Bonpflicht ein Jahr danach: Bäckereien in Göttingen kreativ gegen die Papierflut

Eine Frage, die auch nach einem Jahr Bonpflicht in Bäckereifilialen selten zu hören ist, lautet: „Möchten Sie den Kassenbon dazu?“ Doch kaum ein Kunde möchte ihn haben. Im Januar 2021 sind die Probleme, mit denen die Bäckereien auch in Göttingen und der Region im Zusammenhang mit der Verpflichtung kämpfen, jede Transaktion auf einem ausgedruckten Kassenzettel zu verewigen, dieselben wie im Januar 2020, als diese Pflicht noch als akut drängendstes Problem der Branche angesehen wurde. Dabei gibt es Alternativen zum papiernen Beleg: Bäckereien wie Hermann und Ruch versuchen sich an einer Digitalisierung des Bonwesens – doch das hat seine ganz eigenen Tücken. „Vor der Einführung des digitalen Bons hatten wir seit Beginn der Bonpflicht enorme Berge an ungewollten Kassenzetteln“, berichtet Jana Linde von der Bäckerei Hermann in Rosdorf. Zusätzlich problematisch daran: Das Thermopapier, auf dem Kassenbons gedruckt werden, darf nicht einfach in der Papiertonne entsorgt werden. Dass sich zusätzlich noch der Verbrauch an Kassenrollen vervielfacht hatte, habe die Situation verschärft. Digitale Kassenzettel sollen Bäckereien entlasten: Erfüllen mussten die Bäckereien die gesetzlichen Vorgaben dennoch: „Wir haben die bürokratischen Anforderungen pflichtbewusst und gesetzeskonform umgesetzt, auch wenn damit erneut viel Zeit und Geld verschwendet wird“, fasst Jan Philipp Gresens, Geschäftsführer der Bäckerei Ruch, ebenfalls aus Rosdorf, die Situation zusammen. Seine Bilanz nach einem Jahr Bonpflicht: „Nur Nachteile.“ Erst habe man die Kassen umprogrammieren müssen, damit sie automatisch Bons ausdrucken, dann seien die Bons in aller Regel direkt im Müll gelandet – ein aufwendiges und wenig sinnvolles Unterfangen also. Lesen Sie auch: Darum boykottiert das Studentenwerk die Bonpflicht „Einfach Müllproduktion“ – Bäcker sehen sich in Kritik an Kassenbonpflicht bestätigt Bonpflicht ab 2020: Die ersten Geschäfte meutern dagegen Bonpflicht-Alternativen: So kreativ wehrt sich Deutschlands Mittelstand Bonpflicht: Wie umweltschädlich ist die Bürokratie? Bonpflicht: Die meisten Kunden in Niedersachsen lehnen Belege beim Bäcker ab Ein Ansatz zur Entschärfung der Lage schien naheliegend: die Einführung eines digitalen Kassenbons. Diese Alternative bieten bundesweit mittlerweile viele Bäckereien an – so auch Hermann und Ruch. Das Prinzip ist ein einfaches: Der Kunde kann mit seinem Smartphone einen QR-Code auf dem Kundenbildschirm der Kasse einscannen, die Bäckerei erspart sich den Ausdruck. Ein Modell, das auf den ersten Blick zu funktionieren scheint: „Die Resonanz ist sehr gut. Kunden, die den Bon brauchen, nehmen das Angebot gern an“, berichtet Linde. Damit könnten die Kunden der Bäckerei aktiv helfen. Seit dem 1. Januar 2020 gilt in Deutschland die Belegausgabepflicht. Diese diene der „verstärkten Transparenz gegen Steuerbetrug“, wie das Bundesfinanzministerium auf seiner Homepage schreibt. Auf dem Ausdruck müssen neben den üblichen Daten wie beispielsweise dem Namen und der Anschrift des Unternehmens der entfallende Steuerbetrag und der anzuwendende Steuersatz enthalten sein. Die Belegausgabepflicht ist „bewusst technologie-neutral ausgestaltet“, erläutert das Finanzministerium. Das bedeutet, dass die Kassenbons in ausgedruckter Form vorliegen sollten. Wer sich nicht daran hält, muss zumindest keine Geldstrafe fürchten: Der Verstoß ist nicht bußgeldbewehrt. Allerdings könnte das Finanzamt eine Weigerung zur Bonausgabe als Indiz werten, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde und somit bei der nächsten Überprüfung genauer hinschauen. Ausnahmen von der gesetzlichen Pflicht gibt es nur bei Härtefällen: Wann diese vorlägen, sei eine Frage des Einzelfalls und vor Ort zu prüfen. Die Grenzen des Digitalen: Doch so praktisch die Alternative zum Papier klingt, so wenig nützt sie bei näherer Betrachtung. Denn: „Die allerwenigsten Kunden verlangen tatsächlich ausdrücklich einen Bon“, so Linde weiter. Eine Beobachtung, die Gresens auch ein Jahr nach Einführung der Bonpflicht teilt: „Der Kunde scannt den digitalen Kassenbon so gut wie nie ab.“ Entsprechend gering ist dann unter dem Strich die Entlastung für die Bäckereien. „Wir kommen den rechtlichen Anforderungen nach, der Kunde hat hierdurch aber keinen Mehrwert“, fasst Gresens das Dilemma zusammen. Eine große Hilfe könnten die Kunden dabei letztlich nicht sein, selbst wenn sie wollten, so der Geschäftsführer weiter. Auch bei der Bäckerei Hermann fragt man sich: „Wenn der Kunde keinen ausgedruckten Bon haben möchte – warum sollte er dann den digitalen Bon benötigen?“ Dennoch: So gering die Entlastung durch den digitalen Kassenzettel sein mag, sie ist eine Entlastung. Unterstützung in der schweren Zeit der Corona-Pandemie können sich die Bäckereien allerdings auch weiterhin nur ganz konkret durch ihre Kunden erhoffen. Nur wenn die Menschen regionale Bäckereien aufsuchten und unterstützten, betont Gresens, bestehe die Hoffnung, dass es die aktuelle Vielfalt auch in einem Jahr noch gibt. Von Tammo Kohlwes