bei dieser Altersgruppe treten Filmserien an die Stelle des Buchs, hat der Börsenverein ermittelt. Auch wer sich spezialisiert, muss sein Sortiment zum Teil neu ausrichten. „Wir haben früher viele Kunstbücher angeboten, aber da ist die Nachfrage bereits vor zehn Jahren eingebrochen“, erinnert sich der Inhaber der Eulenspiegel-Buchhandlung, Reiner Grabe. Er konzentriert sich heute auf spirituelle Lebenshilfe sowie ausgewählte Sachbücher. Konkurrenz durch Amazon: „Der eigentliche Wettbewerber der inhabergeführten Buchhandlung sind nicht die Filialisten, sondern Amazon“, betont Grabe überzeugt. Die meisten Göttinger Buchhändler haben sich darauf eingestellt. Kunden können auch bei ihnen online bestellen und sich die Bücher nach Hause oder ins Geschäft liefern lassen. „So stärken sie den Buchhandel vor Ort“, betont Calvör-Chef Kohl. Von Michael Caspar

Erhebung des Börsenvereins - Göttingen hat Deutschlands höchste Buchhändlerdichte