Göttingen: Fachkräftemangel ist ein großes Thema

Deutschlandweit herrscht Fachkräftemangel – auch in Südniedersachsen. Wie drastisch dieser in der Region ausfällt, verdeutlichten Martin Rudolph, Leiter der Geschäftsstelle Göttingen der IHK Hannover und Kreishandwerksmeister Christian Frölich in ihren Online-Vorträgen während der Südniedersachsenkonferenz. In der Veranstaltungsreihe der Südniedersachsenstiftung stand am Donnerstagnachmittag, 14. Januar, das Thema „Fachkräfte in, aus und für Südniedersachsen“ an. Lesen Sie auch Zweite Südniedersachsenkonferenz thematisiert Grüne Wasserstoffmobilität Göttingen: Welcome Centre erhält neue Servicestruktur Göttingen: Studie belegt, dass die Arbeit im Handwerk glücklich macht Baukonjunktur erlebt in der Region Göttingen unerwartetes Boom-Jahr 2020 Die Fachkräftesituation habe sich durch die Corona-Pandemie noch einmal verschärft, meinte Frölich. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Handwerksbetriebe seien enorm. „Vielen fehlt die Liquidität, um einen noch längeren Lockdown zu überstehen“, sagte der Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen. Im Baugewerbe gebe es den geringsten Einbruch, doch etwa Friseure, Wäschereien und Brauereien seien wesentlich stärker betroffen. Er gehe davon aus, dass viele Betriebe auch im Februar noch stark eingeschränkt sein werden. „Wir brauchen schnell staatliche Hilfen“, betont Frölich. Die Bundesregierung habe zwar viele Hilfen angekündigt, „die müssen aber auch kommen“. Diese zum Teil existenziellen Belastungen hätten dazu geführt, dass der ein oder andere Betrieb das Thema Fachkräfteausbildung und Ausbildung nicht so wahrnehmen konnte, wie angedacht. „Wir haben die Sorge, dass sich das fortsetzt.“ Im Handwerk würden Fachkräfte in einem Umfang fehlen, der das Wachstum erheblich bremse. Leute, die ausscheiden, könnten deshalb nur schwer ersetzt werden. Zudem hätten ihm Betriebe berichtet, dass es immer schwerer falle, Auszubildende zu finden, sagte Frölich. Erschwerend komme dazu, dass aufgrund der Covid-19-Pandemie keine Praktika möglich seien. Betriebliche Ausbildung geht um 16 Prozent zurück: Die beste Absicherung gegen Fachkräftemangel sei die Ausbildung im eigenen Betrieb, sagte Rudolph. Der fehlende Abiturjahrgang und die Corona-Pandemie hätten für einen Ausbildungsrückgang von etwa 16 Prozent gesorgt, „das ist weniger als erwartet“, denn man hatte mit bis zu 23 Prozent gerechnet. Der Großteil werde aber durch den fehlenden Abschlussjahrgang begründet, nicht durch Corona. Die Lücke liege außerdem nicht bei den Akademikern, sondern bei den Fachkräften. Die Wirtschaft unterliege sehr schnellen Veränderungen, Systeme, die nicht auf Flexibilität getrimmt seien, würden dadurch in Schwierigkeiten geraten. Deshalb würden die Erst- und die Folgeausbildung stark an Bedeutung gewinnen, „das dürfen wir in den nächsten Jahren nicht aus den Augen verlieren“. Auch die Zusammenarbeit mit Berufsschulen werde immer wichtiger und müsse verstärkt werden. Doch nicht nur in Unternehmen, auch in Institutionen würden Fachkräfte fehlen, so Rudolph. Ein entscheidender Punkt sei die Attraktivität der Arbeitgeber: „Ein Zuzug von Menschen ohne attraktive Arbeitgeber ist nicht möglich.“ Es existierten schon verschiedene Programme, die verstärkt werden müssten. Denn: „Zufriedene regionale Fachkräfte sind die perfekten Markenbotschafter“, argumentierte Rudolph. Vieles habe sich durch die Corona-Pandemie verändert, schreibt der Vorstandsvorsitzende der Südniedersachsenstiftung, Martin Rudolph, in der Projektbeschreibung der Südniedersachsenkonferenz. „Wir leben in schwierigen, wenig vorhersehbaren Zeiten. Gerade jetzt gilt es, sich im Krisenmodus neu aufzustellen und gezielt auf die Zukunft hin auszurichten.“ Eine netzwerkübergreifende und lösungsorientierte Plattform für die Region sei deshalb wichtiger denn je. Diese soll die Vortrags- und Talkreihe bieten. Die Online-Veranstaltungsreihe geht am Donnerstag, 28. Januar, um 14 Uhr weiter. Dann steht die Kunst- und Kreativwirtschaft auf dem Plan. Wie ist es um die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region bestellt – und wie kann ein Netzwerk für Südniedersachsen dazu beitragen, die Folgen der Corona-Pandemie für die Branche abzufedern? Diesen Fragen widmen sich Vertreter aus Kunst, Kultur und Politik in einem Vision Talk. Zudem erhalten die Teilnehmer in Impulsvorträgen Einblicke aus erster Hand in die Netzwerk- und Förderpraxis. Anmeldungen sind online unter www.suedniedersachsenstiftung.de/anmeldung-snsk2020 möglich. Potenzial wird nicht ausgeschöpft: „Das bestehende Potenzial wird nicht genug ausgeschöpft“, sagte der Vertreter der Industrie- und Handelskammer. Man denke zu sehr in bestimmten Kategorien – diese Gruppenbetrachtung gehe zu wenig auf das Individuum ein. „Da müssen wir eine andere Perspektive entwickeln zur individuellen Forderung und Förderung des Einzelnen“, betonte Rudolph. Werbung sei immens wichtig. Auch für das Handwerk müsse immer wieder geworben werden, meinte Frölich: „Das Handwerk wird in allen Zukunftsbereichen gebraucht.“ Dort könnten junge Menschen zudem schnell ihr eigener Chef werden. „Wir bemühen uns vor Ort um direkte Ansprache an Schulen und in den sozialen Medien“, sagte Fröhlich. Eine Studie der Universität Göttingen habe ergeben, dass mehr als 80 Prozent der Handwerker stolz seien auf das, was sie tun. Und noch ein weiteres Ergebnis förderte die Umfrage unter 1600 Handwerksbetrieben zutage: „Handwerk macht glücklich. Das müssen wir der Jugend vermitteln.“ Von Tobias Christ

Göttingen: Fachkräftemangel ist ein großes Thema – auch durch Corona