Andreas Staier spielt Beethoven auf dem Hammerklavier in der Uni Aula Göttingen

Der Pianist Andreas Staier gibt jedem Werk eine ganz eigene Note: Zum einen interpretiert er Kompositionen sehr verinnerlicht und schält in seinem Spiel die innere Essenz des Werkes heraus. Zum anderen verleiht er der Musik am Hammerflügel eine ungewohnte klangliche Klarheit. Am Sonntag gastierte er auf Einladung der Göttinger Kammermusikgesellschaft unter dem Motto „Beethoven extraordinaire“ in der Aula der Universität. Im Mittelpunkt des Abends: eine historisch informierte Aufführung von Werken von Ludwig van Beethoven (1770-1827) an der Kopie eines historischen Instruments. Damit war an diesem Abend der Klang zu hören, den man zu Lebzeiten Beethoven auch vernommen hat. Staier im Konzert zu hören ist ein Erlebnis: Der 64-Jährige betritt bescheiden und leger gekleidet die Bühne, verzichtet auf Ansagen und setzt sich an den Flügel. Er setzt Töne mit Bedacht, tariert Passagen sensible aus zwischen leise und laut. Der gebürtige Göttinger schafft den Spagat, Musik zu einen sachlich und vergeistigt wirken zu lassen und doch den Zuhörer emotional zu berühren. Wenn er spielt, spürt man, aus welcher inneren Tiefe diese Musik kommt. Er ist so mit dem Werk vereint, dass es nach der letzten Note sichtbar einen kurzen Moment braucht bis er wieder im Hier und Jetzt ist. Neue, ungehörte Einblicke: Ungewohnt ist der Anblick in der Aula: Ein holzfarbener Hammerflügel von 1822 steht auf dem Podium. Staier bevorzug es, auf historischen Instrumenten zu spielen – bei diesem Göttinger Konzert auf einer Kopie nach dem Wiener Klavierbauer Conrad Graf. Dadurch erhält seine Interpretation eine Ästhetik der zarten und intimen Töne und die Aura des authentischen Klangs der Beethoven-Zeit. Staiers Spiel auf diesem Hammerflügel wirkt auf den ersten Eindruck unprätentiös und angenehm zurückhaltend. Das im Vergleich zum modernen Flügel leiser und wärmer klingende Instrument hat den Vorzug, dass Melodien und Harmonien plötzlich präsenter sind – und neue, ungehörte Einblicke in die Werke bieten. Im Zentrum des gut besuchten Konzerts stehen drei Werke von Beethoven. Mit der Sonate für Klavier G-Dur op. 31 Nr. 1 aus dem Jahr 1801/02 präsentiert Staier im Allegro vivace einen fröhlichen Beethoven. Das Adagio färbt er ruhig, fast schon kontemplativ. Im abschließenden Rondo/Allegro arbeitet er sehr schön die darin verborgenen Melodien heraus. In Beethovens Sechs Variationen op. 34 aus dem Jahr 1802 zeigt Staier, wie virtuos er spielen kann. Allerdings spürt man auch: Er will nie als Virtuose glänzen. Dieser introvertiert und nachdenklich wirkende Musiker agiert stets als Diener des Komponisten. Seziert wie mit einem Skalpell: Das pianistische Spätwerk von Beethoven stellt Staier mit den Sechs Bagatellen für Klavier op. 126 aus dem Jahr 1823/24 vor. Hier erlebt man die ganze große Kunst von Beethovens Klaviermusik und von Staiers Spiel auf dem Piano: Jede einzelne Bagatelle seziert er wie mit einem Skalpell in einzelnen Passagen. Diese geht er ganz individuell an, lässt Melodien leuchten und den verleiht Stücken jeweils einen eigenen musikalischen Schwung – vom verhaltenen Andante bis zum vorwärtsschreitenden Presto. Staiers Interpretation präsentiert die zarte Seite von Beethovens Klaviermusik. Angenehm luftiger Hammerflügel: Umrahmt werden diese Werke durch Kompositionen von Mozart und Haydn – zwei Wegbereiter hin zu Beethovens Musik. Großartig geht Staier Wolfgang Amadeus Mozarts Fantasie c-Moll KV 475 an: Er beginnt das Werk meditativ, um dann aus dieser Träumerei heraus Melodien fließen zu lassen. Den Wendungen dieser Fantasie lässt er gebührend Zeit und Raum – und dem Zuhörer Zeit sie zu genießen. In Joseph Haydns temperamentvollen Sonate für Klavier Es-Dur zeigt der Pianist wie angenehm luftig, der Hammerflügel in aufbrausend lauten Momenten bleibt – die Melodien sind immer hervorragend wahrnehmbar. Für den herzlichen Applaus des Publikums bedankt sich Andreas Staier mit einer Zugabe: den Mittelsatz (Andante cantabile) aus Mozarts Klaviersonate C-Dur KV 330 – zart gespielt, verinnerlicht und zum Träumen schön. Man spürt bei jedem Ton: Hier spielt jemand aus dem Herzen. Am Sonntag, 22. März, gastiert das Atos-Trio mit Werken von Dussek, Beethoven und Hummel. Beginn ist 19.45 Uhr in der Aula der Universität, Am Wilhelmsplatz, Göttingen. Von Udo Hinz

Aulakonzert - Andreas Staier spielt Beethoven auf dem Hammerklavier