Fotoausstellung in Göttingen Geschäftsfrauen zeigen sich von ihrer weiblichen Seite

Bildlich aus dem Business-Schatten getreten sind 50 Unternehmerinnen, Selbständige und weibliche Führungskräfte aus Südniedersachsen, haben Mut und Haut gezeigt und Lydia Boenisch vertraut. Die Northeimer Fotografin hat die Frauen in eleganten Kleidern abgelichtet, die großformatigen Schwarz-Weiß-Porträts zur Ausstellung „The Sense of Business Woman“ zusammengestellt. Die Vernissage im Göttinger Autohaus Rolf glich einem fröhlichen Happening, war als blind date mit dem eigenen Konterfei konzipiert. Keine der Frauen hatte ihr Foto zuvor gesehen, jede sollte eines der verhängten Porträts auf Staffeleien und an der Fensterfront enthüllen: „Schwärmt aus, reißt die schwarzen Folien ’runter!“ Mit dem Zuordnungsprozess wollte Boenisch auch Gespräche in Gang bringen und für Interaktion sorgen. Das ist ihr gelungen. Auf die Ausstellungsidee ist die 50-jährige Inhaberin der Fotoagentur „Pink Chocolate“ gekommen, weil Geschäftsfrauen häufig in Anzug und Krawatte zu Foto-Shootings kamen. Im Berufsleben würden sie sich oftmals anders als männliche Unternehmer nicht in den Vordergrund drängen, meint Boenisch. Das wollte sie ändern, die Frauen dazu bringen, sich zu zeigen – statt im Business-Look auch mal im Gala-Outfit: „Geschäftsfrauen sollten Weiblichkeit zeigen können, ohne darauf reduziert zu werden – obwohl das nicht einfach ist.“ Dresscodes und Rollenklischees: Die Zeiten, als in Autohäusern noch Pirelli-Kalender hingen, sind schon lange vorbei. An vielen Rollenklischees und Verhaltensmustern hat sich aber wenig geändert – auch bei Kleidung und Dresscodes. Das bekam nicht nur die Kanzlerin zu spüren, als sich die Boulevardpresse auf ihr Dekolletée stürzte. Männer haben es da einfacher, ob lässige Hemdsärmeligkeit oder Bieranzug. Frauen sehen sich nicht nur den Blicken von Männern ausgesetzt, sondern auch von anderen Frauen beäugt. Das macht die Sache nicht einfacher, immer wieder zu einer Gratwanderung zwischen Sinnlichkeit und Seriösität. Bin ich zu bieder oder zu anbiedernd bekleidet, zu freizügig oder zu zugeknöpft? Dass es Männer kleidungstechnisch leichter haben, meint auch Odila Scheuer, die zu den Porträtierten gehört. „Die Fallen und Fettnäpfchen für Frauen sind größer“, sagt die Chefin von „Just in Style“, die auch Outfit- und Imagecoaching anbietet: „Die wenigsten Männer tragen weit aufgeknöpfte Hemden, Frauen wird vorgegeben, dass das Dekolletée schön auszusehen hat.“ Bezeichnend ist auch die Anmerkung einer Ausstellungsbesucherin vor einem Foto, auf dem eine Porträtierte lasziv am Reißverschluss ihres Kleidausschnittes nestelt: „Würde Sie das im Geschäft tragen, würde ihr keiner mehr in die Augen schauen.“ Künstlerin zeigt sich hüllenlos: „Zu freizügig sollte man sich bei der Arbeit nicht kleiden, das wirkt zu unseriös“, sagt Dorothe Meyer, die in Northeim eine Praxis für Stimmtherapie betreibt. Dort kleidet sie sich bequem, „damit ich gut atmen kann“. Für das Foto hat sie sich schick gemacht und genießt es durchaus, „auch mal im langen Abendkleid auf der Bühne zu stehen“. Besonders viel Mut gezeigt hat die gebürtige Moskauerin Evdokia Kulikova. Die Künstlerin mit Atelier in Northeim, die am 25. Oktober eine Ausstellung im Café am Brotmuseum in Ebergötzen eröffnet, hat sich hüllenlos ablichten lassen. Auch dabei hat sich das Vertrauen in die Fotografin bewährt. Das Porträt wirkt keineswegs anzüglich, ein großer Blumenstrauß verdeckt das Nötigste. „Die Bilder sind Schwarz-Weiß, es gibt aber mindestens 1000 Grautöne. Boenisch arbeitet mit Licht, Schatten und Konturen“, sagte Autohaus-Betreiber Friedrich Rolf bei der Eröffnung: „Gehen Sie mehrfach durch die Ausstellung, um das zu erleben!“. Eigentlich wollte Lydia Boenisch nur 15 Geschäftsfrauen für ihr Fotoprojekt „The Sense of Business Woman“ gewinnen. 50 sind es dann geworden. Offenbar hat Boenisch einen Nerv getroffen. Wegen der Menge an Porträts entwickelte sich die Ausstellung zu einer organisatorischen Herausforderung und Materialschlacht. „Der E-Mail-Schriftverkehr war immens“, sagt Boenisch: „Und wir brauchten viele große Rahmen.“ Unterstützt wurde sie von Sylvia Deneke und Nicole Busch, für Make-Up und Frisuren sorgte unentgeltlich Ute Laue mit dem Team ihres Haarstudios in Northeim. Im 30-Minuten-Takt wurden die Unternehmerinnen an zwei Wochenenden abgelichtet. Zu sehen ist die Fotoausstellung mit den Geschäftsfrauen-Porträts in Gala-Robe und eleganten Kleidern bis Ende Oktober im Citroen-Autohaus Rolf in Göttingen, Anna-Vandenhoeck-Ring 2. Boenisch will die Fotos auch auf ihrer Website lydiaboenisch.com präsentieren, im kommenden Jahr dann jede Woche eine Frau mit ihrem Unternehmen vorstellen. Von Kuno Mahnkopf

Fotoprojekt - Enthüllung in Göttinger Autohaus: Geschäftsfrauen zeigen sich von ihrer weiblichen Seite