Göttingen: Große Firmen setzen auf Corona-Schnelltests

Corona-Schnell- und Selbsttests sind derzeit in aller Munde – beziehungsweise in den Nasen. Die Tests stellen eine Möglichkeit dar, binnen einer Viertelstunde herauszufinden, ob sich eine Person mit dem SARS-Cov2-Virus infiziert hat. Für größere Unternehmen könnten sie den Unterschied bedeuten zwischen Produktionsstopp und einem unter Pandemiebedingungen relativ normalen Arbeitsablauf. Doch werden die Schnelltests genutzt? Das Tageblatt hat sich umgehört. Bei einer Reise von einer Niederlassung zur anderen seien die Schnelltests ein „Gamechanger“, betont Martin Löwer aus dem Krisenstab beim Göttinger Distributionsunternehmen Zufall. Die Logistikfirma beschäftigt 2200 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten und operiert europaweit. Etwa die Hälfte der Angestellten arbeiteten im gewerblichen Sektor, verdeutlicht Zufall-Pressesprecher Florian Grewe, hinzu kämen etwa 200 weitere, die nicht im Home-Office tätig sein könnten. Deshalb setze man bereits auf Corona-Schnelltests und wolle dieses Angebot nun ausweiten. Etwa 1300 Mitarbeiter könnten so zukünftig auf freiwilliger Basis getestet werden, am besten gleich zweimal pro Woche. „Wir schauen gerade, wie wir das aufsetzen“, sagt Grewe. Zufall setzt bereits auf Schnelltests: Bislang habe Zufall die Schnelltests im Rahmen sogenannter Sonderfreigaben genutzt: Wenn beispielsweise ein Standortwechsel unabdingbar sei, würden Taskforceleiter, Krisenstab und Betriebsrat entscheiden, ob das Risiko einzugehen sei, erläutert Löwer. Gibt es grünes Licht, kämen auch die Schnelltests zum Einsatz. Das Unternehmen überlasse so wenig wie möglich dem Zufall, fügt Krisenstabsleiter Gunnar Heunisch hinzu. Neben umfangreichen Corona-Schutzmaßnahmen in den verschiedenen Niederlassungen, wie etwa Maskenpflicht, Kontaktreduzierung auf ein Minimum, Home-Office, dem Verzicht auf Dienstreisen und vielem mehr hat Zufall vor jedem Eingang nun Waschbecken installiert. Ohne Händewaschen kein Einlass, lautet die Devise. Und auch bei Verdachtsfällen auf eine Infektionen gibt es einen genau geregelten Ablauf, der auch befolgt werde. Lesen Sie auch Northeim: Schnelltests vor Kreistagssitzung Ab wann gibt es kostenlose Corona-Schnelltests im Landkreis Göttingen? Corona-Selbsttest: Verbraucherzentrale rät zur Vorsicht beim Kauf Corona-Selbsttest: So funktioniert die Anwendung zu Hause Corona: Schnelltest und Selbsttest – was ist der Unterschied? Corona-Schnelltest und Selbsttest: Wie sicher und aussagekräftig sind sie? Damit sei Zufall bislang sehr gut gefahren: „Wir hatten zwar bereits einige Corona-Einträge von außen, bei denen sich die Mitarbeiter innerhalb der Familie angesteckt hatten, aber noch keinen Übertragungsfall innerhalb der Firma“, betont Löwer. Nun gebe es mit den Schnelltests eine weitere Möglichkeit der Absicherung, die verstärkt genutzt werden solle. Erhebliche Lieferschwierigkeiten bei Selbsttests: Auch der Saatguthersteller KWS in Einbeck setzt auf den schnellen Nasenabstrich: „Wir versuchen derzeit, eine größere Menge der Selbsttests zu bestellen. Aktuell bestehen jedoch noch erhebliche Lieferschwierigkeiten“, erläutert Unternehmenssprecherin Sina Barnkothe. „Aus unserer Sicht bedarf es zur Durchführung der Selbsttests zudem einer behördlichen Leitlinie, wie im Falle von positiven Testergebnissen seitens Arbeitgeber und -nehmer konkret vorzugehen ist“, ergänzt sie. Klar sei zudem, dass die Durchführung von Selbsttests in der momentanen Phase der Pandemie die bereits etablierten Schutzmaßnahmen, wie die vermehrte Nutzung des Home-Office oder das Tragen von Schutzmasken unter bestimmten Voraussetzungen zwar ergänzen, aber keinesfalls ersetzen könne. Ähnlich verhält es sich beim Göttinger Laserhersteller Coherent: „Wir bemühen uns derzeit um die Beschaffung von Selbsttests. Hier stehen wir auch in engem Kontakt zu unserem Betriebsarzt und lassen uns beraten, welche Selbsttests für den betrieblichen Einsatz geeignet sind, welche einfach zu handhaben sind und in welchem Rhythmus das Testen sinnvoll ist“, erklärt Kai Schmidt, General Manager der Excimer Laser Business Unit bei Coherent. Sobald die Tests in ausreichender Anzahl verfügbar seien, sollen diese nach Möglichkeit den Mitarbeitenden, aber auch externen Besuchern, Dienstleistern, Zeitarbeitskräften und Handwerkern – „eben all denen, die unsere Firma betreten wollen“ – zur Verfügung gestellt werden. Gebrauchsanleitung für den Selbsttest im Video: Bei erforderlichen Dienstreisen würden bereits „in Abhängigkeit von der konkreten Infektionslage“ Schnelltests oder PCR-Tests angeboten. Dieses Angebot gelte auch für Kollegen von anderen Standorten oder für Kunden, die die Göttinger Applikationslabore nutzen. Mit der Verfügbarkeit von Selbsttests werde das Angebot auf alle Dienstreisenden ausgeweitet. „Wir hoffen, dass die Selbsttests schon bald in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Denn zu starten und dann das Angebot nicht aufrecht erhalten zu können, ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll“, sagt Schmidt. Ein kostenloser Selbsttest pro Woche: Bei Continental in Northeim, wie an allen anderen deutschen Standorten des Unternehmens auch, werden „als zusätzliche Maßnahme zu unseren umfangreichen Hygienevorkehrungen“ jedem Mitarbeiter auf Wunsch ein kostenloser Selbsttest pro Woche zur Verfügung gestellt, sagt Pressesprecher Jochen Vennemann. Es handele sich dabei um offizielle Speichel-Tests der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Ausgabe der Tests erfolge direkt an den Standorten. Die Tests können dann unkompliziert von den Mitarbeitern zu Hause vorgenommen werden. „Positive Testergebnisse unterliegen dem normalen Prozess: Der Mitarbeiter meldet dies beim Gesundheitsamt und bei uns als Arbeitgeber an“, so Vennemann. Den genauen Ablauf und die richtige Vorgehensweise bei einem Corona-Antigen-Schnelltest demonstrierte Matthias Lamm, Geschäftsführer der EVS-Gruppe in Walkenried, den Mitarbeitern bei Zufall. „Die Laientests zur Eigenanwendung erfolgen durch kurzen Nasenabstrich“, erklärt er. Dabei wird das Stäbchen nur etwa 2,5 Zentimeter tief in die Nase eingeführt. Außerdem gibt es den sogenannten Lollytest im Mundraum. Nach der Probenentnahme wird der Tupfer in das Extraktionsröhrchen mit der sogenannten Pufferlösung eingeführt und mehrmals gedreht. Anschließend wird der Tupfer an der Sollbruchstelle abgebrochen und das Röhrchen verschlossen. Nach einer Minute sollte man den versiegelten Teststreifen auf eine saubere und ebene Oberfläche legen und wenige Tropfen der Probenlösung aus dem Extraktionsröhrchen senkrecht auf die Probenvertiefung des Teststreifens träufeln. Nach 15 Minuten wird das Ergebnis angezeigt. „Die Eiweiße auf dem Teststreifen reagieren auf das Virus“, erläutert Lamm. Je nach Befall wird ein negatives oder positives Ergebnis angezeigt. Während der 15 Minuten Wartezeit sollte man den Teststreifen nicht bewegen – und auch nicht länger warten. Denn: „Nach 20 Minuten ist der Zersetzungsprozess der Eiweiße so weit fortgeschritten, dass ein falsches Ergebnis angezeigt werden könnte.“ Auch bei Ottobock in Duderstadt werde der Schutz von Mitarbeitern, Kunden und Patienten sehr ernst genommen, betont Sprecherin Merle Florstedt. Schnelltests würden bereits in der Patientenversorgung eingesetzt, dafür seien extra Mitarbeiter geschult worden. Auch die Außendienstmitarbeiter würden bereits Schnelltests nutzen, ergänzt sie. Und: „Für unsere Mitarbeiter in allen anderen Bereichen erarbeiten wir gerade ein umfassendes Schutzkonzept, das auch Impfungen einschließt.“ Bernd Blumenberg, Werkleiter des Göttinger Novelis-Standortes, listet ein großes Maßnahmenpaket zum Infektionsschutz auf. „Wir ergreifen zusätzliche präventive Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Temperaturmessungen zu Hause und an den Werkszugängen. Mit einem umfangreichen Strauß an Anti-Corona-Maßnahmen waren wir am Standort Göttingen bisher sehr erfolgreich in der Pandemie-Bekämpfung und konnten dank der Flexibilität unserer Mitarbeiter die Produktion ohne Einschränkungen aufrecht erhalten.“ Auch Schnelltests gehören dazu: Diese würden zurzeit vorwiegend bei Verdachtsfällen und in der Zusammenarbeit mit Fremdfirmen eingesetzt, so Blumenberg. Allerdings setze man konsequent auf Kontaktvermeidung sowie vorsorgliche Quarantäne, sodass Verdachtsfälle erst gar nicht das Werksgelände betreten würden. Sartorius und Universität nutzen Testmöglichkeiten: Der Göttinger Life-Science-Konzern Sartorius setzt ebenfalls auf Schnelltests. Bereits Mitte 2020 wurden mobile Testcontainer auf dem Campus aufgestellt, an denen sich die Mitarbeiter testen lassen können. Im Anschluss an diese Maßnahme gebe es mittlerweile Schnelltests, die sehr gut angenommen würden, wie André Hoffmann von der Unternehmenskommunikation mitteilt. Auch die Georg-August-Universität Göttingen setzt auf Schnelltests – und das bereits seit Dezember vergangenen Jahres. Nach einer Pilotphase mit begrenzten Kapazitäten werden dort freiwillige Corona-Tests für alle Studierenden und Beschäftigten angeboten. Wer sich testen lassen möchte, muss sich für einen Termin online holen oder in der Mensa Italia oder der Nordmensa anmelden. Für die Probenabnahme ist kein Nasen-Rachen-Abstrich nötig, sondern eine deutlich einfachere und weniger unangenehme Speichelprobe, die mit einer Art Wattestäbchen im Mund entnommen wird. Täglich können insgesamt bis zu 1200 Tests stattfinden, heißt es auf der Website der Universität. Von Tobias Christ