Göttingen: Carl Zeiss AG erstmals seit zehn Jahren mit Umsatzrückgang

Nach Jahren steter Zuwächse hat die Corona-Pandemie den Optikkonzern Zeiss im abgelaufenen Geschäftsjahr ausgebremst. Der Umsatz fiel im Geschäftsjahr 2019/2020 zum Stichtag am 30. September um zwei Prozent auf 6,3 Milliarden Euro, wie der Vorstandsvorsitzende Karl Lamprecht am Donnerstag bei einer digitalen Pressekonferenz am Stammsitz in Oberkochen (Ostalbkreis) sagte. Damit endete eine zehn Jahre dauernde Folge steigender Umsätze. Der Gewinn ging um 132 Millionen Euro auf 616 Millionen Euro zurück. Zeiss betreibt mehr als 100 Standorte weltweit, darunter auch in Göttingen. Dort sind etwa 400 Mitarbeiter angestellt, die überwiegende Mehrheit ist Teil der Carl Zeiss Component & Module Production GmbH, die seit Oktober 2016 in Göttingen ihren Sitz hat. Nicht alle Konzernsparten waren von der Corona-Pandemie in gleichem Maße betroffen. So stieg im Bereich der Halbleiterfertigungs-Optiken der Umsatz um zwölf Prozent, während die anderen Sparten des Konzerns jeweils Umsatzeinbußen zwischen sechs und neun Prozent verzeichneten. Im Bereich Consumer Markets waren die Folgen der Pandemie am stärksten zu spüren. Durch Geschäftsschließungen während des Lockdowns im Frühjahr blieb der Umsatz mit Brillengläsern um neun Prozent hinter dem Wert des Vorjahres zurück. Besonders in den Wirtschaftsräumen Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) sowie in Nord- und Südamerika sei ein Umsatzrückgang aufgrund der Corona-Pandemie erkennbar gewesen. Lesen Sie auch Göttinger Firma beteiligt beim Aufbau eines Teilchenbeschleunigers Einbeck: KWS Saat steigert Umsatz um 15 Prozent Joachim Kreuzburg: Sartorius-Beteiligung an Göttinger Firma Curexsys zeigt lokale Potenziale Nachfrage kommt verstärkt aus Pharmazie: Das Geschäft mit industrieller Messtechnik der Sparte Industrial Quality & Research habe die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie besonders deutlich gespürt, da diese den Struktur- und Technologiewandel insbesondere in der Automobilindustrie verstärke. Der Aerospace-Markt sei ebenfalls stark getroffen worden. Das Geschäft mit optischer 3-D-Messtechnik dagegen konnte nahezu auf dem Vorjahresniveau gehalten werden, das Mikroskopie-Geschäft habe sich insgesamt leicht rückläufig entwickelt. Verstärkte Nachfragen seien dagegen aus Lebenswissenschaften und Pharmazie eingegangen: „Internationale Forscher nutzen Mikroskope von Zeiss, um das Coronavirus und seine Verbreitungsmechanismen zu erforschen“, hieß es während der digitalen Pressekonferenz. Geholfen hätten dem Unternehmen während der Pandemie das breite Portfolio und die globale Aufstellung. Rund 90 Prozent des Umsatzes erwirtschaftete der Konzern im Ausland. Dabei habe China im ablaufenden Geschäftsjahr erstmals die USA als größten Absatzmarkt abgelöst. Maßnahmen gegen Pandemie-Auswirkungen greifen: „Das Geschäftsergebnis zeigt, dass unsere Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Pandemie sehr gut gegriffen haben. Unsere langfristige, globale Investitionsstrategie, die Investitionen in Innovationen und Digitalisierung sowie in den Ausbau der Infrastruktur beinhaltet, konnten wir konsequent weiter verfolgen“, sagte Christian Müller, Finanzvorstand der Carl Zeiss AG. Im Geschäftsjahr 2019/2020 habe das Unternehmen seine Aufwendungen für Forschung und Entwicklung erneut erhöht – auf 812 Millionen Euro. „Das entspricht rund 13 Prozent unseres Umsatzes“, führte Müller aus. Mit mehr als 32.000 Mitarbeitern ist Zeiss in fast 50 Ländern mit rund 30 Produktionsstandorten, 60 Vertriebs- und Servicestandorten sowie 27 Forschungs- und Entwicklungsstandorten weltweit aktiv. Hauptstandort des 1846 in Jena gegründeten Unternehmens ist Oberkochen, Deutschland. Alleinige Eigentümerin der Dachgesellschaft, der Carl Zeiss AG, ist die Carl-Zeiss-Stiftung, eine der größten deutschen Stiftungen zur Förderung der Wissenschaft. Zeiss entwickelt, produziert und vertreibt Lösungen für die industrielle Messtechnik und Qualitätssicherung, Mikroskopielösungen für Lebenswissenschaften und Materialforschung sowie Medizintechniklösungen für Diagnostik und Therapie in der Augenheilkunde und der Mikrochirurgie. Das Unternehmen steht nach eigenen Angaben auch für die weltweit führende Lithographieoptik, die zur Herstellung von Halbleiterbauelementen von der Chipindustrie verwendet wird. Produkte wie Brillengläser, Fotoobjektive und Ferngläser stellt der Konzern ebenfalls her. Trotz der Corona-Krise stieg die Zahl der Mitarbeiter um drei Prozent auf 32. 200, von denen rund 13.000 in Deutschland arbeiten. Der Konzern erwarte auch im kommenden Geschäftsjahr Auswirkungen durch die Corona-Pandemie und gehe von einem leicht steigenden Umsatz aus, hieß es: Er sei überzeugt davon, dass „der Wachstumskurs von Zeiss mittel- und langfristig ungebrochen ist“ und der Konzern gestärkt aus der Krise hervorgehen werde, teilte der Vorstandsvorsitzende Karl Lamprecht mit. Von Tobias Christ mit dpa