Göttingen: Studie belegt, dass die Arbeit im Handwerk glücklich macht

Handwerk macht glücklich. Das ist das Ergebnis einer Studie der Göttinger Universität. Die Kulturwissenschaftlerin Dorothee Hemme vom Institut für Kulturanthropologie hat dafür 25 Handwerker befragt beziehungsweise deren Aussagen ausgewertet. Das Projekt unter dem Namen „Handwerksstolz“ ist vom Niedersächsischen Wissenschaftsministerium und der Volkswagenstiftung gefördert worden. Die Studie soll nicht nur eine Bestandsaufnahme sein, die Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen will mit diesem positiven Befund an der Hand Nachwuchs gewinnen. Sie hat daher den Druck einer an Schülerinnen und Schüler adressierten Broschüre finanziell gefördert, die am 26. November in den Räumen der Kreishandwerkerschaft vorgestellt worden ist. Die Kulturwissenschaftlerin Dr. Dorothee Hemme arbeitet zu Handwerkskönnen. So war sie zum Beispiel über einen längeren Zeitraum mit Orgel- und Lehmbauern unterwegs, um deren Erfahrungswissen unter die Lupe zu nehmen. „Ich war von zufriedenen Menschen umgeben“, sagt sie rückblickend. Um herauszufinden, wie die Zufriedenheit in anderen Handwerksbereichen ist, hat sie gemeinsam mit der Volkswirtin Ann-Kathrin Blankenberg eine Umfrage realisiert. Daran hatten bundesweit rund 1600 Handwerker teilgenommen. Das sich durchziehende Ergebnis: Handwerker sind zufriedene Menschen. 25 ausführliche Gespräche: Es folgten 25 ausführliche Gespräche, wie Hemme sagt. Die Wissenschaftlerinnen wollten mehr, als anhand des Datenmaterials Grafiken abbilden, sie wollten in die Tiefe. Im Zeitraum Oktober bis Dezember 2019 befragten sie Interviewpartner unter anderem, wie diese ihr eigenes Können einschätzen, wo sich Hindernisse im Beruf aufbauen und was sie besonders zufrieden macht. Das Glück im Handwerk wird demnach zu einem Teil mit dem lebenslangen Lernen begründet. Ein Handwerker werde immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt, dadurch müsse er sich stets neu beweisen. „Das macht glücklich“, resümiert die Forscherin. Die Abwechslung in der Arbeit, ihre Vielfältigkeit, das Wachsen der handwerklichen Fähigkeiten, die immer wieder nötige Problemfindung, das selbstbestimmte Arbeiten, auch der Fakt, sein eigener Chef zu sein: alles das mache zufrieden. „Am Ende des Tages sieht man, was geschafft ist. Man sieht es und alle können es sehen“, beschreibt Hemme die glücklichsten Augenblicke im Leben eines Handwerkers. Eher auf Probleme geschaut: In der Glücksforschung habe die Betrachtung des Handwerks bisher keine Rolle gespielt. Stattdessen werde in der Forschung eher auf Problemlagen geschaut, hält Hemme fest. Jetzt könne ein ganz anderer Eindruck vermittelt werden. Als Aufschlag heißt es in der druckfrisch vorliegenden Broschüre „Handwerksstolz“: „Unsere Gesellschaft bewertet theoretisches Schul- und Fachwissen besonders hoch. Ein Studium gilt als beste Voraussetzung für eine gute berufliche Karriere. Das Handwerk wird dabei oft vergessen. Zu Unrecht, wie das Forschungsprojekt zeigt.“ Die Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen will gerade mit den Ergebnissen aus der wissenschaftlichen Studie verstärkt für einen Beruf im Handwerk werben. Dazu sind bereits Kooperationen mit weiterführenden Schulen eingegangen worden, etwa mit dem Felix-Klein- und dem Hainberg-Gymnasium Göttingen, weitere sollen folgen, das Interesse der Lehrer vorausgesetzt. Weitere Infos auch zur Umfrage gibt es auf der Projekthomepage https://handwerksstolz.webnode.com/ Bei der Vorstellung der Broschüre erinnert sich Kreishandwerksmeister Christian Frölich gerne an seine Lehrzeit. Für den damaligen Maurer in Ausbildung sei es befriedigend gewesen zu sehen, was im Laufe des Tages entstand. Auch mit Blick auf den von ihm heute geführten Betrieb hält er fest: „Was wir allein mit unseren zehn Leuten schaffen, das ist schon befriedigend.“ Er äußert sich erfreut darüber, dass sich diese bislang nur gefühlte Zufriedenheit jetzt auch wissenschaftlich belegen lässt. Lesen Sie auch: Göttinger Mahr GmbH zählt zu den besten Ausbildern Deutschlands Magazin "Der Feinschmecker" kürt Bosselmann zu einem der besten Bäcker Feinmechaniker-Innung Göttingen spricht vier Feinwerkmechaniker frei „Handwerk ist klischeebehaftet“: Für den Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Andreas Gliem, ist die Broschüre ein ideales Mittel, um damit bei jungen Menschen für einen Beruf im Handwerk zu werben. „Handwerk ist leider klischeebehaftet. Es heißt, Handwerk ist anstrengend, dreckig und das Geld stimmt auch nicht.“ Nun könne getrost und nachhaltig die Botschaft in die Schulen getragen werden, dass die Arbeit mit den Händen glücklich macht. Und schlecht bezahlt sei ein Handwerker in aller Regel keineswegs, im Gegenteil. Bereits in der Ausbildung liege die Vergütung oft deutlich über 1000 Euro. Von Ulrich Meinhard und Christina Hinzmann